Oberwil-Lieli plant Villen-Quartier an bester Lage – Pro Natura kämpft mit Beschwerde dagegen

Bauland im Unterdorf auszonen, dafür Landwirtschaftsland im Juchächer zur Landhauszone machen: Das will der Gemeinderat von Oberwil-Lieli im Rahmen der Gesamtrevision der Nutzungsplanung. Schon an der Gemeindeversammlung vor einem Jahr sorgte das Geschäft für heftige Diskussionen, ein Rückweisungsantrag wurde nur knapp abgelehnt. Der Verein «Lebenswertes Oberwil-Lieli» bekämpfte damals die Pläne des Gemeinderats, im Februar dieses Jahres reichte eine Einwohnerin beim Kanton eine Petition mit insgesamt 160 Unterschriften gegen die Einzonung des Juchächer ein. 

Der Gemeinderat liess sich von der Kritik nicht von seinen Plänen abbringen und legte die Pläne für die Umzonungen öffentlich auf. Immerhin hatte die «Gmeind» im Juni 2019 dem Vorhaben in Form einer Absichtserklärung zugestimmt. Doch der Widerstand gegen die Umzonung geht weiter: Wie der «Bremgarter Bezirks-Anzeiger» meldet, sind nach der öffentlichen Auflage mehrere Dutzend Einsprachen eingegangen. Die meisten davon richteten sich gegen die Juchächer-Einzonung, so auch die Einwendung von Pro Natura Aargau. Die Naturschützer verlangen gemäss einer Mitteilung den Verzicht auf die Villenzone, die nur locker bebaut werden soll. Die Vorgaben des Raumplanungsrechtes würden dieser geplanten Einzonung klar widersprechen, sagt Johannes Jenny, der Geschäftsführer von Pro Natura Aargau. «Der Grundsatz des haushälterischen Umgangs mit den Landreserven wird dabei klar verletzt», sagt Jenny auf Nachfrage der AZ.

Der heute noch grüne Juchächer ist laut Pro Natura ein intaktes Landwirtschaftsgebiet mit 12’700 Quadratmetern Fläche, auf dem Ackerbau betrieben wird. «Wie mehrere Entscheide zeigen, widerspricht die Schaffung einer Villenzone zu Lasten von Fruchtfolgeflächen auch klar der Praxis des Bundesgerichtes», argumentieren die Naturschützer. Dies sei selbst dann der Fall, wenn die Einzonung durch Rückzonungen in anderen Gebieten kompensiert würden.

Genau dies ist in Oberwil-Lieli vorgesehen: Im Unterdorf sollen 9277 Quadratmeter gemeindeeigenes Bauland ausgezont werden, im Gebiet Lätten sollen 3487 Quadratmeter aus der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zu Landwirtschaftsland werden. Pro Natura begrüsst die Auszonungen, will den Juchächer aber als Grünfläche erhalten. Naherholungsgebiete seien wichtige Standortfaktoren, sagt Jenny mit Verweis auf Eggenwil. «Dort sank der Steuerfuss ohne Einzonungen, die von Pro Natura geschaffenen Auen an der Reuss steigerten die Attraktivität der Gemeinde nachhaltig», sagt er.

Gemeinderat will Vorlage Ende August an die «Gmeind» bringen

Ilias Läber, der Gemeindeammann von Oberwil-Lieli, sagt auf Anfrage der AZ: «Ich bin überzeugt, dass wir eine gute, ausgewogene Lösung für unser Dorf und den Kanton ausgearbeitet haben.» Er könne aber verstehen, dass Personen oder Verbände, «die ihre spezifischen Interessen wahrnehmen wollen, eine andere Sichtweise haben können.» Der Gemeinderat werde die Einsprachen gegen die Umzonungen prüfen und mit den Urhebern das Gespräch suchen. «Wir haben jetzt Zeit, um Einigungsverhandlungen zu führen, und möchten die Vorlage am 28. August an die Gemeindeversammlung bringen», sagt Läber (ehemals BDP, jetzt parteilos). Inhaltlich will sich der Gemeindeammann nicht zur Einsprache von Pro Natura äussern. «Wir müssen die fachlichen Fragen zuerst mit unserem Planungsteam besprechen». Er verweist aber darauf, dass nicht nur der Gemeinderat, sondern auch eine Mehrheit der Bevölkerung an der Gemeindeversammlung und der Kanton den Landabtausch in Oberwil-Lieli gutgeheissen hätten.

Im kantonalen Vorprüfungsbericht steht: «Das Gebiet Juchächer ist für die Überbauung grundsätzlich geeignet. Mit der Einzonung wird eine Bauzonenlücke im Ortsteil Lieli geschlossen und das Siedlungsgebiet zweckmässig abgegrenzt». Das kantonale Departement Bau, Verkehr und Umwelt hält aber auch fest: «Die Einzonung in die Landhauszone ist mit dem Gebot des haushälterischen Umgangs mit dem Boden nur schwer vereinbar.» Zudem gingen mit dem Landabtausch gut 0,4 Hektaren Fruchtfolgeflächen verloren.

Das Gebiet im Unterdorf, das ausgezont werden soll, könnte gemäss Kanton «zur hochwertigen Entwicklung nach innen und Steigerung der Wohnraumvielfalt (Wohnungen für Junge, Familien und ältere Personen) beitragen». Dennoch könne Oberwil-Lieli auch mit dem Landabtausch die Vorgaben des kantonalen Richtplans zur Einwohnerdichte bis 2040 einhalten. Das Fazit des Kantons lautet: «In der Gesamtabwägung kann das Vorhaben aus fachlicher Sicht unterstützt werden.»

Spagat zwischen dem aktiven Dorfleben und reichen Zuzügern

Die Absicht des Gemeinderats lässt sich im Planungsbericht zum vorgesehenen Landabtausch erkennen. Gemäss den Entwicklungszielen soll einerseits das aktive Dorfleben erhalten bleiben und Oberwil-Lieli soll nicht zur Schlaf- gemeinde werden. Trotzdem soll das Dorf, das sich auf seiner Website als «Juwel am Mutschellen» präsentiert, für gute Steuerzahler attraktiv bleiben. Lange war Oberwil-Lieli die steuergünstigste Gemeinde im Kanton. Heute liegt sie mit einem Steuerfuss von 57 Prozent hinter Geltwil (50 Prozent) auf Rang 2.

Wie will Oberwil-Lieli diesen Spagat schaffen? Einerseits will die Gemeinde auf einem Teil ihrer Baulandparzelle im Unterdorf zwei neue Mehrfamilienhäuser erstellen. Dort sollen zu bezahlbaren Preisen künftig Menschen wohnen, die sich aktiv am Dorfleben beteiligen. Zudem könne mit den Mehrfamilienhäusern eine gewisse Verdichtung des Siedlungsgebiets erreicht werden. Doch auch reiche Zuzüger hat Oberwil-Lieli weiter im Visier. Die Behörde weiss «von diversen finanzstarken Personen, die gerne aus dem Raum Zürich nach Oberwil-Lieli ziehen würden, dies aber wegen Mangel an geeigneten Wohnliegenschaften/Bauland nicht tun können». Deshalb müssten auch attraktive Parzellen für Einfamilienhäuser bereitgestellt werden können.

Johannes Jenny von Pro Natura sagt, er habe bisher wegen der Einsprache keinen Kontakt mit dem Gemeinderat gehabt. Wie weit die Naturschützer mit ihrem Widerstand gehen wollen, und ob die Umzonungen gar zum Fall für die Gerichte werden, lässt er derzeit offen. «Das ist von der weiteren Entwicklung abhängig, wir werden die Optionen mit unseren Juristen besprechen.»

«Das Gesetz ändern, statt das Beschwerderecht angreifen»

Jahrelang war Andreas Glarner (SVP) Gemeindeammann von Oberwil-Lieli. Heute wohnt der 57-Jährige zwar noch im Dorf, der Nationalrat übt aber kein lokalpolitisches Amt mehr aus.

Im Interview in der AZ vom Dienstag forderte Glarner die Abschaffung des Verbandsbeschwerderechts. Er kritisierte genau jenes Instrument, das Pro Natura nun in seiner Gemeinde nutzt.

Das zeitliche Zusammentreffen ist zwar Zufall, doch Johannes Jenny, Geschäftsführer der Naturschützer, hält fest: «Ich finde es billig, dass Herr Glarner das Verbandsbeschwerderecht angreift. In seiner Position als Nationalrat müsste er doch inhaltlich argumentieren und versuchen, das Raumplanungsgesetz in seinem Sinn zu ändern.» Jenny bezweifelt allerdings, dass ein solcher Versuch von Glarner eine Mehrheit finden würde, «und das ist auch gut so». (fh)