Offener Brief an Bundesrat: Aargauer Regierung fordert schnellere Lockerung für Detailhandel, Wirte und Veranstalter

Der Aargauer Regierungsrat will, dass ab dem 27. April nicht nur Coiffeurgeschäfte, Massage- und Kosmetikstudios, Baumärkten, Gartencenter, Blumenläden und Gärtnereien öffnen können – sondern auch alle übrigen Geschäfte des Detailhandels. Er hat deswegen dem Bundesrat einen offenen Brief geschrieben, wie die Staatskanzlei mitteilt.

Das Anliegen bringt der Regierungsrat «im Einklang mit zahlreichen andern Kantonen und den nationalen Wirtschaftsverbänden» aufs Tapet. Die Geschäfte sollen unter Wahrung strikter Schutzauflagen für Mitarbeitende und Kundschaft wieder öffnen können.

Zudem bittet der Regierungsrat den Bundesrat bei der Lockerung der Corona-Massnahmen nochmals die Situation der Gastronomie und der Veranstalter zu überprüfen.

Der Regierungsrat unterstütze mit seinem Schreiben an den Bundesrat die Anliegen der bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP sowie von Wirtschaftsverbänden. Die drei Kantonalparteien, der Aargauische Gewerbeverband und die Aargauische Industrie- und Handelskammer hatten sich am Freitag mit einem «offenen Brief» an den Regierungsrat gewandt. Auch sie forderten Lockerungsmassnahmen für den gesamten Detailhandel ab dem 27. April 2020, sowie dass sich die Regierung für die Interessen von Gastronomie und Veranstaltern einsetze.

Dank an Bundesrat

«Der Regierungsrat dankt dem Bundesrat ausdrücklich für das bisherige effiziente und effektive Management der Massnahmen gegen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der Schweiz», heisst es im Schreiben des Aargauer Regierungsrats an den Bundesrats ausserdem. Die Überlegungen, die zu einer schritt- oder etappenweisen Lockerung der Massnahmen geführt haben, seien grundsätzlich nachvollziehbar.

Der offene Brief der Aargauer Regierung

COVID-19-Pandemie; Schutzmassnahmen; schrittweise Lockerung; Einbezug des Detailhandels im ersten Schritt per 27. April 2020

Sehr geehrte Frau Bundespräsidentin

Sehr geehrter Herr Bundesvizepräsident

Sehr geehrte Damen Bundesrätinnen

Sehr geehrte Herren Bundesräte

Sie haben am 16. April 2020 Öffentlichkeit und Medien über die Planung zur Lockerung der Schutzmassnahmen gegen die Weiterverbreitung des neuen Corona-Virus informiert. Diese Lockerung soll schrittweise erfolgen; ab dem 27. April 2020 werden im ersten Schritt die Spitäler wieder sämtliche Eingriffe vornehmen und ambulante medizinische Praxen, Coiffeurgeschäfte, Massage- und Kosmetikstudios ihren Betrieb wiederaufnehmen dürfen; auch Baumärkte, Gartencenter, Blumenläden und Gärtnereien gehören zu den Betrieben, die ab diesem Datum wieder öffnen können, immer unter Gewährleistung des Schutzes des Publikums und der Arbeitnehmenden.

Alle übrigen Geschäfte des Detailhandels werden demgegenüber – gemäss Planung des Bundesrats, wenn es die Entwicklung der Lage zulässt – erst in einem zweiten zeitlichen Schritt, am 11. Mai 2020 ihren Betrieb wiederaufnehmen dürfen.

Der Regierungsrat dankt dem Bundesrat ausdrücklich für das bisherige effiziente und effektive Management der Massnahmen gegen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in der Schweiz. Die Überlegungen, die zu einer schritt- oder etappenweisen Lockerung der Massnahmen geführt haben, sind grundsätzlich nachvollziehbar. Der Bundesrat will weiterhin prioritär die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung schützen und daneben die wirtschaftlichen Schäden vermindern, wobei er sich auch auf die Massnahmen in den Nachbarländern bezieht.

Während aber die Sortimentsbeschränkungen in den Lebensmittelläden bereits im ersten Schritt aufgehoben werden, soll der Einzelhandel erst wieder am 11. Mai 2020 öffnen können. Dies ist nicht nachvollziehbar und führt während zwei Wochen zu starken Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Grossverteiler. Österreich und insbesondere Deutschland haben hier einen anderen Weg eingeschlagen; insbesondere Deutschland hat für die erste Öffnungsphase allen Detaillisten erlaubt, ihre Geschäfte zu öffnen, sofern sie nicht mehr als 800 m2 Ladenfläche aufweisen.

Die von den Lebensmittelläden erfolgreich praktizierten Massnahmen zum Physical Distancing beim Einkauf lassen sich mittels adaptierter Konzepte problemlos auf den Detailhandel übertragen.

Der Regierungsrat ersucht den Bundesrat daher eindringlich, im Einklang mit zahlreichen anderen Kantonen und den nationalen Wirtschaftsverbänden, die Lockerungsmassnahmen der ersten Etappe ebenfalls auf die Geschäfte des Detailhandels auszudehnen, selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass diese die unabdingbaren Massnahmen zum Gesundheitsschutz mittels eines entsprechenden Konzepts nachweisen.

Parallel dazu ersuchen wir den Bundesrat, bei der nächsten Kommunikation zu den Lockerungsmassnahmen sich auch zur Gastronomie und zum Veranstaltungswesen zu äussern. Es ist unabdingbar, dass auch diese Wirtschaftsbranchen eine Perspektive auf der Zeitachse erhalten.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Bundespräsidentin, sehr geehrte Damen Bundesrätinnen, sehr geehrte Herren Bundesräte, unserer ausgezeichneten Hochachtung und Wertschätzung.

Im Namen des Regierungsrats

Dr. Markus Dieth, Landammann

Vincenza Trivigno, Staatsschreiberin