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Berset fordert Kantone auf, die Spitalkapazitäten auszubauen – im Aargau ist das aber kaum noch möglich

Berset fordert Kantone auf, die Spitalkapazitäten auszubauen – im Aargau ist das aber kaum noch möglich

Im Aargau sind am zweiten Tag in Folge mehr als 400 Personen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Gesundheitsminister Alain Berset sagte vor den Medien, es brauche keine neuen Massnahmen, die Kantone seien aber gebeten, ihre Spitalkapazitäten auszubauen. Aber ohne Personal ist das schwierig. 

Noemi Lea Landolt

Der kantonsärztliche Dienst meldet für Mittwoch 415 bestätigte Neuansteckungen. Bereits am Dienstag wurden im Aargau 405 neue Fälle registriert. Mehr als 400 Neuinfektionen an einem Tag waren im Aargau seit Anfang Jahr nie mehr gemeldet worden.

Der Anstieg der Neuinfektionen führt auch dazu, dass wieder mehr Covid-Patientinnen und -Patienten in den Spitälern behandelt werden. Das zeigt sich im Moment vor allem auf der Allgemeinabteilung. Am Mittwoch wurden da 50 Personen wegen Covid-19 behandelt. Am Mittwoch vor einer Woche waren es erst 30 Patientinnen und Patienten.

Auf den Intensivstationen lagen am Mittwoch neun Covid-Patienten, zwei weitere wurden auf der Überwachungsstation behandelt. Diese Kurve schwankt weniger stark und die Anzahl Patienten ist im Moment noch tiefer als im September, als über 20 Covid-Patientinnen auf der Intensivstation lagen.

Obwohl die Fallzahlen stark steigen, hat Gesundheitsminister Alain Berset am Donnerstag vor den Medien gesagt, es seien momentan keine weiteren Massnahmen notwendig. Gleichzeitig seien die Kantone aber gebeten, ihre Spitalkapazitäten auszubauen. Wie genau die Kantone das bewerkstelligen sollen, führte Berset nicht aus. Stattdessen benannte er selbst das Problem, das sich bei einem Ausbau der Kapazitäten stellt: Das Gesundheitspersonal ist bereits erschöpft.

Je mehr Covid-Patienten, desto weniger Betten für alle anderen

Im Aargau ist deshalb ein Ausbau der Spitalkapazitäten nur bedingt möglich. Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati sagte schon im August, die Kapazitäten auf den Intensivstationen könnten nicht mehr von 50 auf 60 Betten gesteigert werden. Um wieder – wie in der zweiten Welle – 60 Betten zu betreiben, stehe schlicht das Personal nicht mehr zur Verfügung.

Dass bei den Spitalkapazitäten nicht die fehlenden Betten oder medizinischen Geräte das Problem sind, sondern das Personal, das sich um die Patientinnen und Patienten in diesen Betten kümmern muss, zeigte sich bereits letztes Jahr zu Beginn der zweiten Welle. Müssen mehr Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung auf der Intensivstation behandelt werden, heisst das immer auch, dass weniger Betten für andere Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.

Können die Bettenkapazitäten in den Spitälern nicht weiter ausgebaut werden, passiert das, was in früheren Wellen auch passiert ist: Operationen, die nicht dringend sind, müssen verschoben werden, um genug Platz für Covid-Patientinnen zu haben.

Spitäler betreiben im Moment 47 Intensivbetten

Im Aargau überwacht die Abteilung Gesundheit die Bettensituation in den Spitälern. Die Kantonsspitäler Aarau (KSA) und Baden (KSB), das Spital Muri und die Hirslanden Klinik Aarau melden dem Kanton täglich die Anzahl belegter Intensivbetten und die Anzahl solcher Betten, die sie betreiben könnten.

Im Moment sind im Aargau 47 Intensivbetten in Betrieb. Davon betreibt das KSA 20 Betten, das KSB elf, die Hirslanden Klinik zehn und das Spital Muri sechs. Das teilt das Gesundheitsdepartement auf Anfrage mit. Von den 47 Intensivbetten waren am Donnerstag 38 belegt, davon neun mit Covid-Patientinnen und -Patienten. Es liegt also knapp in jedem vierten Intensivbett eine Person, die an Covid-19 erkrankt ist. Neun der betriebenen Betten sind leer.

Aufstocken nur noch bedingt möglich

Sollte die Nachfrage nach Betten auf den Intensivstationen weiter zunehmen, könnten die Spitäler im Aargau ihre Kapazitäten nur bedingt ausbauen. Aktuell könnten maximal 49 Intensivbetten betrieben werden, also zwei mehr, als derzeit zur Verfügung stehen.

Inzwischen sei das Fachpersonal schon «sehr lange stark beansprucht und kann nicht mehr zu Sondereinsätzen aufgeboten werden», so das Gesundheitsdepartement. Die anhaltende Belastung führe zu «Abnützungserscheinungen und Absenzen».

Kündigungen kompensiert, aber keine Reserven

Die Spitäler hätten die Rekrutierungen im In- und Ausland zwar verstärkt sowie in die Aus- und Weiterbildung investiert. «Die Massnahmen vermochten die Abgänge auszugleichen, aber keine Reserven anzulegen.» Qualifiziertes Personal könne nicht innerhalb von kurzer Zeit aufgestockt oder neu ausgebildet werden. «Eine Ausbildung zur IPS-Pflegefachkraft dauert mindestens zwei Jahre nach Erreichen des Diploms als Pflegefachkraft HF», so das Gesundheitsdepartement. Bei der Ärzteschaft sei die Situation ähnlich. «Fachärztinnen und Fachärzte für Intensivmedizin sind rar.»

Gerade während der Covid-19-Pandemie habe es ausserdem wenig Spielraum für zusätzliche Ausbildungsaktivitäten auf den Intensivstationen gegeben, hält das Gesundheitsdepartement fest. «Die Ressourcen waren mit der Patientenbetreuung schon sehr stark absorbiert.»