Sie sind hier: Home > Aargau > Einwohnerratswahlen: Diese Gewählten gehören zu den Überfliegern

Einwohnerratswahlen: Diese Gewählten gehören zu den Überfliegern

Fukushima gab ihr den Anstoss: Hannah Wey (Grüne) sprang in Aarau von Listenplatz 5 auf den 2. Rang

Hannah Wey (31) übertraf bei den Wahlen gleich drei Bisherige ihrer Partei.

Ihr Interesse für Umweltanliegen bekam sie quasi in die Wiege gelegt: Hannah Wey, heute 31, wuchs in Suhr in einer Familie auf, in der beide Eltern politisch aktiv waren und bewusst auf die Umwelt acht gaben. Ferien wurden in der Nähe verbracht, unterwegs waren sie meistens mit dem Velo, die Familie besass kein Auto. «Für andere war das immer sehr komisch, für mich aber ganz normal», erinnert sie sich heute.

Sich Umweltthemen hinzugeben, sei auch bei ihr schon immer eine Option gewesen, wie sie erzählt. Als sich 2011 die Nuklearkatastrophe von Fukushima ereignete, entschied sie, sich auch beruflich mit der Umwelt zu befassen. Hannah Wey bildete sich an der ETH zur Umweltingenieurin aus, doktorierte später an der Uni Neuenburg und arbeitet heute in einer Firma für Umweltmonitoring in der Zentralschweiz, wo sie sich etwa um Auswertungen von Luftschadstoffmessungen kümmert.

Mit 2187 Stimmen erreichte sie bei den Grünen Platz zwei. Wie erklärt sie ihr gutes Wahlresultat? «Das war absolute Teamarbeit», sagt sie, «zudem hatte ich erst letztes Jahr für den Grossen Rat kandidiert.» Hannah Wey ist auch gut vernetzt, etwa als Mitglied von Pro Velo Aarau sowie als Musikerin im Aarauer Studentenorchester Astor. Sonst ist sie oft in Aarau am Bouldern oder in den Bergen am Wandern. Im Einwohnerrat will sie sich für drei Hauptanliegen einsetzen: bessere Velowege, Tagesschule und Quartierentwicklung.

Sie setzt die Geschichte ihrer Eltern fort: In Aarau verteidigte Verena Jean-Richard (SP) von Listenplatz 33 aus den 14. Sitz ihrer Partei

Verena Jean-Richard (40) wird die einzige Neue der SP.

Mit ihren 2053 Stimmen und dem Sprung von Platz 33 auf 14 gehört sie zu den grossen Überraschungen der Einwohnerratswahlen: Verena oder kurz Vreni Jean-Richard (40) wurde damit als einzige Nicht-Bisherige der SP gewählt. Dies kam auch für sie überraschend, wie sie sagt, zumal sie zwar in Aarau aufgewachsen, danach aber mehrere Jahre lang in Basel und Dietikon gewohnt hat.

Seit zwei Jahren ist sie wieder zurück im Telli-Quartier, wo ihre Eltern, Judith und Peter Jean-Richard, wohnen: Sie ehemalige Stadträtin, er früherer Grossrat, beide auch für die SP. Der prominente Nachname dürfte eine Rolle bei der Wahl gespielt haben, wie Vreni Jean-Richard sagt, aber auch, dass sie in Aarau alle Schulstufen durchlief oder im Blauring engagiert war.

Sie hat später Biologie und Entwicklungszusammenarbeit studiert, forschte dann im Tropeninstitut als Epidemiologin. Für «Fastenopfer» betreut sie heute das Senegal-Programm und ist für den Bereich Compliance zuständig. Zuvor war sie lange in Tadschikistan, Burkina Faso und im Tschad tätig. Nebst Einsatz für ein gutes Miteinander unter den Kulturen will sie sich im Stadtparlament bei Umweltthemen einbringen. Als dreifache Mutter sieht sie auch für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf grossen Nachholbedarf in Aarau.

Frisch eingebürgert und schon im Einwohnerrat: Software-Ingenieurin Anja Kroll (Grüne) wurde neu in Lenzburg gewählt

Anja Kroll nimmt neu für die Grünen Einsitz im Einwohnerrat von Lenzburg. 

«Ich bin erst seit September Schweizerin», sagt Anja Kroll. Seit 22 Jahren lebt die gebürtige Deutsche zwar in der Schweiz und seit sieben Jahren in Lenzburg, eingebürgert wurde die Neo-Einwohnerrätin aber erst kürzlich.

Gerade erst Schweizerin geworden und schon Einwohnerrätin? «Ich habe die direkte Demokratie in der Schweiz immer bewundert und freue mich sehr, aktiv etwas dazu beizutragen.» Dass das für die Grünen sein würde, war für sie klar. «Mein Herz schlug schon immer grün.» Die Biodiversität etwa sei ein Anliegen, das sie schon seit Jahrzehnten begleite.

Es sei bedauerlich, dass die SP einen Sitz im Einwohnerrat von Lenzburg verloren habe. Dass die Grünen dafür zwei Sitze gewonnen und ihre Kraft damit verdoppelt haben, freue sie aber natürlich. Lenzburg habe Potenzial für mehr Biodiversität im Lebensraum. «Es muss eine Veränderung passieren», ist Kroll überzeugt.

Und was tut sie persönlich und direkt für eine bessere, grünere Welt? Sie ernährt sich vegetarisch, hat die Thuja-Hecke im Garten durch heimisches Gewächs ersetzt, hat kein Auto und fährt stattdessen mit dem Elektrovelo zur Arbeit nach Aarau. Sie tue das, was man zu Hause eben tun könne. Ausserdem ist sie Mitglied im Natur- und Vogelschutzverein «und ich rupfe im Wald Neophyten aus», fügt sie an und lacht.

Privat ist sie also viel in der Natur unterwegs, beruflich ist Kroll am Computer zu finden. Die Software-Ingenieurin arbeitet beim Kanton, beim Amt für Verbraucherschutz. Sie ist Applikations-Supporterin, sei unter anderem dafür zuständig, Prozesse zu optimieren. Und zwar so, dass es für die Anwenderinnen und Anwender im Arbeitsalltag auch wirklich eine Optimierung sei. «Kommunikation ist dabei ganz wichtig», sagt sie. Sie versuche, die Bedürfnisse abzuholen.

Das möchte sie auch in einem weiteren Bereich, in dem sie sich engagiert. Sie ist Teil der vom Stadtrat eingesetzten Gesellschaftskommission von Lenzburg. Kürzlich hat sie an einer Umfrage mitgearbeitet, die ergab, dass die meisten der Befragten mit dem Leben in der Stadt sehr zufrieden sind. Kroll hätte die Umfrage gerne auch in einfacher Sprache und in anderen Sprachen verfasst, Inklusion ist ihr ein Anliegen. «Ein schönes Leben soll ein schönes Leben für alle sein», sagt sie.

Dominique Guindo (GLP) will in Lenzburg die Klimapolitik parteiübergreifend angehen

Dominique Guindo (49)

Von den drei neuen GLP-Einwohnerräten hat er mit 704 Stimmen das beste Resultat gemacht: Dominique Guindo. «Passenderweise bedeutet mein Nachname ‹Willkommen› in einer Sprache aus Mali», sagt der 49-Jährige. «Und willkommen fühle ich mich auch in Lenzburg», ergänzt der «verlorene Genfer», wie er sich lachend selbst bezeichnet

Seit neun Jahren wohnt er hier, pendelt zur Arbeit nach Zürich – Guindo ist Bankangestellter – und engagiert sich: 2017 gründete er den Elternrat der Primarschule Angelrain, die auch seine Töchter besuchen, mit und war Vorstandsmitglied. Mitte 2020 wurde der Rat aber von der Schulpflege wieder abgeschafft. Der Einwohnerratssitz ist nun ein würdiger Ersatz.

An Lenzburg gefallen Guindo vor allem die Nähe zur Natur und die guten Verkehrsverbindungen. «Wir sind eine GA-Familie, wir haben kein Auto.» Sie seien oft unterwegs, er nennt etwa das Tessin und den Vierwaldstättersee. Als Liberaler, dem das Klima am Herzen liegt, sei die GLP die ideale Partei für ihn. Er betont aber auch: «Das Thema müssen wir parteiübergreifend und gemeinsam angehen.» Inklusion zu fördern, etwa zwischen den Generationen, sei ohnehin ein weiteres seiner Anliegen. «Darum würde ich mich beispielsweise auch sehr über eine Lenzburger Kanti, eine Aufwertung des Kronenplatzes und mehr Grün am Bahnhof freuen», sagt der neue Einwohnerrat.

Die GLP ist für die Aarauerin Cornelia Tschopp-Depta (47) eine «Herzensangelegenheit»

Cornelia Tschopp Depta ist Apothekerin und arbeitet heute bei Sandoz im Bereich Market Access und Public Affairs.

Von Listenplatz 7 schaffte sie es auf Rang 3, direkt hinter die Bisherigen und vor den Kantonalparteipräsidenten: Cornelia Tschopp Depta zieht als GLP-Politikerin ins Parlament ein. Aufgewachsen in Riniken bei Brugg, besuchte sie in Aarau die Alte Kanti. In Bern und Basel studierte sie Pharmazie und dissertierte auf dem Gebiet der Immunologie. Heute arbeitet sie bei der Pharmafirma Sandoz im Bereich «Market Access und Public Affairs»: «Ich arbeite mit dem BAG zusammen, damit unsere Medikamente von der Grundversicherung übernommen werden», fasst sie ihrem Job zusammen.

Die im Grenzbereich der Quartiere Gönhard/Goldern lebende Mutter dreier Töchter (9, 12, 14) findet, Aarau habe im Bereich Vereinbarkeit Familie und Beruf noch einiges zu tun. «Ausbauen sollte man zudem das Fernwärmenetz sowie die Velowege und den öffentlichen Verkehr.» Die GLP sei für sie eine «Herzensangelegenheit»: «Wir müssen den Wirtschaftsstandort und Innovationen fördern, gleichzeitig aber den Umweltgedanken bewahren.»

Ihren Wahlerfolg führt sie unter anderem darauf zurück, dass das Gesundheitswesen im Rat noch unterrepräsentiert sei und sie einen engagierten Wahlkampf geführt habe. «Ich freue mich sehr auf diese neue Aufgabe und sehe sie als grosse Verantwortung, vor der ich Respekt habe.»

Lenzburg: Marcel Strebel (42) ist das soziale Gewissen des Freisinns

Marcel Strebel arbeitet im Armeelogistikcenter in Othmarsingen und ist in Funktionär vieler Lenzburger Vereine.

Ein grosser Sprung: Marcel Strebel ist auf dem 28. von 30 Plätzen der FDP-Liste gestartet und kam mit 825 Stimmen auf dem siebten Platz ins Ziel. Sein Resultat erklärt sich Strebel vor allem mit seinem Engagement in Lenzburg: «Ich bin in vielen Vereinen und Gesellschaften aktiv.» Beispielsweise als Präsident der Lenzburger Offiziersgesellschaft, als Dirigent der Freischarenmusik und als Mitglied der Lenzburger Jugendfestkommission. Strebel: «Man kennt mich in der Stadt.» Dabei ist er nicht aus Lenzburg selber, aufgewachsen ist Strebel in Staufen. Er hat aber folglich die Lenzburger Schulen besucht und wohnt jetzt auch hier: «Meine Partnerin ist Lenzburger Ortsbürgerin, und als wir zusammenzogen, war der Fall für mich klar.»

Beruflich arbeitet er beim Militär, und zwar als Chef der Auftragssteuerung und Mitglied der Leitung des Armeelogistikcenters in Othmarsingen. Was hat er sich für das Amt vorgenommen? Für Strebel ist klar: «Mir ist das soziale Gewissen sehr wichtig – wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch direkt vor der Haustüre Menschen haben, die weit unter dem Existenzminimum leben.» Weiter will er sich für die Kultur und die Wirtschaft einsetzen.