Reaktionen der Aargauer Parteien auf die Vorschläge des Bundes

Andreas Glarner, Nationalrat und Präsident der SVP Aargau, ist schwer enttäuscht von den Vorschlägen des Bundesrats: «Was heute präsentiert wurde, ist eine absolute Frechheit», sagt Glarner. Die Landesregierung könne nicht zugeben, dass sie massive Fehler begangen habe mit dem harten Lockdown und krebse nun viel zu langsam zurück.

«Es ist für mich unerklärlich, warum die Restaurants, wo es kaum Ansteckungen gab, noch so lange geschlossen bleiben», sagt Glarner. Die Wirte hätten hervorragende und gut funktionierende Schutzkonzepte, dass jetzt Beizen erst ab April ihre Terrassen wieder öffnen dürften, die Innenräume gar noch später, sei absolut unverständlich.

«Der Bundesrat hat wieder einmal bewiesen, dass er fern jeder wirtschaftlichen Realität und Vernunft entscheidet», wettert Glarner. Dies sei umso unverständlicher, als SVP und FDP eigentlich die Mehrheit hätten in der Landesregierung. Doch die beiden freisinnigen Bundesratsmitglieder – Karin Keller-Suter und Ignazio Cassis – stimmten offenbar mit dem übervorsichtigen Gesundheitsminister Alain Berset.

«Ich fühle mich ohnmächtig und habe auch wenig Hoffnung, dass der Aargauer Regierungsrat beim Bund raschere Lockerungen fordern wird»,

sagt Glarner weiter. Bedauerlicherweise sei auch die eigentlich bürgerliche Kantonsregierung auf den ängstlichen Kurs des Bundesrats eingeschwenkt und habe diesen mit den früheren Ladenschliessungen gar übersteuert.

FDP: Warum bleiben Restaurants bis zum Sankt-Nimmerleinstag zu?

Lukas Pfisterer, Präsident der FDP Aargau, begrüsst die angekündigten Lockerungsschritte des Bundesrats grundsätzlich. «Es ist insbesondere erfreulich, dass die Läden am 1. März wieder öffnen können, gerade im Aargau, wo sie ja noch länger geschlossen sind, als in allen anderen Kantonen», sagt er.

Auch die geplante Öffnung von Zoos, Museen und Sportanlagen hält der FDP-Präsident für richtig und längst fällig. «Menschen brauchen Bewegung und auch gewisse Freizeitmöglichkeiten, das ist mit diesen Massnahmen wieder möglich», hält Pfisterer fest. Nicht allen reiche es, zu Hause etwas zu lesen oder im Wald spazieren zu gehen, insofern seien diese Öffnungen auch für die Moral der Bevölkerung begrüssenswert.

Überhaupt kein Verständnis hat Pfisterer hingegen für den Vorschlag des Bundesrats, dass die Restaurants weiterhin geschlossen bleiben.

«Es kann doch nicht sein, dass erst im April die Terrassen geöffnet werden dürfen, und vielleicht dann im Mai die Gaststuben drinnen»,

kritisiert der Freisinnige. Die meisten Restaurants hätten gar keine Terrassen, zudem sei das Wetter auch im April nicht immer so gut, dass man einfach draussen sitzen und servieren könne, sagt Pfisterer.

Es sei zwar erfreulich, dass der Aargau die Wirte grosszügig entschädige, solange die Lokale geschlossen seien, findet der FDP-Präsident. Aber nur Geld zu verteilen, sei auch keine Lösung. «Einerseits stellt sich die Frage, wie lange wir uns das leisten können, andererseits möchten doch auch die Wirte lieber arbeiten und selber etwas verdienen, als Geld vom Staat zu kassieren», gibt er zu bedenken.

Vom Aargauer Regierungsrat erwartet Pfisterer, dass sich dieser beim Bundesrat für einen Fahrplan zur Öffnung der Beizen einsetzt. «Die Gastronomen brauchen eine Perspektive, ich finde es unhaltbar, wenn die Restaurants bis zum Sankt-Nimmerleinstag geschlossen bleiben.» Zudem müsse der Bundesrat auch klare Angaben zum Impfen liefern – dies sei die einzige Möglichkeit, rasch in die Normalität zurückzukehren.

Die Mitte: «Pessimismus ist kein Konzept»

Marianne Binder, Präsidentin von Die Mitte, sagt, viele bedrohliche und angenommene Szenarien seien nicht eingetroffen. Das sei der gemeinsamen Anstrengung der Gesundheitsbranche, der Wirtschaft und der Bevölkerung zu verdanken. Binder findet:

«Dafür wären anerkennende Worte der Landesregierung auch einmal angesagt. Pessimismus ist kein Konzept.»

Alles, was in den Spitälern zur Bekämpfung der Krankheit geleistet werde, würden geschlossene Betriebe samt riesigen Umsatzeinbussen gegen die Verbreitung leisten. Binder sagt: «Zentral erscheinen uns deshalb nicht nur die Versprechen von Härtefallgeldern, sondern die unbürokratische Abwicklung und Auszahlung und auch deren Erhöhung.» Die Betriebe würden auf Anordnung des Staates geschlossen, deshalb stehe der Staat auch in der Verantwortung.

Öffnen auf Schutzkonzepte ausrichten und weniger auf starre Termine

«Die Unternehmen brauchen Perspektive und Planungssicherheit», sagt Binder weiter. Die Mitte begrüsse die ersten Öffnungsschritte selbstverständlich. «Dass man sie unter anderen zumindest im Aussenbereich der Gastrobranche nicht bietet, ist schmerzhaft», sagt die Parteipräsidentin. «Meines Erachtens sollten sich die Öffnungen viel mehr auf verantwortungsvoll aufgebaute Schutzkonzepte der Betriebe ausrichten sowie auf das tatsächliche Ansteckungsrisiko und weniger auf starre Termine.» Würden die Ansteckungen wieder steigen, könne man ja wieder anpassen, findet sie.

Um Vertrauen zu schaffen, müsse der Bundesrat auch die Inkohärenz verschiedener Massnahmen beseitigen. Binder sagt:

«Diese lebensfremde Fünferregel für Familien ist schlicht nicht praktizierbar.»

Es könne ja nicht sein, dass sich zwei Paare aus zwei «Haushalten» treffen, die Familie selbst jedoch unbesuchbar bleibt.

 

SP: «Totalöffnung würde alle Fortschritte zunichte machen»

Gabriela Suter, Präsidentin der SP Aargau, ist froh, dass der Bundesrat sanfte, schrittweise Lockerungsschritte in Aussicht stellt, und dass Läden und Institutionen, wo Abstände gut eingehalten werden können, schon bald wieder öffnen können. Sie sagt:

«Das schrittweise Herantasten ermöglicht es, schnell auf allenfalls wieder steigende Fallzahlen zu reagieren.»

Eine «unkoordinierte Totalöffnung», wie sie die SVP fordere, würde alle Fortschritte der letzten Wochen zunichte machen, sagt Suter. Es könne sein, dass die sich rasant verbreitenden Mutationen schon bald wieder zu höheren Fallzahlen führen würden. «Es wäre auch deshalb fahrlässig, nun sofort alles wieder zu öffnen.» Für die SP-Präsidentin ist klar: «Die Pandemie muss unter Kontrolle gehalten werden, bis ein grosser Teil der Bevölkerung geimpft ist.»

Suter ist sich bewusst, dass die Massnahmen die Wirtschaft hart treffen. Zentral sei deshalb, dass diejenigen Branchen, die ihre Arbeit noch nicht wieder aufnehmen können, wie im Gastro- aber auch im Freizeit- und Kulturbereich, angemessene finanzielle Unterstützung erhalten. Suter sagt:

«Viele Hilfen kommen immer noch nicht bei den Betroffenen an.»

Weiter würden die Branchen auch längerfristige Perspektiven brauchen – etwa im Rahmen eines Konjunkturprogramms, wie es die SP mit einem Postulat angeregt habe.

Grüne: «Schnelle Öffnung bringt nichts»

Grünen-Präsident Daniel Hölzle begrüsst, dass der Bundesrat einen Ausstiegsplan vorgelegt hat, der schrittweise Öffnungen vorsieht. «Auch wenn es allen schwerfällt, bringt es nichts, jetzt zu schnell zu öffnen und dann die Massnahmen erneut zu verschärfen», sagt er. Und weiter:

«Wir müssen uns jetzt alle noch einmal zusammenreissen.»

Die einzelnen Öffnungsschritte, die der Bundesrates vorschlägt, haben Hölzle nicht überrascht: «Es ist etwa das, was ich erwartet habe», sagt er. Ihn hätte es erstaunt, wenn der Bundesrat die Restaurants bereits ab März geöffnet hätte. «Im Gegensatz zu den Läden ist Masken-Tragen im Restaurant nicht möglich, entsprechend besteht dort ein höheres Ansteckungsrisiko.»

Von der Forderung der SVP Aargau, den Lockdown sofort zu beenden und Gastrobetriebe mit Schutzkonzepten sofort zu öffnen oder Events mit Schutzkonzepten zuzulassen, hält Hölzle entsprechend nichts. Er kommentiert schnippisch: «Inzwischen hat sich ja gezeigt, dass auch SVP-Exponenten, die in der Pandemie Verantwortung tragen, nichts davon halten.»