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«Momentan ist alles etwas Gummi»: Reitnau nimmt Budget an, weist dafür ein Reglement zurück

Wenn das Budget eine Steuerfusserhöhung von acht Prozentpunkten beantragt, sind Dis-kussionen an der Gemeinde- versammlung vorprogrammiert. Abgewiesen wurde jedoch ein anderes Traktandum.

Dem Stimmvolk (123 von 1110 waren anwesend) wurden drei Reglemente vorgelegt. Das Baugebührenreglement zur Bau- und Nutzungsordnung sowie das Personalreglement wurden angenommen. Das Reglement über die Finanzierung von Erschliessungsanlagen hingegen, sorgte für zahlreiche Wortmeldungen und anschliessend für einen Rückweisungsantrag, der mit 70 zu 24 Stimmen letztendlich klar angenommen wurde.

Im Reglement hätten neu «zur besseren Übersicht», alle drei Erschliessungshoheiten (Strassen, Wasser und Abwasser) abgehandelt werden sollen. Kaum war es zu Ende präsentiert, schoss auch schon die erste Hand in die Höhe.

«Wieso werden die Anschlussgebühren Abwasser für landwirtschaftliche und gewerbliche Bauten von 15 auf 10 Franken pro Quadratmeter Betriebsfläche gesenkt, während diese beim Bau eines Hauses 70 Franken kostet?», fragte ein Votant.

Die Antwort des Gemeinderats war ihm nicht spezifisch genug. «Im Moment ist das Reglement noch etwas Gummi», sagte er. Als auch auf die Frage, wie viel Wasser ein Sickerstein durchlassen müsse, keine klare Antwort kam, fragte er: «Wissen Sie, was versickerbare Flächen sind?»

Frau Gemeindeammann Katrin Burgherr-Burgherr beendete die Diskussion mit dem Votum über den Rückweisungsantrag. Der wurde schliesslich angenommen. Der Gemeinderat muss das Reglement überarbeiten.

Visionen Formulieren sei in kleinen Dörfern schwierig

Eingängig studiert habe der Gemeinderat das Budget 2022. So konnte der Aufwandüberschuss von 830000 Franken mit Sparmassnahmen auf 373050 Franken reduziert werden. Die Rechnung geht aber nur auf, weil der Steuerfuss von 114 Prozent auf 122 erhöht werden sollte.

Trotz Diskussionen wurde dieser Antrag angenommen. Um Ergänzungsleistungen vom Kanton zu erhalten, müsste der Steuerfuss auf 127 Prozent erhöht werden. Ein solcher Sprung sei dem Gemeinderat aber zu extrem. Den Steuerfuss jedes Jahr leicht zu erhöhen, sei «Salamirädli-Taktik», so Burgherr-Burgherr. Ohne die Steuererhöhung könne man zwar im Moment noch vom Eigenkapital leben, doch: «Wir würden Jahr um Jahr ärmer, bis wir handlungsunfähig sind.»

Zudem hätten die Einwohnerinnen und Einwohner auf diese Weise bald eine Nettoschuld statt Vermögen. Der Antrag sei also der Mittelweg. Einem Grundeigentümer fehlte die «Vision» der Gemeinde. Er stellte den Antrag, den Steuerfuss bei 114 Prozent zu belassen und eine detaillierte Vision auszuarbeiten. Daraufhin erklärte der Gemeinderat, dass er nur über etwa einen Viertel des Geldes verfügen könne.

«Wir haben wenig Spielraum.» Der neu gewählte Gemeinderat Nando Suter (20, im Publikum), bestätigte: «Gross Pläne schmieden funktioniert in einer kleinen Gemeinde nicht.» Das Problem würde mit dem Beibehalten des Steuerfusses nur verschoben werden. Die Gmeind lehnte zuerst den Antrag ab, den Steuerfuss bei 114 Prozent zu belassen. Danach wurde das Budget 2022 samt Steuerfusserhöhung mit 88 zu 23 Stimmen angenommen.