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Der abtretende Rupperswiler Gemeindeammann spricht über seine Anfänge, Scheitern und die Tragödie, die das Dorf erschütterte

Der abtretende Rupperswiler Gemeindeammann spricht über seine Anfänge, Scheitern und die Tragödie, die das Dorf erschütterte

Ende Dezember beendet Ruedi Hediger nach 28 Jahren seine Zeit im Rupperswiler Gemeinderat. 16 Jahre davon war er Ammann. Der Ur-Rupperswiler meisterte mit seinem Team so manche Hürde, auch dank seiner Militärausbildung.

Anja Suter

Ruedi Hediger posiert im «Stapfenackerhaus». Der Kredit für das Rupperswiler Mehrzweckgebäude brauchte an der Gmeind mehr als einen Anlauf.

Wenn Ruedi Hediger durch seine Gemeinde spaziert, kennt er jede Ecke. Hedigers sind das, was man getrost als Ur-Rupperswiler bezeichnen kann. Nicht nur der 64-jährige Ammann hat sein ganzes Leben im Dorf verbracht: «Mein Vater und mein Grossvater sind hier geboren, und auch vorherige Generationen.» In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in Rupperswil indes viel verändert. Wo Hediger früher als kleiner Junge noch an vielen Wiesen und Bauernhöfen vorbei in die Schule ging, befinden sich heute Überbauungen. Das ehemals kleine Rupperswil ist in den vergangen Jahren stark gewachsen. Mittlerweile wohnen fast 5800 Personen in der Gemeinde.

Auch als Lehrer musste er lernen

Dieses Wachstum störte den jungen Ruedi Hediger, als er im Alter von 37 Jahren für die SVP in den Gemeinderat gewählt wurde. «Ich dachte damals noch, dass alles so bleiben muss, wie es ist, und nicht mehr gebaut werden darf», sagt er rückblickend. Der damalige Ammann nahm dem neuen Gemeinderat aber den Wind aus den Segeln. «Er sagte mir, dass ich ja auch ein Haus gebaut habe und fragte, wieso andere dann nicht das gleiche Recht erhalten sollen. Das leuchtete mir natürlich ein.»

Zuhören und lernen. Das war es, was Hediger in seinen ersten Jahren als Gemeinderat vor allem machte. Er war es sich eigentlich genau andersrum gewohnt. Mit 22 Jahren wurde Hediger Lehrer in Rupperswil und unterrichtete die dritte bis fünfte Klasse. Der Job gefiel ihm. «Ich konnte auch mal flexibel sein.» So habe er mit den Kindern im Mathematikunterricht ein Lied gesungen oder ihnen eine Geschichte vorgelesen, wenn sie müde waren. Später wurde Hediger Rektor der Schule. Schon damals habe er gerne organisiert und realisiert, sagt er. Das sollte ihm später in der Kommunalpolitik nützlich werden.

Die Möglichkeit mehr umzusetzen und zu beeinflussen

Für Ruedi Hediger war die Wahl in den Gemeinderat der nächste logische Schritt. «Ich bin da reingewachsen», sagt er. Schon vorher war der Rupperswiler in der Gemeinde sehr aktiv; im Turnverein und in verschiedenen Kommissionen. Zum Jahrhundertwechsel folgte die Wahl zum Vizeammann. Nach sechs weiteren Jahren übernahm Hediger das höchste Amt im Dorf. Ihn habe die Verantwortung gereizt: «Wenn man zuvorderst steht, hat man die Möglichkeit, noch mehr umzusetzen und zu beeinflussen.» Dabei sei es ihm jedoch nie darum gegangen, sich zu profilieren: «Ich wollte immer das Beste für das Dorf und die Rupperswiler Bevölkerung.»

Wichtig sei ihm gewesen, die Bevölkerung für die Themen zu begeistern, auch wenn dies nicht immer im ersten Anlauf möglich war. «Es ist klar, dass man als Gemeinderat nie alle Geschäfte durchbringt. Man darf dann aber nicht enttäuscht sein», sagt Hediger. Der Ammann schien das sogar eher als Ansporn genommen zu haben. «Manchmal braucht es einen zweiten Anlauf, andere Methoden, oder eine komplett neue Idee. Am Ende gab es aber immer eine gute Lösung.» Hilfreich dürfte seine Ausbildung beim Schweizer Militär gewesen sein, wo er zuletzt Oberst im Generalstab war. «Viele denken, dass im Militär nur Leute herumkommandiert werden und laute Befehle erhalten. Vielmehr habe ich in den Ausbildungen aber gelernt Probleme strukturiert anzugehen und diese nach der Prüfung verschiedener Varianten, zu lösen»

Seine Ausbildung kam ihm auch zu Gute, als Rupperswil im Dezember 2015 auf einen Schlag schweizweit wegen des Vierfachmordes bekannt wurde. Hediger weilte in Davos, als er von der Tat erfuhr. Er kehrte am nächsten Tag nach Rupperswil zurück und berief den Gemeinderat zur Krisensitzung ein. «Es war eine schlimme Tragödie», sagt Hediger und die Emotionen sind ihm auch noch sechs Jahre nach den Morden anzumerken. An der Krisensitzung des Gemeinderates schob der Gemeindeammann die Emotionen doch für kurze Zeit auf die Seite. «In diesem Moment ging es um die Fakten», sagt er. Der Gemeinderat ging nach einer Krisentraktandenliste vor, die Hediger aus seiner Zeit beim Militär und im Gemeindeführungsstab kennt. «Alle wurden auf den gleichen Wissenstand gebracht. Wir besprachen: Wer kommuniziert? Mit wem kommunizieren wir? Was kommunizieren wir?»

Zeit für neue Personen mit neuen Ideen

Heute Abend wird Rudolf Hediger das letzte Mal an einer Gemeindeversammlung zu den Rupperswilern sprechen. Nach 28 Jahren im Gemeinderat, davon 16 als Ammann, hat er sich entschieden, nicht wieder anzutreten. «Ich wollte eigentlich nicht mehr als drei Perioden Ammann sein», sagt er. Die Gefahr, auszubrennen, sei da. Das passierte ihm trotz einer Verlängerung nicht. «Aber jetzt ist es Zeit für neue Personen mit neuen Ideen.» Mit dem Rücktritt erhält Hediger mehr Freizeit. Beruflich hat er diese schon: Er ist seit August dieses Jahres frühzeitig pensioniert. Zuvor war er Geschäftsführer des Schweizerischen Turnverbands in Aarau. In dieser Funktion war er zuletzt in Kritik gestanden.

Rudolf Hediger wird den Rupperswilern weiter erhalten bleiben: Rund ein Jahr nach seinem Abschied, 2023, feiert Rupperswil das 850-Jahr-Jubiläum. Hediger ist Präsident des Organisationskomitees und will dem Dorf ein Jahr voller Feste bieten. Für seine Gmeind. Denn: «Rupperswil ist meine Heimat.»