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«Manchmal will ich etwas machen, aber ich weiss nicht wie»: Was tun, wenn zwei sich streiten?

Es ist keine herkömmliche Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die da in einem Safenwiler Schulzimmer im Kreis sitzt. «Ich will, dass es in den Pausen weniger Streit und Schlägereien gibt», sagt ein Bub aus der sechsten Klasse. «Ich wurde schon gemobbt und andere sollen das nicht erleben», sagt ein Mädchen aus der Oberstufe.

Die Kinder und Jugendlichen – sie gehen in die Mittel- und die Oberstufe – lassen sich zu Peacemakern ausbilden. Zu Deutsch würde man Friedensstifter sagen. Vergangene Woche lernten sie im Rahmen einer Projektwoche, wie sie reagieren können, wenn sie auf dem Pausenplatz oder in den Gängen Schulkameraden sehen, die sich streiten, die jemanden hänseln oder die aufeinander losgehen. Während des Unterrichts gäbe es so gut wie keine Probleme, sagt Schulsozialarbeiter Michael Bühlmann, doch in der Pause komme es leider regelmässig zu Streit mit Worten oder Fäusten.

Das bestätigt auch ein künftiger Peacemaker, der in der sechsten Klasse ist: «Ich wünsche mir in Pausen weniger Streit und Schlägereien.» Und auch ein anderer Sechstklässler sagt: «Ich habe schon viel Streit gesehen auf dem Pausenplatz». Laufen Klassengspänli an so einer Szene vorbei, fühlen sie sich oft hilflos. Oder wie es eine Primarschülerin an diesem Vormittag ausdrückte:

«Manchmal will ich etwas machen, aber ich weiss nicht wie.»

Nach der Projektwoche geht es weiter

Die Projektwoche mit dem treffenden Thema Frieden führt die Schule zusammen mit dem Verein NCBI (National Coalition Building Institut) durch, der in der ganzen Schweiz Kurse zu Themen wie Gewalt, Integration und Vorurteile gibt. Alle Klassen thematisieren in diesen Tagen, wie Streit, Anfeindungen oder Mobbing vermieden oder beendet werden können.

Den Peacemakern kommt eine besondere Rolle zu: Sie lernen, an streitende Kameraden heranzutreten und zu vermitteln. Man bringt ihnen bei, in welchen Situationen sie etwas tun können und wie und wann sie die Sache nicht selber angehen, sondern sich beim Schulsozialarbeiter melden sollen. Sie werden auch danach zusammenkommen, sich mit Unterstützung einer Lehrperson und des Sozialarbeiters austauschen und Fälle besprechen, die sie erlebt haben. «Das Beste ist, wenn den Streitenden selber eine Lösung einfällt, friedlich auseinanderzugehen», erklärt Coach Susanne Streibert den Kindern und Jugendlichen, die um sie herum Platz genommen haben.

Den Nachwuchs-Friedensstiftern rauchen schon die Köpfe: Sie müssen herausfinden, welche der Kärtchen vor ihnen ihre künftige Rolle beschreiben und welche Aussage sie in die Irre führen will. «Peacemaker können alle Probleme lösen», steht auf einem. «Peacemaker sind keine Polizisten», heisst es auf einem anderen. «Alle Probleme könnt ihr nicht lösen», sagt NCBI-Geschäftleiter Andi Geu in die Runde. Bei Schülern, die älter seien als die Peacemaker oder bei komplizierten Problemen müssten sie die Schulsozialarbeit informieren. «Auch habt ihr nicht die Rolle von Polizisten oder Richtern», fährt er fort. «Ihr dürft niemanden zu etwas zwingen und auch nicht Partei für jemanden ergreifen.»

Eine langfristige Verpflichtung für die Schule

Es sind komplexe Weisungen, die die Nachwuchs-Friedenskräfte nicht nach einer Projektwoche verinnerlicht haben werden. Umso wichtiger ist die weitere Begleitung durch NCBI im Folgejahr, bis die Schule das Projekt selbstständig weiterziehen kann. Für eine Schule bedeutet das Aufwand, sowohl in zeitlicher wie auch finanzieller Hinsicht. Das Projekt kostet sie einen fünfstelligen Betrag. Die Schulsozialarbeit und ausgewählte Lehrpersonen müssen bereit sein, es weiterzuziehen. «Wie es weitergeht nach unserer Begleitung, liegt vor allem an den Peacemakern selber», sagt Andi Geu.

«An der Oberstufe ist es härter»

Am Willen der Safenwiler Schülerinnen und Schülern sollte das Projekt nicht scheitern. Alle sind eifrig und konzentriert bei der Sache. Im Vorfeld der Projektwoche haben sie sich für diese Aufgabe beworben und wurden von ihrer Klasse gewählt. Alle sind sie schon an Streitsituationen an der Schule begegnet oder waren Teil davon. Sie balgten sich mit Mitschülerinnen oder -schülern oder erlebten Mobbing, wie eine Oberstufenschülerin, die in die Runde sagte:

«Ich wurde einst gemobbt und ich will nicht, dass das anderen passiert.»

Entwickeln sich beim Heranwachsen mehr Muskelkräfte, werden auch Schlägereien verheerender. In der Oberstufe sei es meistens ein bisschen härter, sagt ein Schüler und sein Kamerad fügt hinzu: «Ich will nicht, dass sich Kollegen von mir streiten». Junge Burschen, die auch schon ihre Fäuste zum Einsatz brachten, sich aber wünschen, Konflikte anders zu lösen. Dass sie in der Gruppe ohne grosse Scham sagten, bei Streitereien helfen zu wollen, beeindruckt Andi Geu. Zumindest ein Teil der Mini-Blauhelme werden für längere Zeit Peacemaker bleiben.