Schlusslicht Aargau: Im Vergleich mit anderen Kantonen werden Schutzkonzepte kaum kontrolliert

Alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen und Betriebe, die geöffnet sein dürfen, brauchen ein Schutzkonzept. Die Betreiber müssen ein solches Konzept erarbeiten und dieses auch umsetzen.

Darin festgehalten werden Massnahmen zur Hygiene, zum Abstand oder zu Masken. Einkaufsläden brauchen beispielsweise ein Zählsystem, damit sich nicht zu viele Kundinnen auf einmal im Geschäft aufhalten. Die Restaurantbetreiber mussten – als sie noch offen sein durften – die Kontaktdaten der Gäste aufnehmen.

Die Kantone müssen dem Bund seit Mitte Juli 2020 jede Woche melden, wie häufig sie die Schutzkonzepte und deren Umsetzung kontrolliert haben. Einmal im Monat veröffentlicht das Bundesamt für Gesundheit die Zahlen. Diese zeigen grosse Unterschiede zwischen den Kantonen:

 

Der Aargau gehört zu den Schlusslichtern. Zwischen dem 13. Juli und dem 14. Februar fanden 683 Kontrollen statt. Im Kanton Graubünden oder in der Waadt fanden in einer Woche fast so viele oder sogar mehr Kontrollen statt.

Auch in den Nachbarkantonen Solothurn (1943 Kontrollen) oder Baselland (1821 Kontrollen) wurde deutlich mehr kontrolliert als im Aargau. Ganz zu schweigen vom bevölkerungsreichsten Kanton Zürich, wo mehr als 20’000 Kontrollen stattfanden.

Weniger Kontrollen als im Aargau fanden nur in Obwalden, Nidwalden, Appenzell Inner- und Ausserrhoden und im Kanton Glarus statt. Obwalden ist mit 71 Kontrollen das Schlusslicht.

Kanton: «Zahlen lassen sich kaum vergleichen»

Zuständig für die Kontrollen der Schutzkonzepte ist das Departement Volkswirtschaft und Inneres. Mediensprecher Samuel Helbling teilt mit, die einzelnen Zahlen in der Statistik liessen sich kaum kantonsübergreifend vergleichen. «Es gibt keine einheitliche Definition über die Art und Durchführungsintensität der Kontrollen.»

Jeder Kanton habe eine andere Vorgehensweise. Der Aargau beschränke sich darauf, dem Bund die umfassenden Schutzkonzeptkontrollen zu melden. Diese würden anhand umfassender Checklisten vollzogen und seien daher zeitintensiv und genau. Helbling sagt:

«Im Aargau wird nicht flächendeckend möglichst viel kontrolliert, sondern gezielt.»

Beispielsweise dort, wo mehrere Ansteckungen aufgetreten sind, Indizien für schlechte Umsetzung der Schutzkonzepte vorhanden sind oder das Übertragungsrisiko durch viele Kontakte generell als höher eingestuft wird.

 

Mehr als die Hälfte der Kontrollen im Aargau, nämlich 399, fanden in der Kategorie «übrige Betriebe» statt. Dazu gehören zum Beispiel Banken, Versicherungen, Autogaragen oder Coiffeursalons. 108-mal sind Restaurationsbetriebe kontrolliert worden, 107-mal Einkaufsläden.

Die Schutzkonzepte von Veranstaltungen, Freizeitbetrieben oder Nachtlokalen sind mit je rund 20 Kontrollen deutlich weniger kontrolliert worden.

In Beherbergungsbetrieben, also etwa Hotels, Jugendherbergen oder B&B, gab es nur zwei Kontrollen. Die Kontrolleure fanden in beiden Fällen mangelhafte Schutzkonzepte vor.

Kaum Mängel bei Veranstaltungen festgestellt

Bei den kontrollierten Restaurants gab es in 18,5 Prozent der Fälle etwas zu bemängeln. Bei den Läden liegt der Anteil mit 26 Prozent etwas höher. In der Kategorie der übrigen Betriebe waren die Schutzkonzepte in 204 von 399 Fällen mangelhaft. Bei den Nachtclubs in neun von 21 Fällen.

Kaum etwas zu bemängeln, gab es bei Veranstaltungen. Im Rahmen der 24 Kontrollen wurden zwei Mängel festgestellt.

Häufigster Mangel im Restaurant: Fehlender Abstand

Nebst Mängeln beim Schutzkonzept müssen die Kantone dem Bund auch melden, ob sie Mängel beim Abstand, bei der Maskenpflicht oder bei der Erhebung der Kontaktdaten festgestellt haben.

Bei den kontrollierten Restaurants im Aargau wurde der Abstand am häufigsten bemängelt, gefolgt von mangelhaft geführten Kontaktlisten:

Bei den kontrollierten Läden sind am häufigsten Mängel bei den Schutzkonzepten festgestellt worden. Weiter wurde in zehn von 107 kontrollierten Läden der Abstand nicht eingehalten. In fünf Fällen gab es Mängel bei der Maskenpflicht:

Es gebe drei Faktoren, die dafür ausschlaggebend sein können, dass das Schutzkonzept eines Betriebs im Aargau kontrolliert werde, sagt Samuel Helbling. Der Kanton werde aktiv, wenn Dritte oder Arbeitnehmende bei der Polizei oder beim Arbeitsinspektorat Anzeige wegen mangelnder Umsetzung von Schutzkonzepten oder Schutzmassnahmen einreichten.

Proaktive Kontrollen in Branchen mit sehr grossen Übertragungsrisiken

Der Kanton führt aber auch proaktive Kontrollen durch. In Lebensmittelläden und Restaurants werden diese durch die Lebensmittelinspektion umgesetzt, im übrigen Gewerbe und in der Industrie durch das Arbeitsinspektorat. «Es wird jeweils abgeklärt, in welchen Betriebszweigen die Übertragungsrisiken sehr gross sind», sagt Samuel Helbling.

Schliesslich kommt es auch zu Kontrollen, wenn sich in einem Betrieb mehrere Personen angesteckt haben. In solchen Fällen fordert der Kantonsärztliche Dienst das Schutzkonzept ein und überprüft es. Nach dieser Prüfung wird das Konzept auch noch vor Ort überprüft.

Massnahmen beeinflussen Kontrolltätigkeit

Samuel Helbling sagt, dass mehr oder weniger kontrolliert werde, habe mehrere Gründe. Ändern sich die Vorgaben, werde deren Umsetzung stark beobachtet und führe zu mehr Kontrollen. Zudem variiere die Anzahl Anzeigen, die eingehen. Helbling sagt:

«Bei der Einführung der Homeoffice-Pflicht wurden zum Beispiel viele Anzeigen eingereicht.»

Auch die Aargauer Spezialfälle schlagen sich in der Statistik nieder. Dass die Läden beispielsweise bereits am 12. Dezember schliessen mussten, habe zu einem geringeren Bedarf an Kontrollen geführt, sagt Helbling.