Schulstart im Aargau stösst bei Eltern und Lehrern auf harte Kritik: «Wir wollen keine Versuchskaninchen sein»

So sehr der Aargauische Lehrerinnen- und Lehrerverband (ALV) mit dem Schulregime des Kantons während des Lockdowns zufrieden war, so sehr kritisiert er nun das Bildungsdepartement, was die Schulöffnung nächsten Montag betrifft.

Er begrüsse zwar die Wiederaufnahme des Unterrichts, schreibt der ALV, aufgrund des aktuellen Wissensstandes, was die Rolle der Kinder und Jugendlichen in dieser Pandemie betrifft, könne er die Risikostrategie des Bundes aber nicht nachvollziehen. Das kantonale Konzept nehme er mit «wenig Begeisterung» zur Kenntnis und fordert in einigen Punkten «verbindlichere Klärungen», hält der Verband in deiner Medienmitteilung fest.

Eltern und Lehrer sind verunsichert

Es ist nicht nur der ALV, der mit dem Vorgehen des Bundes, und schliesslich dem Entscheid des kantonalen Bildungsdepartements (BKS), die Schulen nach Stundenplan und mit den ganzen Klassen wieder zu öffnen, Probleme hat. An die AZ sind mehrere Eltern, aber auch Lehrer und Lokalpolitiker gelangt, die das BKS um Regierungsrat Alex Hürzeler scharf kritisieren. «Mit den aktuell geltenden Vorgaben haben wir ein äusserst ungutes Gefühl», schreibt der Vater einer Primarschülerin, die potenziell gefährdet sei.

Er hoffe, dass die Massnahmen überdacht und verbindlichere Vorgaben gemacht würden. Die Logik, warum eine grosse Gruppe Kinder in einem kleinen Schulzimmer zusammensein solle, ansonsten aber strikte die Fünfpersonen-Regel gelte, erschliesse sich ihm nicht, sagt ein politisch aktiver Aargauer. «Wir wollen nicht alle Versuchskaninchen spielen!» stellt eine Lehrerin klar. Häufig verweisen die Kritiker auf Studien, welche die Kinder nicht grundsätzlich als Treiber des Coronavirus ausschliessen, darunter auch den Bericht der Swiss National Covid-19 Science Task Force.

Es bleibt unklar, ob Kinder Beschleuniger von Viren sind

«Die epidemiologische Rolle der Kinder ist nicht geklärt», betont der ALV. Bis gesicherte wissenschaftliche Fakten vorliegen könne der Verband die Strategie also nicht gutheissen. Im Brief an den Regierungsrat fordert der ALV Kläring in 13 Punkten, falls der Kanton am Ganzklassenunterricht festhält. Der Abstand der Lehrpersonen zu den Kindern in den unterschiedlichen Fächern, der Einbau von Schutzscheiben, die Reinigung des Arbeitsplatzes, das Verhalten von Lehrpersonen und Schülerinnen, wenn sie selber gefährdet sind, sowie wie die Massnahmen überprüft und allenfalls angepasst werden – das sind einige dieser Punkte die aus sicht der Lehrpersonen zu klären sind.

Antwort gab es vom Regierungsrat bis jetzt auf die offenen Fragen nicht, wie Manfred Dubach, der Geschäftsführer des ALV sagt. «Wir haben immer gesagt, dass wir mit einer solchen Lösung nicht einverstanden sind, eine andere Möglichkeit, als sie kritisch zu hinterfragen, haben wir aber nicht.» Zwar liess auch der Bund den Kantonen viel Spielraum bei der Gestaltung der Wiederaufnahme des Unterrichts. Die Distanz-Regeln etwa habe er aber verbindlich formuliert.

«Das BKS macht es sich sehr einfach, wenn es die Umsetzung an die Schulen delegiert», so Dubach. Ohne verbindliche Vorgaben sei die Gefahr einer zweiten Ansteckungswelle gross. «Die Lehrpersonen tragen das Risiko, wer aber ist verantwortlich, wenn etwas passiert?» Gleichzeitig sei aber festgehalten, dass die Lernziele erfüllt werden müssen. «Das ist etwa im Werken oder im Hauswirtschaftsunterricht, sowie im Kindergarten schlicht nicht möglich bei Einhaltung der Distanzregeln.»

Zuerst ein Schutzkonzept, dann die Öffnung

Was wäre aus Sicht des ALV denn die Alternative zum kantonalen Konzept? Eine Patentlösung hat auch der Verband nicht, aber: «Die Restaurants dürfen nur öffnen, wenn sie ein Schutzkonzept haben. Bei den Schulen ist es aus irgendeinem Grund umgekehrt. Das geht nicht auf, es braucht eine andere Herangehensweise», sagt Manfred Dubach.