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«Sir Bier»: Ein Arzt und ein Grossbanken-Informatiker brauen Craftbier im Seetal

In einer beschaulichen Wohnsiedlung im Norden Seons ist die erste Nanobrauerei des Dorfes zu finden. Das aber nur übers Internet, vor Ort sieht man keine Schilder. Das ist so gewollt, denn Samuel Tokalakis (32) und Joël Gerber (30) stellen mit «Sir Bier» nicht unzählige Hektoliter Bier her. Das liegt zurzeit auch gar nicht drin: Tokalakis ist Familienvater, arbeitet als Softwareentwickler für die Grossbank Credit Suisse und ist nebenbei noch selbstständig, Gerber ist Assistenzarzt am Berner Inselspital und befindet sich in der Ausbildung zum Chirurgen.

Zwei unterschiedliche Lebensentwürfe, die nicht sehr kompatibel sind, erklärt Gerber: «Ich arbeite im Schichtbetrieb, regelmässig an Wochenenden, da ist es schwierig, neben unseren Berufen und Familien die freien Tage abzustimmen.» Und Tokalakis ergänzt: «Erschwerend kommt auch der Umstand hinzu, dass wir rund zehn Tage nach dem Brauen auch noch einen freien Termin für das Abfüllen finden müssen.»

Weniger Alkohol, dafür erfrischender

Das erste Produkt von Sir Bier ist ein Märzen.

So brauen die beiden derzeit im Schnitt alle zwei Monate. Dann etwa 40 bis 45 Liter oder rund 120 Flaschen – ihr erstes, fein austariertes Bier ist derzeit ein knappes Gut. Gerber lacht: «Einen nicht zu unterschätzenden Teil davon konsumieren wir selber.» Als erstes Bier haben die beiden ein sogenanntes Märzen erkoren – das urtypische bayrische Oktoberfestbier, das der früher noch heissen Sommer wegen bereits im März gebraut wurde, damit es pünktlich zum Oktoberfest trinkfertig war.

Das Seoner Märzen enthält mit 4,6 Prozent weniger Alkohol als das bayrische Original, das normalerweise zwischen 5,5 und 6,2 Prozent angesiedelt ist. Dafür ist es erfrischender und trotzdem angenehm vollmundig und abgerundet, wie es nach mehreren Jahren des Experimentierens auch zu sein hat.

«Es muss in erster Linie Spass machen»

Wachstumsambitionen haben die beiden derzeit nicht. So fehle schlichtweg die Zeit, um öfters zu brauen. Und gleichzeitig sei auch die ganze Brauanlage, die Gerber und Tokalakis aus verschiedenen Einzelteilen für mehrere Tausend Franken selber zusammengestellt haben, perfekt aufeinander abgestimmt. Wenn man ein Zahnrad dreht, drehen sich die anderen mit – mehr Bier braucht einen grösseren Braukessel, einen grösseren Tank für die Gärung und auch mehr Platz im Lager, also im Keller von Tokalakis‘ Wohnung.

Gleichzeitig soll das Brauen auch ein Hobby bleiben, sind sich die beiden einig. Gerber erklärt: «Wir zelebrieren jeden Brautag, es muss in erster Linie Spass machen und das ist im Beruf ja nicht immer so.» Und Tokalakis fügt an: «Sollten wir eines Tages zu gross werden, wollen wir das ganze Projekt einreissen und wieder ganz klein von vorn beginnen.»

Bis zu zehn Wochen Lieferfrist

Trotzdem kann sich der Auftritt von Sir Bier sehen lassen mit Corporate Identity und Grafikdesign – eigens vom befreundeten Grafiker Thomas Steiner angefertigt, der sich im Gegenzug mit Bier bezahlen lässt. Wenn Gerber und Tokalakis ihr Bier nicht selber trinken oder verschenken, dann verkaufen sie es auch gern zum Selbstkostenpreis.

Deswegen sind die beiden beim Lebensmittelinspektorat angemeldet und müssen die strengen Auflagen der Lebensmittelproduktion erfüllen. Bei allfälligen Bestellungen muss die geneigte Kundschaft aber mit Wartezeiten rechnen: den seltenen Brautagen geschuldet mit bis zu zehn Wochen.