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«Die Jugend für das Chlausklöpfen zu gewinnen, ist schwer» – dieser Veltheimer setzt sich für den Erhalt des Brauchs ein

Christoph Jaberg aus Veltheim ist seit seiner Jugend aktiver Chlausklöpfer. 

In Auenstein ist es bereits dunkel. Am Abend ist im Dorf Ruhe eingekehrt. Trotz der Novemberkälte steht Christoph Jaberg auf dem Sportplatz nahe der Schule. Neben ihm befindet sich ein Sack voller Geisseln. Jaberg ist passionierter Chlausklöpfer und organisiert den heutigen Trainingsabend der Chlausklöpfer Rupperswil-Auenstein. Willkommen sind alle – von erfahrenen Klöpfern bis zu Interessierten, die den Brauch kennen lernen möchten. Lange soll es nicht mehr still sein auf dem Auensteiner Sportplatz.

Wenn die Geisseln richtig geschwungen werden, können Knalle mit einer Lautstärke von über 100 Dezibel erzeugt werden. Das Ziel des traditionellen Geisselns ist es laut Jaberg, den Samichlaus zu wecken. Während der sechswöchigen Saison vom 1. November bis zum 12. Dezember dürfen die Geisseln gemäss dem Polizeireglement bis um 22 Uhr geschwungen werden.

Trotz Gehörschaden legt er die Geissel nicht weg

Bereits dreimal konnte Christoph Jaberg den regionalen Wettkampf, der zum Ende der Chlausklöpfer-Saison stattfindet, für sich entscheiden. Vor einigen Jahren zog er sich aus dem kompetitiven Klöpfen zurück. «Jeder, der weiss, um was es geht, tritt mal zurück.» Der Erhalt der Tradition und die Förderung des Nachwuchses sollen gemäss dem Veltheimer im Zentrum stehen. Heute ist er aber noch immer am Wettkampf dabei. Er bekleidet das Amt eines Richters und vergibt für die 30 Sekunden Geisselschwingen Punkte an die Antretenden. «Dafür braucht es erfahrene Klöpfer», erklärt Jaberg. Erfahren ist der gelernte Elektromonteur allemal.

Seit seiner Kindheit geht Jaberg mit der Geissel Chlausklöpfen. Im Alter von acht Jahren sei er mit seiner Familie vom Kanton Zug nach Niederlenz gezogen. Dort lernte er das traditionelle Chlausklöpfen durch seine Mitschülerinnen und Mitschüler kennen. Lachend erzählt der heute 54-Jährige:

«Es ging natürlich nicht, dass die klöpfen konnten und ich nicht.»

Den Umgang mit den Chlausgeisseln lernte er schnell, jedoch nicht ohne sich einige Striemen zuzuziehen. Auch einen Gehörschaden trug Jaberg wegen des lauten Klöpfens davon. Heute trägt er deswegen zwei Hörgeräte. Der Freude am Chlausklöpfen tat dies jedoch keinen Abbruch.

Das Klöpfen weckt Kindheitserinnerungen

Christoph Jaberg erinnert sich: «Früher war das Klöpfen der Höhepunkt der Wintermonate.» Während der Saison wurde unter anderem auf dem Pausenhof gelärmt. «Unter den Jugendlichen gab es kaum jemanden, der nicht klöpfen konnte», sagt Jaberg. Auch in der Jugendriege, die Jaberg 13 Jahre lang leitete, wurde während der Zeit des Chlausklöpfens nicht in der Halle geturnt, sondern auf den Strassen mit den Geisseln geknallt.

Roman Ribic, der einst die Sportlektionen Jabergs besuchte und sich heute zum Trainingsabend mit Frau Monika und Sohn Ivo auf dem Sportplatz eingefunden hat, stimmt zu:

«In der Schule waren vor dem Klöpfen alle hibbelig.»

Untereinander hätte man jeweils die Länge der Geisseln verglichen. Je länger die Geissel und der Stock, an dem sie festgemacht ist, sind, desto schwieriger sei es den Klang zu erzeugen.

Durch die Strassen von Niederlenz, wo Ribic aufwuchs, sind Autofahrende laut dem Auensteiner damals nicht ohne Anhalten gekommen. «Wir fanden es lustig, zu stauen», so Ribic mit einem Lachen. Das Geisseln versetzt ihn auch heute noch in seine Kindheit zurück. Bei Sohn Ivo fand der Brauch Anklang. Viele seiner Kollegen würden das Geisseln ebenfalls beherrschen, doch an den Wettkämpfen nähme kaum einer teil. Neben der Familie Ribic und Christoph Jaberg ist der Sportplatz in Auenstein leer. Auf die Frage, wie viele Klöpfer er noch erwartet, antwortet Jaberg: «Ehrlich gesagt, keine.»

In Auenstein und Veltheim gibt es viele Schläfer

Christoph Jaberg weiss um den schwierigen Stand, den die Tradition heute hat. In Auenstein und in Veltheim, wo Jaberg mit seiner Familie lebt, gäbe es pro Dorf noch etwa zehn aktive Chlausklöpfer. «Als ich vor mehr als 20 Jahren nach Veltheim zog, ging ich abends allein raus zum Klöpfen.» Mehr als eine Gruppe von drei bis vier Personen habe er nie motivieren können, mitzukommen.

An den Wettkämpfen wird der Auftritt der Klöpfer nach verschiedenen Kriterien bewertet.

«Der Bezirk Brugg ist in Bezug auf den Brauch des Chlausklöpfens auf dem absteigenden Ast», meint Jaberg. Im Bezirk Lenzburg sei die Tradition stärker verbreitet. Beispielsweise in Niederlenz klöpfen gemäss dem Veltheimer noch über 100 Personen. Jaberg ist eines von sieben Mitgliedern der Interessengemeinschaft Chlausklöpfer Rupperswil-Auenstein.

Auch in Auenstein und Veltheim würden viele den Umgang mit der Geissel beherrschen. «Hier gibt es kaum ein Haus, in dem nicht mindestens eine Geissel auf dem Estrich liegt», weiss Jaberg. Diese sogenannten Schläfer wieder zum Klöpfen zu motivieren, sei aber schwierig. Jaberg erklärt: «Meist sind es Väter und Grossväter, die die Tradition dann auch nicht an ihre Kinder weitergeben.»

Aufgeben will der begeisterte Chlausklöpfer nicht

Flauten hat es gemäss Christoph Jaberg schon immer gegeben. Er fügt hinzu: «In den letzten zwei Jahren erlebten alle Gemeinden einen starken Einbruch.» Besonders beim Nachwuchs hapert es. «In den aussen liegenden Gemeinden, wie Veltheim oder Auenstein, ist es schwer, die Jugend für den Brauch zu gewinnen», so Jaberg. Er weiss:

Christoph Jaberg (rechts) repräsentierte das Schweizer Brauchtum mehrmals an der Karbatschen-Goassl-Schnöller Weltmeisterschaft in Deutschland. Dort messen sich Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Bräuche.

«Heute gibt es für die Jungen ein breites Angebot. Andere Interessen haben Vorrang vor dem Klöpfen.»

Aufgeben kommt für den 54-Jährigen aber nicht in Frage: «Wir probieren es jedes Jahr wieder. Mehr können wir nicht machen.» Jährlich organisiert Jaberg die Trainings und den Wettkampf der Chlausklöpfer Rupperswil-Auenstein. «In den 16 Gemeinden, die das Chlausklöpfen noch pflegen, findet jährlich ein interner Wettbewerb statt», sagt Jaberg. Die drei besten Klöpfer sowie die drei besten Klöpferinnen der vier Alterskategorien dürfen laut Jaberg an der Regionalmeisterschaft um den Titel kämpfen.

Auch Jaberg hat neben dem Klöpfen und der Arbeit als Elektriker bei der Elektro H. Frei AG zahlreiche Freizeitbeschäftigungen. Er fliegt und baut Modellflugzeuge, betreibt eine eigene Modellflugschule und fliegt in manntagenden Motorflugzeugen durch die Alpen. Auch im Schiessverein ist er aktiv. Gerne singt er zudem im Chor.

Hier kann das Geisseln ausprobiert werden

Zum ersten Trainingsabend erscheint niemand. Obwohl Jaberg diesen Ausgang erwartete, gesteht er: «Es tut schon weh.» Roman Ribic und Christoph Jaberg klöpfen einige Schläge im Zweier – im gleichen Rhythmus wird dabei abwechslungsweise ein Knall erzeugt – bevor die Geisseln wieder im Sack verschwinden. Auch Ivo Ribic schickt einige Knalle durch Auenstein. Danach wird es wieder still im Dorf.

Die Hoffnung, dass durch das Klöpfen neben dem Samichlaus auch einige Schläfer im Dorf wieder erwachen, hegt Jaberg weiter. «Es ist wichtig, dass unser Brauchtum bestehen bleibt», sagt er überzeugt. Am Mittwoch, 24. November, um 18 Uhr wird es einen weiteren Trainingsabend auf dem Sportplatz geben. Erneut sind alle Interessierten willkommen.

Am Sonntag, 5. Dezember, findet der Auensteiner Wettbewerb auf dem Badi-Parkplatz der Gemeinde statt. Dann entscheidet sich, wer das Dorf am Regionalwettkampf am Sonntag, 12. Dezember, in Ammerswil vertreten wird.