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Frau W. geht auf ihre letzte Reise: Unterwegs mit dem Wohler Bestattungsinstitut Koch

Frau W. liegt seit zwei Tagen im Aufbahrungsraum des Bestattungsinstitutes Koch in Wohlen. Sie ist vor wenigen Tagen zu Hause gestorben. Bereits vor ihrem Tod hat sie gemeinsam mit Karin Koch Sager, der Inhaberin des Institutes, ihre Wünsche schriftlich festgehalten und alles Weitere rund um die Beerdigung geregelt. Frau W.s Angehörige konnten sich in den letzten Tagen in aller Ruhe von ihr verabschieden.

Da liegt sie nun, die 90-Jährige. So, wie sie es gewünscht hat, gekleidet in Jupe und Blazer, im Aufbahrungsraum der Bestattungsfirma. Karin Koch-Sager steht daneben und richtet liebevoll das Blumengesteck, das am Kopfende des Sarges steht. Sie hält einen Augenblick inne.

Loreta Gashi pudert einen blauen Fleck an der Hand der Verstorbenen ab.

Kerzen und gedimmtes Licht sorgen für eine angenehme Wärme. Für die Angehörigen stehen bequeme Stühle in dem kleinen, hellen Raum, der den Blick freigibt auf einen Innenhof. Es ist still im Aufbahrungsraum.

Bestatter Manuel Freiburghaus betritt den Raum und bereitet den Sarg auf den Transport ins Krematorium in Baden vor. Dazu hebt er ihn auf ein Metallgestell mit Rädern und rollt ihn in den Vorbereitungsraum, der sich im angrenzenden Haus befindet.

Sie hat das letzte Wort: Für die Geschäftsinhaberin Karin Koch Sager ist ein würdevoller Abschied wichtig. 

Hier werden die Verstorbenen gewaschen, frisch angezogen und gepflegt. Der Raum ist hell erleuchtet und mit allerlei Hilfsmitteln ausgestattet. An den gelb gestrichenen Wänden hängen Aquarellbilder, die dem Raum eine angenehme Atmosphäre verleihen.

Bestatter Rainer Burkart, er ist der Stellvertreter von Inhaberin Karin Koch Sager, hilft Manuel Freiburghaus, den schweren Deckel auf den Sarg zu legen. Auf beiden Seiten sind grosse Schrauben angebracht, die von den beiden Männern angezogen werden. Frau W. ist bereit für ihre letzte Reise.

«Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich so eine Arbeit machen könnte»

Der Abdankungsraum steht nicht lange leer. Eben hat Rainer Burkart eine Verstorbene aus dem Spital Baden nach Wohlen überführt. Die Frau ist mit 50 Jahren an einer schweren Krankheit gestorben. Sie ist etwa im selben Alter wie Burkart. Der schlaksige Mann wählt seine Worte mit Bedacht:

«Wenn Menschen in meinem Alter oder junge Erwachsene sterben, dann geht mir das schon nahe.»

Nachdenklich betrachtet er die Verstorbene, die offensichtlich Wert auf ein gepflegtes Äusseres legte. Zuvor hatte er sie bereits gewaschen und ihr ein helles Sommerkleid angezogen. Es war ihr Lieblingskleid.

Gemeinsam mit Loreta Gashi bereitet er sie vor, damit ihre Angehörigen Abschied nehmen können. Während Gashi die Fingernägel rot lackiert, zieht er ihr die Ohrringe an.

Der Ehemann habe den Schmuck und die Schminksachen seiner verstorbenen Frau am Abend vorher vorbeigebracht, erzählt er. Und fügt an: «Ich bin froh, dass ich bei solchen Dingen Unterstützung von Loreta habe, sie kann das besser und hat ein gutes Auge dafür.»

Die 32-Jährige lackiert die Fingernägel der Verstorbenen routiniert. Anschliessend trägt sie Wimperntusche auf und bürstet behutsam die langen Haare. Sie erzählt: «Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich jemals so eine Arbeit machen könnte.»

Loreta Gashi lackiert die Zehennägel der verstorbenen.

Gashi trat vor anderthalb Jahren als kaufmännische Angestellte in den Wohler Familienbetrieb ein. Sie sei damals auf der Suche nach einer Arbeit gewesen, die sich mit der Familie gut vereinbaren lasse, erzählt die Mutter zweier kleiner Kinder. Die ersten Monate habe sie ausschliesslich im Büro gearbeitet und sei froh gewesen, wenn man sie nicht um Hilfe bei der Arbeit mit den Verstorbenen gebeten habe. Sie erzählt:

«Wenn ich etwas holen musste im Vorbereitungsraum und ich wusste, dass ein Verstorbener da war, dann hatte ich Herzklopfen und musste erst tief durchatmen, bevor ich den Raum betrat.»

«Die Familie braucht Ruhe, um den Schock zu verdauen»

Ihre Zurückhaltung ist mittlerweile der Routine gewichen. Ihre Handgriffe sitzen. Mit einem Lockenstab dreht sie der Verstorbenen Zapfenlocken ins lange Haar. Der Ehemann brachte Fotos seiner Frau. Diese ermöglichen es den Bestattern, die Verstorbenen natürlich zurechtzumachen. In diesem Fall ist es nicht so einfach, weil kleine Reste von Blut das Haar verkleben. Solche Dinge sind für die beiden versierten Berufsleute kein Problem, geschickt kaschieren sie die Stelle.

Die letzte Zapfenlocke ist gedreht, Gashi prüft nochmals, ob sie nichts übersehen hat. Derweil legt Burkart behutsam die Hände der Frau übereinander. Dann schiebt er den Sarg in den Abdankungsraum. Karin Koch Sager wirft einen prüfenden Blick auf die Verstorbene. Sie ist zufrieden mit Gashis Arbeit. Der Sarg wird in die dafür vorgesehene Nische eingelassen und der Raum mit weissen Blumen geschmückt.

Nebenan ist ein junger Mann aufgebahrt. Er ist unerwartet mit 19 Jahren gestorben. Ein schwerer Schicksalsschlag für die Familie. Karin Koch weiss: «Die Familie braucht jetzt Ruhe und Zeit, um diesen Schock zu verdauen. Es ist wichtig, dass man den Menschen diese Zeit lässt. Alles andere muss und kann jetzt erst mal warten.»

Die Bestatter Manuel Freiburghaus (links) und Rainer Burkart heben den Deckel auf einen Sarg.

Alles andere, damit sind die Behördengänge und ganz viele Entscheidungen gemeint, die im Zusammenhang mit einem Todesfall getroffen werden müssen. Das Bestattungsinstitut übernimmt auf Wunsch viele dieser Arbeiten und erleichtert den Familien die sonst schon schweren Stunden.

Bei einem Todesfall zu Hause den Hausarzt oder Arzt benachrichtigen. Bevor dieser die Totenbescheinigung ausgestellt hat, darf nichts unternommen werden. Verstirbt jemand bei einem Unfall, muss die Polizei benachrichtigt werden.

Das Zivilstandsamt muss von den Angehörigen benachrichtig werden. Es muss nebst der Todesbescheinigung, auch das Familienbuch mitgebracht werden. Ausländische Staatsangehörige müssen den Ausländerausweis oder Pass mitnehmen.

Wichtig: Den Auszug aus dem Todesregister braucht man, um die Verstorbenen von der Krankenkasse und der Pensionskasse abzumelden. Der Arbeitgeber braucht die Bestätigung auch.

Wer täglich mit dem Tod konfrontiert ist, der macht sich bestimmt auch Gedanken um seinen eigenen Tod. Gashi nickt und sagt: «Ich wünschte mir, dass ich einst auch mit so viel Hingabe und Würde behandelt werde, wie wir das hier machen.» Rainer Burkart hofft, dass er einst einen leichten Tod hat und ohne Schmerzen und Krankheit von der Welt gehen kann.

Suizid: Ein schwieriges Thema

Manuel Freiburghaus macht sich bereit für Frau W.s letzte Fahrt. Langsam rollt das silbrige Bestattungsfahrzeug aus der Garage und reiht sich in den Verkehr ein. Es ist ein grauer Oktobermorgen. Doch Freiburghaus ist gut gelaunt. Dass der Tod in diesem Auto immer mitfährt, stört ihn nicht. Er sei sich zwar bewusst, dass er Verstorbene im Fahrzeug transportiere, es belaste ihn aber nicht. Er erzählt:

«In diesem Beruf muss man abschalten können. Wenn man das nicht kann, wird es schwierig.»

Der 54-Jährige war noch bis vor wenigen Jahren als Detailhandelsangestellter in einem Möbelhaus tätig. Er habe zwar gerne Menschen beraten, aber irgendwas habe ihm gefehlt. «Ich wollte nochmals etwas anderes machen und bin zufällig auf den Beruf des Bestatters gestossen.»

Er habe ein Praktikum in Wohlen machen dürfen und habe bereits nach wenigen Tagen bemerkt, wie sinnstiftend und erfüllend diese Arbeit sei. Die ersten Jahre arbeitete er Teilzeit mit, seit anderthalb Jahren ist er Vollzeit angestellt. An seinem Beruf schätzt er die Abwechslung, und dass ihm jeder Tag wieder etwas Neues bereithält. Er schwärmt: «Das ist einmalig. Wir erfahren beinahe täglich tiefe Dankbarkeit für unsere Arbeit.»

Auch das gehört zum Alltag der Bestatter: Einen Verstorbenen im Zentrum für Pflege und Betreuung holen. 

Aber auch schwierige Momente gebe es immer wieder. Ins Grübeln bringen den sympathischen Mann beispielsweise jene Momente, in denen er Verstorbene abholt, die unbemerkt verstarben. Er sagt: «Diese Menschen starben so einsam, wie sie lebten.» Es beschäftigt ihn auch, wenn sich junge Menschen umbringen. Da hadere er manchmal mit den Verstorbenen und grüble darüber nach, weshalb sie ihrem jungen Leben ein Ende gesetzt hätten.

Der Tod, Teil des Berufsalltages

Freiburghaus biegt beim Reusspark in Niederwil ab. Hier, im Pflegeheim, holt er eine kürzlich verstorbene Frau ab. Das Fahrzeug bietet Platz für mehrere Särge. Thomas Gratwohl vom technischen Dienst erwartet ihn bereits. Es gehöre zu seinem Job, dass er beim Einsargen helfe, erzählt er. Anfänglich habe ihm das Mühe bereitet, mittlerweile sei es Teil seines Berufsalltages und er habe sich daran gewöhnt.

Die verstorbene Frau liegt bekleidet auf einem Tisch. Freiburghaus prüft, ob sie noch Schmuck trägt. Diesen muss er entfernen. Gratwohl überreicht ihm den Totenschein. Den braucht es auch, genauso wie die amtliche Bestätigung des Arztes über den Tod der Frau.

Im Aufbahrungsraum können die Hinterbliebenen Abschied nehmen. 

Nun heben sie die Verstorbene leicht an und legen sie in den daneben stehenden Sarg. Dieser befindet sich auf einem Metallgestell mit Rädern. Gratwohl verabschiedet sich. Freiburghaus rollt den Sarg in den neblig-trüben Morgen hinaus.

Er öffnet den Kofferraum des Bestattungsfahrzeugs und schiebt den Sarg hinein. Er setzt sich ans Steuer und fährt in Richtung Baden. Für Frau W. und die verstorbene Frau vom Reusspark beginnt nun ihre letzte Fahrt auf Erden.

Mitarbeitende vom Bestattungsinstitut Koch im Gespräch: