Sie gehören zur Risikogruppe: So gehen unsere Aargauer alt Nationalräte mit Corona um

 
Corina Eichenberger im Homeoffice.

Corina Eichenberger im Homeoffice.

© zvg

Corina Eichenberger: «Ich durfte das Enkelkind bisher nicht im Arm halten»

Corina Eichenberger (FDP) aus Kölliken ist im letzten Herbst nach drei Legislaturen nicht mehr für den Nationalrat angetreten. Wie hat die 65-Jährige den Übergang erlebt? Sie könne jetzt viele Dinge nachholen, die ihr in der Parlamentarierzeit nicht möglich waren. So kocht sie gern wieder komplexe und aufwendige Menus, wie damals, als ihre Kinder noch klein waren. «Ich bin dankbar, dass es mir so gut geht, die Coronakrise bewegt mich aber sehr. Wir Älteren wissen ja auch nicht, wann wir uns wieder frei bewegen können. Womöglich müssen wir warten, bis es eine Impfung gibt?» Alternativ gewissermassen in Schutzausrüstung in ein Konzert oder ins Theater zu gehen, mag sie sich nicht so recht vorstellen.

Sie nimmt die Empfehlungen des Bundesrates sehr ernst, hält sich daran, geht auch nicht mehr selbst einkaufen: «Zum gegenseitigen Schutz und aus Solidarität. Ich habe das grosse Glück, dass meine Familie für mich einkauft.» Sich an die Regeln zu halten, bedeutet für Corina Eichenberger auch, dass sie und ihr Partner Erwin Griesshammer «nicht einfach irgendwohin fahren, um dort zu spazieren oder die Landschaft zu geniessen. Wir gehen schon aus dem Haus, aber nur, um in unmittelbarer Umgebung oder im nahen Wald zu spazieren, und das in respektvollem Abstand zu anderen Menschen».

Diese Distanz falle ihr aber schon schwer. Erst recht, weil sie und ihr Partner eben je ein Enkelkind bekommen haben: «Doch weder mein Partner noch ich durften das Kind bisher im Arm halten, das verstehe ich, aber es ist hart.» Dafür gibt es jetzt viel mehr Videotelefonate mit den Kindern und so sehen sie ihre Enkel wenigstens auf dem Bildschirm: «Wir versuchen, aus dieser schwierigen Situation das Beste zu machen.»

Corina Eichenberger hat weiterhin Mandate, weniger als Rechtsanwältin, aber in Stiftungen und Kommissionen. Dieser Arbeit widmet sie sich jeweils vormittags, da gehe die Zeit rasch vorbei. Darüber hinaus freuten sie und ihr Partner sich eigentlich auf eine schöne Reise ins Bordeaux im Juni. Corina Eichenberger: «Daraus wird jetzt halt nichts, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben.» (mku)

Ueli Giezendanner hält sich auf dem Hometrainer fit.

Ueli Giezendanner hält sich auf dem Hometrainer fit.

© CH Media

Ueli Giezendanner: «Ich bin wohl einer der zufriedensten alt Nationalräte»

Ueli Giezendanner war sieben Legislaturen im Nationalrat. Der 66-jährige SVP-Politiker trat letzten Herbst nicht mehr an – in der Hoffnung, dass Sohn Benjamin dafür einen Nationalratssitz erobert, was auch gelang. Giezendanner nutzte die Zeit seither für eine Weltreise. Er war mit seiner Frau Roberta und Freunden in Südamerika, danach mit einem Rothrister in mehreren ostasiatischen Ländern. Er kam am 22. Februar zurück, unmittelbar vor der Coronakrise. Danach war eine Tour mit dem Wohnmobil Richtung Nordkap geplant. Daraus wird derzeit nichts. «Giezi» freut sich dafür in Rothrist «an den tollen Velorouten, Waldwegen und an der Aare. Wir haben es so schön hier!»

Auch er bleibt zu Hause. Er schreibt jetzt lange Einkaufszettel, Sohn Benjamin kauft ein oder seine Frau, wenn sie nicht zur Arbeit muss: «Sie ist jünger, sie darf in den Laden. Und die Kinder kümmern sich rührend um uns.» Man sieht ihn aber durchaus morgens im Büro: «Dort bin ich isoliert im Raum. Ich halte alle Regeln ein, ich habe grossen Respekt vor dem Coronavirus.» Ansonsten hält er sich fit mit Laufen und Biken in der Nähe oder auf dem Hometrainer. Gegen Abend findet man ihn zwischen seinen liebevoll gepflegten Oldtimern. Da gibt es immer was zu tun. Oder er sägt und spaltet Holz. Und kocht viel am Abend. Er hatte Angst, nach der Politik in ein Loch zu fallen, aber das geschah nicht: «Es ist traumhaft, pensioniert zu sein. Ich geniesse es. Ich bin wohl einer der zufriedensten alt Nationalräte.»

 

Sich an die Regeln halten heisst auch für ihn, mit Freunden viel zu telefonieren, statt sie physisch zu treffen. Letzteres fehlt dem Ehepaar sehr, ebenso wie das Tessin. Im dortigen Ferienhaus waren sie lange nicht mehr: «Selbstverständlich fahren wir jetzt nicht hin, man muss auch Vorbild sein. Es tut uns unendlich weh, was die Tessinerinnen und Tessiner durchmachen müssen.» Er sei zwar nicht mit allen Bundesratsentscheiden einverstanden, sagt Giezendanner, «aber zu meinem Erstaunen führt er bisher hervorragend». Wichtig ist ihm, dem Patron, dass sich die Verantwortlichen in der Wirtschaft ihrer hohen Verantwortung bewusst sind und gut zu ihren Leuten schauen. (mku)

Maximilian Reimann macht noch Ausflüge zu Fuss, wie hier um das Kloster Fahr.

Maximilian Reimann macht noch Ausflüge zu Fuss, wie hier um das Kloster Fahr.

© CH Media

Maximilian Reimann: «Klar, mit 77 verhalte ich mich natürlich vorsichtig»

Maximilian Reimann aus Gipf-Oberfrick politisierte 32 Jahre lang für die SVP in Bern. Erst als National-, dann als Stände- und schliesslich wieder als Nationalrat. Er findet, dass der Bundesrat jetzt «nach bestem Wissen und Gewissen das Beste für unser Land gibt». Er ist sogar ein bisschen stolz, dass er als Parlamentarier noch alle sieben mitwählen konnte. Er hält sich auch aus Eigeninteresse grundsätzlich an die Abstandsregeln, geht aber noch selbst im Dorfladen einkaufen, obwohl das BAG über 65-Jährigen dies dringend abrät. «Die Alterslimite 65 halte ich hier für völlig willkürlich. Als Individuum entscheide ich diesbezüglich selbst. Mehr als einer Empfehlung entspricht die BAG-Devise nicht», sagt Reimann. «Aber klar, mit Alter 77 verhalte ich mich natürlich vorsichtig. Einkäufe tätige ich nur, wenn wenige Leute im Laden sind. Zudem achte ich strikt auf Abstand und vermeide jeden physischen Kontakt mit mir unbekannten Drittpersonen.»

Er ist nicht mit allem einverstanden, was der Bundesrat entschieden hat: «Schlimm empfinde ich es, in meinen gewohnten Sport- und Fitnessaktivitäten massiv eingeschränkt zu sein», sagt er: «Warum darf ich nicht mehr Tennis spielen, wo man zu zweit und noch von einem Netz getrennt ist? Golfen könnte ich gar allein, reserviere elektronisch und komme nicht mit Dritten in Kontakt, darf das aber nicht mehr. Grösser als auf dem Golfplatz kann der Abstand ja gar nicht mehr sein …!»

Jetzt trainiert er auf dem Hometrainer, oder ist mit dem Velo auf Seiten- und Nebenwegen zwischen Rhein und Jura-Höhen unterwegs. Oder macht Ausflüge zu Fuss mit seiner Partnerin. So wanderten sie jüngst zum höchst gelegenen Aargauer See, dem Egelsee auf dem Heitersberg, oder in weiten Bögen um das Kloster Fahr oder das Schloss Kyburg herum, natürlich mit Anfahrt per Auto. «Mein Generalabonnement, das ich nach der Zeit als Parlamentarier nun selber bezahle, habe ich für einen Monat hinterlegt. Ich meide wie empfohlen den öffentlichen Verkehr. Nachher schauen wir weiter.» Wie seine Partei findet er aber, es sei Zeit, die Massnahmen sukzessive zu lockern. Vorbild ist ihm hier Österreichs Kanzler Kurz. (mku)

Sylvia Flückiger geniesst es mit ihrem Mann Hanspeter Flückiger zu kochen.

Sylvia Flückiger geniesst es mit ihrem Mann Hanspeter Flückiger zu kochen.

© CH Media

Sylvia Flückiger: «Man merkt wieder, wie wir alle aufeinander angewiesen sind»

«Mit 67 gehöre ich zur sogenannten Risikogruppe, so bleibe ich daheim und halte mich an die Verhaltensregeln. Zum Glück wohnen unsere Söhne in Aarau, haben wir liebe Nachbarn und meine jüngere Schwester, die dafür sorgen, dass mein Mann und ich trotzdem jeden Tag zusammen etwas Feines kochen können.» Das sagt Sylvia Flückiger aus Schöftland. Sie politisierte drei Legislaturen für die SVP im Nationalrat und trat 2019 nicht mehr an. Inzwischen haben sie und ihr Mann auch ihren Holzindustriebetrieb an einen Mitarbeiter verkaufen können. Sie freuen sich, dass das Unternehmen auch in der schweren Coronakrise viele Aufträge ausführen darf.

Sylvia Flückiger hat seither zwei Gänge runtergeschaltet und gönnt sich den Luxus, wie sie lachend sagt, nicht mehr um 4.30 Uhr, sondern «erst» um 5.30 Uhr den ersten Kaffee zu trinken. Sie bleibt aktiv als Präsidentin der Lignum, Holzwirtschaft Schweiz, und im Vorstand des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Sitzungen gibt es jetzt wöchentlich per Video- und Telefonkonferenzen. Sie hilft mit, Lösungen für die teilweise dramatischen Auswirkungen zu finden, die der Lockdown für viele Branchen mit sich brachte. Die enormen Anstrengungen etwa mit Onlineshops, speziellen Angeboten, Hauslieferdienst etc. seien sehr beeindruckend, sagt Flückiger anerkennend: «Man merkt wieder, wie wir alle aufeinander angewiesen sind und nichts selbstverständlich ist.»

Sylvia Flückiger hat jetzt mehr Zeit, die sie zusammen mit ihrem Mann geniesst. Es mache Freude, zusammen zu kochen, spazieren zu gehen, die Zukunft zu planen und vieles mehr. «Aber wie vielen anderen fehlt auch uns das Zusammensein mit Familie und Freunden. Doch wir haben eine ausserordentliche Situation. Wir alle sind gefordert, unseren Beitrag zu leisten.» Der Bundesrat habe schnell reagiert, lobt sie. «Entscheidend für uns alle wird die Zukunft sein. Miteinander müssen wir das Beste geben, damit wir wieder aus dem Lockdown herauskommen.» Sie hofft wie alle anderen auch, dass diese extreme Ausnahmesituation bald vorbei sein wird und wünscht allen gute Gesundheit. (mku)