
So trifft die Sperrzone Norditalien die Aargauer Transport-Unternehmen
Als die italienische Regierung am Sonntagnachmittag verkündete, dass man Norditalien weitestgehend absperre, ging bei Benjamin Giezendanner der Puls hoch. Knapp 200 Mitarbeitende beschäftigt sein Transportunternehmen in Rothrist; darunter zahlreiche Italiener aus Varese und Como in Norditalien. «Wir dachten im ersten Augenblick, dass sie nicht über die Grenze fahren können», sagt Geschäftsleiter und SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner. Er musste davon ausgehen, dass sie nicht arbeiten können.
Doch vorläufig ist dem nicht so. Die Lombardei und die weiteren zum Sperrgebiet erklärten Zonen bleiben durchlässig. «Der Güterverkehr und der Pendlerverkehr sind ja ausgenommen», sagt Jan Arnet. Er ist Geschäftsführer der Bertschi AG mit Sitz in Dürrenäsch. Die Gruppe beschäftigt weltweit 3100 Mitarbeitende, 700 davon in der Schweiz. Momentan rollt also der Verkehr. Aber: «Es kann sich jederzeit ändern», so Arnet. Wie lange die Grenze noch offen ist, weiss niemand.
In Busto-Arsizio, 15 Kilometer nordöstlich von Mailand, hat das Transportunternehmen eine seiner Niederlassungen. Schon vor zwei Wochen habe man den Fahrern dort Schutzmasken verteilt. Wenige Tage nach Bekanntwerden der ersten Fälle in Italien. «Leute, die aus betroffenen Gebieten in Asien zurückkamen, schickten wir vorsichtshalber in Quarantäne», sagt Arnet. Weil man die Ausbreitung so verhindern kann. Deshalb kritisiert er den Kanton: «Es hilft nicht, wenn man jetzt die Quarantänepflicht aufhebt.»
Auch der Schienentransport zunehmend von Corona betroffen
Bertschi-Geschäftsführer Arnet will vorbereitet sein. Deswegen habe man angefangen, die Güter auf verschiedene Terminals zu verteilen. «Der Vorteil am kombinierten Transport ist, dass bei uns die Güter mannlos unterwegs sind», sagt er. Die Container werden vom Schiff auf die Bahn verladen, soweit wie möglich mit dem Zug transportiert und erst für die Feinverteilung auf Lastwagen umgeladen. Arnet: «Das funktioniert sehr gut.»
Auch Giezendanner setzt auf kombinierten Verkehr. «Wir merken erste Auswirkungen auf den Zugverbindungen von Norden in den Süden, von Rotterdam oder aus dem Ruhrgebiet nach Mailand. Es hat zu wenig Lokführer, die in das Krisengebiet fahren wollen», sagt Giezendanner. Man fahre zwar selbst viel nach Italien, aber wenn man zusätzliche Kapazität in Deutschland einkaufen wolle, spüre man dort die Angst der Chauffeure.
Grund dafür gibt es eigentlich nicht. Solange der Chauffeur in seiner Kabine sitzt und nicht direkt mit jemandem in Kontakt kommt, ist er isoliert, also sicher. Bertschi hat deswegen die Schalter bei den Terminals wo nötig mit Plastikschutzwänden aufgerüstet. «Damit es zu keiner Tröpfchenübertragung kommen kann», sagt Arnet. Zudem helfe es, dass man seit etwa einem Jahr eine eigens entwickelte App habe. Auftragserteilung, Lade- und Entlade bestätigung, Frachtbrief-Scanning – alles ist jetzt digitalisiert und ohne Kontakt.
Auch Galliker mit Sitz in Altishofen LU hat grosse Niederlassungen in Italien. Verwaltungsratspräsident Rolf Galliker sagt zur AZ: «Wir schauen, dass die italienischen Chauffeure nicht mehr gross in die Schweiz kommen.» Wann immer möglich werden die Auflieger in der Filiale im Tessin ausgetauscht. Um das Risiko zu minimieren, bleiben die Chauffeure in der Kabine. Sie haben zudem eine eigene Toilette und eine eigene Kantine, damit sie nicht mit Maske herumlaufen müssen.
Einen Corona-Fall hat noch keines der drei Unternehmen zu beklagen – und bis jetzt auch nicht grosse Auftragsrückgänge. Allzu optimistisch blickt aber keiner in die Zukunft. Arnet: «Ich gehe davon aus, dass wir Corona in den nächsten Wochen deutlich zu spüren bekommen.» Härter getroffen hat es im Aargau indes schon kleinere Transportunternehmen. Nur die Event- und Gastrobranche hat es noch härter getroffen. Drei mittlere Betriebe mit 40 bis 50 Mitarbeitern haben auf Kurzarbeit umgestellt, wie Stephan Nauer vom Amt für Wirtschaft und Arbeit sagt. Sie seien aufs Container-Geschäft spezialisiert, wohl stark von China abhängig. «Die beklagen massive Einbrüche.» Sie dürften nicht die Letzten sein.