So will Finanzdirektor Markus Dieth ein ausgeglichenes Budget erreichen

Zürich senkt den Gewinnsteuersatz leicht. Finden Sie es immer noch richtig, den Aargauer Steuersatz bei der Umsetzung der Steuervorlage 17 (SV 17) nicht zu senken?

Markus Dieth: Ja, auf jeden Fall. Die Steuerbelastung ist über alles gesehen im Kanton Aargau sogar tiefer. Zürich hat künftig für die Unternehmen einen Gesamtsteuersatz von 18,2 Prozent. Im Aargau haben wir unverändert 18,6 Prozent. Diese Differenz ist nur marginal und hat auch eine entsprechend geringfügige Auswirkung auf allfällige Standortentscheide der Unternehmen.

Aber der Zürcher Satz ist leicht tiefer.

Es ist eben vor allem zu beachten, dass wir im Aargau einen Zweistufentarif haben: Gewinne unter 250’000 Franken werden zu nur 15,1 Prozent besteuert, also nach wie vor deutlich tiefer als im Kanton Zürich. Und bei Gewinnen über 250’000 Franken ergibt sich eine Mischrechnung, sodass die Steuerbelastung mit zunehmender Gewinnhöhe zwischen 15,1 und 18,6 Prozent liegt. Über alles gesehen ist die Steuerbelastung im Aargau also effektiv tiefer als im Kanton Zürich.

Welche Rolle spielte die Überlegung, den Steuerwettbewerb nicht weiter anzuheizen? Oder belassen Sie den Gewinnsteuersatz so, weil sich der Aargau eine Senkung nicht leisten kann?

Beides trifft zu. Wir wollen die laufende Haushaltsanierung ins Ziel führen und für die 20er-Jahre Stabilität und neuen finanziellen Handlungsspielraum erreichen. Hohe Steuerausfälle der Unternehmenssteuerreform würden dieses Ziel unterlaufen. Ein Prozent Tarifsenkung würde den Kanton Aargau 30 Millionen Franken kosten. Das sind knapp zwei Steuerprozente.

Wäre das wirklich nicht dringelegen?

Die Saldoneutralität der SV17 ist nur deshalb möglich, weil wir auf eine sehr teure Gewinnsteuersenkung verzichten, dafür aber andere Standorttrümpfe beibehalten. Dies ist ein sehr guter Kompromiss, zu dem die grosse Mehrheit der Parteien steht und den auch die Wirtschaft begrüsst. Dass damit der Steuerwettbewerb nicht weiter angeheizt wird, unterstützt gerade die SP.

Sie haben es eben gesagt, die Vorlage soll saldoneutral sein. Die SP befürchtet aber Steuerausfälle, die dann die Bevölkerung tragen müsse.

Wir können die Argumentation der SP nicht nachvollziehen. Die SP befürchtet einen Leistungsabbau für die Einwohnerinnen und Einwohner. Dies wird wegen der SV17 nicht erfolgen, weil die Vorlage ja eben saldoneutral umgesetzt wird und folglich für das Staatswesen keine Mindereinnahmen resultieren und somit auch keine Kompensation nötig ist.

Vom Bund bekommen Sie zur Gegenfinanzierung jährlich 40 Millionen Franken. Reicht dies aus für die Saldoneutralität?

Gemäss unseren Berechnungen und Schätzungen wird die SV17 beim Kanton zwischen 32 und 42 Millionen Franken Mindereinnahmen und Erträge von 36 Millionen Franken bewirken. Die Bandbreite bei den Berechnungen ist damit begründet, dass sich die Auswirkungen bei den neuen Sonderregelungen – der Patentbox und dem zusätzlichen Abzug für Forschung und Entwicklung – nicht exakt voraussagen lassen.

Woher kommen denn die zusätzlichen Millionen?

Von den zusätzlichen Bundessteueranteilen profitieren der Kanton mit 30 Millionen Franken und die Gemeinden mit 10 Millionen Franken. Der Kanton bekommt nebst den zusätzlichen Bundessteueranteilen weitere 6 Millionen Franken aufgrund der neu ordentlichen Besteuerung der bisherigen Statusgesellschaften sowie aus der Neuregelung der Dividendenbesteuerung und der Einschränkung des Kapitaleinlageprinzips. Damit ergibt sich eine Saldoneutralität in einer Bandbreite von minus 6 bis plus 4 Millionen Franken beim Kanton.

Die SP verlangt soziale Ausgleichsmassnahmen. Die sind nicht vorgesehen. Sie würden doch die Akzeptanz erhöhen?

Soziale Ausgleichsmassnahmen in Form von Entlastungen für die Einwohnerinnen und Einwohner sehen diejenigen Kantone vor, bei denen die Tarife gesenkt werden und die Unternehmenssteuerreform dadurch hohe Steuerausfälle bewirkt. Im Aargau werden die Tarife nicht gesenkt und der Regierungsrat erachtet soziale Ausgleichsmassnahmen für nicht notwendig. Ferner sind die vom Bund für die Kantone zur Verfügung gestellten Mittel (Aargau: 40 Millionen) für den Ausgleich von Mindereinnahmen aus der Unternehmenssteuerreform selber gedacht.

Und wofür genau?

Insbesondere für die Gewährung von den zusätzlichen Instrumenten Patentbox und/oder Abzug für Forschung und Entwicklung. Der Aargau setzt diese Bundesmittel vollumfänglich für diesen Ausgleich ein. Würde man soziale Ausgleichsmassnahmen vorsehen, wäre die Saldoneutralität nicht mehr gegeben und die Vorlage käme in Schieflage. Bei der nationalen Abstimmung demgegenüber ging es um die gesamtschweizerischen Verhältnisse. Mit der Stärkung der AHV-Finanzierung konnte eben auch der Bevölkerung ein Vorteil in Aussicht gestellt werden. Von der Stärkung der AHV profitieren nun auch die Aargauerinnen und Aargauer. Auch die Aargauer Unternehmen tragen aber hier ihren Teil dazu bei.

Umgekehrt sorgt sich die SVP, mit dem gleichbleibenden Gewinnsteuersatz falle der Aargau im Standortwettbewerb zurück. Sie verneinen das. Was gibt Ihnen diese Sicherheit?

Wir haben im Kanton Aargau einen Zweistufentarif. Dadurch erfahren insbesondere die KMU eine wettbewerbsfähige Belastung von lediglich 15,1 Prozent. Zudem kommen alle innovativen Unternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben und/oder Einkünfte aus Patenten haben, in den Genuss einer attraktiven Steuerbelastung. Wer diese neuen Sonderregelungen ausschöpfen kann, kommt auf ein mit den innerschweizerischen Kantonen vergleichbares Niveau von bis zu 11 Prozent.

Versiegen nicht trotzdem Firmen-Zuzüge, weil man auf den ersten Blick vorab den hohen regulären Gewinnsteuersatz sieht?

Nein. Die Firmen werden bei der Frage der Standortwahl die steuerliche Situation erfahrungsgemäss im Detail prüfen und erkennen, dass der Gewinnsteuersatz nur ein Standortfaktor ist. Sie werden nebst dem Effekt des Zweistufentarifs auch weitere Trümpfe des Kantons Aargau erkennen.

Nämlich?

Die Anrechnung der Gewinn- an die Kapitalsteuer, die bundesrechtlich tiefstmögliche Dividendenbesteuerung, oder die privilegierte Besteuerung der Aktien von nichtkotierten Unternehmen. Die Firmen ziehen ja nicht einfach so mal ein bisschen an einen neuen Standort, ohne dies vorgängig nicht genau abgeklärt zu haben.

Sie verweisen auf die Sonderabzüge. Über deren Wirkung herrschte in der ersten Beratung im Parlament Unsicherheit. Befürchtet wurden auch Mitnahmeeffekte.

Ich kann die damalige Unsicherheit nachvollziehen, denn wir betreten in der Schweiz mit den beiden neuen Sonderregelungen Neuland. Es besteht grosser Informations- und Klärungsbedarf. Wir haben dieses Bedürfnis erkannt. Die Verwaltung hat in den letzten Monaten intensiv gearbeitet und Merkblätter für die Patentbox und den Zusatzabzug für Forschung und Entwicklung erarbeitet. Auch wenn die definitiven Fassungen erst Ende Jahr vorliegen werden, sind die Entwürfe bereits publiziert, um den Firmen höchstmögliche Transparenz und Anhaltspunkte für die Umsetzung der neuen Regelungen zu geben.

Was sagen sie zu befürchteten Mitnahmeeffekten?

Mitnahmeeffekte werden eintreten, aber dies ist nicht nachteilig. Im Gegenteil: Wenn die innovativen Aargauer Firmen dank der neuen Sonderregelungen zu tieferen Steuerbelastungen kommen, stärkt dies die Standortattraktivität des Kantons und es können Arbeitsplätze geschaffen werden.

Welche Auswirkungen hat die Vorlage für die Gemeinden?

Städte etwa wie Baden und Aarau dürften stärker betroffen sein. Die aargauische Gemeindelandschaft ist sehr vielfältig. Dementsprechend sind die Gemeinden unterschiedlich betroffen, nicht nur bezüglich der Unternehmenssteuern, sondern auch der Dividendeneinkünfte. Eine auf die einzelnen Gemeinden gerichtete zielgenaue Reform ist schlicht unmöglich. Es ist aber auch zu relativieren, weil der Gemeindeanteil an den Unternehmenssteuern kleiner ist als der Kantonsanteil. Insgesamt ist die SV17 auch für die Gemeinden saldoneutral.

Die Vorlage scheint auf gutem Weg. Was aber, wenn sie doch noch auf der Ziellinie scheitern sollte?

Wenn wir keine eigene Aargauer Lösung haben, gelten ab 1. Januar 2020 die zwingenden bundesrechtlichen Vorgaben des Steuerharmonisierungsgesetzes. Dies bedeutet insbesondere kein zusätzlicher Abzug für Forschung und Entwicklung (F&E). Gerade der Abzug für F&E ist für Aargauer Unternehmer aber von grosser Bedeutung. Dies ist auch ein Bedürfnis der Wirtschaft. Zudem bestünde für die Unternehmen bis auf Weiteres Rechtsunsicherheit, was sich negativ auf unseren Standort auswirken würde.

Was hat eigentlich die Bevölkerung von der Vorlage?

Die SV17 schafft Klarheit für die Unternehmen und sichert damit Arbeitsplätze. Die Bevölkerung wird mittelfristig zudem von der weiteren Stärkung der aargauischen Wirtschaft profitieren.

Darum geht es bei der Umsetzung der Steuervorlage 17

Standortattraktivität Die privilegierte Besteuerung sogenannter Statusgesellschaften, mit der etliche Kantone viele Firmen angelockt haben, wird international nicht mehr akzeptiert. Die Schweiz braucht eine neue Lösung. Ein erster Anlauf des eidgenössischen Parlaments mit der Unternehmenssteuerreform III ist beim Volk gescheitert. Ein Neuanlauf mit der Steuervorlage 17, verknüpft mit einer AHV-Zusatzfinanzierung, wurde an der Urne aber gutgeheissen.
Jetzt ist es an den Kantonen, auf Basis der neuen Bundesregeln ihre eigenen Steuergesetze anzupassen. In mehreren Kantonen ist das schon geschehen. In Bern und Solothurn sind Vorlagen, die auch eine zum Teil deutliche Gewinnsteuersenkung für Firmen enthielten, vom Volk zurückgewiesen worden. Zürich hat eine Vorlage, mit der es den Gewinnsteuersatz minim auf 18,2 Prozent senkt (im Aargau beträgt er 18,6 Prozent) vor Wochenfrist an der Urne gutgeheissen.

Ziel der Kantone ist, dass sie trotz Wegfalls der privilegierten Besteuerung von Statusgesellschaften (von denen es im Aargau übrigens nur sehr wenige gibt) im europäischen Umfeld steuerlich attraktiv zu bleiben.

Der Aargau will seinen bisherigen Gewinnsteuersatz beibehalten: Gewinnanteile unter 250 000 Franken werden zu 15,1 Prozent besteuert. Gewinnanteile über 250 000 Franken mit einer Mischrechnung zwischen 15,1 und 18,6 Prozent (Zweitstufentarif – Berücksichtigung zunehmende Gewinnhöhe). Statt einer Gewinnsteuersenkung will der Aargau vorab die vom Bund bereitgestellten Instrumente nutzen, um attraktiv zu bleiben: nämlich steuerliche Abzüge für Patente sowie insbesondere für alle Unternehmen mit Forschung und Entwicklung. In erster Lesung hat der Grosse Rat die Vorlage der Regierung im Mai deutlich gutgeheissen, wollte aber weitere Antworten zu den Wirkungen der Abzüge für Forschungs- und Entwicklungsaufwand. Die Antworten scheinen zufriedenstellend zu sein. Die vorberatende Kommission empfiehlt die Vorlage zur Annahme. Morgen fällt im Grossen Rat in zweiter Lesung die Entscheidung. Falls der Rat grünes Licht gibt, tritt die Vorlage am 1. Januar 2020 in Kraft. (mku)