«Solche Umgebungen schädigen das Gemüt»: Steingarten-Verbot sorgt im Aargau für Diskussionen

«Steingärten (Schottergärten), die keinen ökologischen Nutzen haben, sind nicht erlaubt.» Das steht seit einigen Wochen im revidierten Baureglement von Langendorf SO. Das Reglement wurde an der Gemeindeversammlung von Ende August «diskussionslos und einstimmig angenommen», wie die Solothurner Zeitung berichtet.

Seit dem Beschluss hat Gemeindepräsident Hans-Peter Berger schon Nachfragen aus der ganzen Schweiz erhalten. Auch in Grenchen SO, Steffisburg BE, Arbon TG und anderen Gemeinden werden Verbote von Steingärten vorbereitet.

Dasselbe versuchten zwei Einwohnerratsmitglieder letztes Jahr in Wettingen: Marie Louise Reinert (EVP) und Leo Scherer (Wettigrüen) forderten in einem Postulat konkrete Vorgaben zum Erhalt der Biodiversität in der Bau- und Nutzungsordnung. Einer der Punkte im Vorstoss: «Schottergärten sollen kurzerhand verboten werden.» Und die Begründung dazu: «Solche Umgebungen schädigen das Gemüt der Bewohner, schädigen den Boden als kostbares Gut unserer Landschaft, schädigen Pflanzen und Tiere, brauchen Unkrautvertilger und schädigen den Ruf von Wettingen als attraktive Wohngemeinde auf dem Immobilienmarkt.»

«Verbote sind schwer durchzusetzen»

Der Wettinger Gemeinderat lehnte den Vorstoss ab und hielt als Begründung fest, «Verbote und Vorgaben bzw. Verpflichtungen betreffend die Art der Gartengestaltung» seien im Gegensatz zu baulichen Massnahmen «im Rahmen des Baurechts schwer durchsetzbar». Schon heute werde Bauwilligen in Wettingen empfohlen, bei der Umgebungsgestaltung heimische Pflanzenarten zu verwenden. 

Der Gemeinderat befürchtete, «dass bei aufgezwungener Art und Weise der Gartengestaltung der Wille zur Gartenpflege sehr klein wird, was sich negativ auf die Gartengestaltung auswirken könnte». Die grundsätzliche Verpflichtung der Gartenbesitzer zu einer naturnahen Gartengestaltung stelle zudem einen grossen Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar. Auch im Einwohnerrat blieb der Vorstoss chancenlos: Am 30. Januar dieses Jahres lehnte das Gemeindeparlament das Postulat mit 32 zu 14 Stimmen klar ab.

«Steinwüste» mit Palmen statt Grünrabatte 

Streit um eine «Steinwüste» gab es im Mai auch in Windisch: CVP-Einwohnerrätin Elsbeth Hofmänner störte sich am neuen Eingangsbereich des Schwimmbads. Dort hatten Angestellte der Gemeinde eine zuvor grüne Fläche mit 14 Tonnen Steinen und drei Palmen umgestaltet.

 

Pflegeleichter und optisch freundlicher sollte das Areal werden, die Idee für die umstrittene Gestaltung mit Steinen kam von den beiden Badmeistern. Hofmänner kritisierte, die Gemeinde erfülle ihre Vorbildfunktion nicht. In der neuen Bau- und Nutzungsordnung sei die Grünflächenziffer erhöht worden, dazu passe die Schotterfläche vor dem Schwimmbad schlecht.

Grünflächen-Anteil von 40 Prozent

Heidi Ammon, Gemeindepräsidentin von Windisch, versprach nach der Kritik der Einwohnerrätin, es würden noch Töpfe mit einheimischen Pflanzen in die steinige Rabatte gestellt. Roland Schneider, Leiter Bau und Planung in Windisch, sagt auf Anfrage der AZ, dies sei auch passiert. «Wir haben seltene einheimische Bäume wie die Elsbeere dort platziert.»

Elsbeth Hofmänner plant noch diese Woche einen Augenschein, um nachzusehen, wie das Areal vor dem Schwimmbad jetzt aussieht. Sie hält fest, dass in der Bau- und Nutzungsordnung für gewisse Zonen in Windisch ein Grünflächen-Anteil von 40 Prozent vorgeschrieben sei. «Das ist ein hoher Wert, für private Bauherren eine Herausforderung, also sollte die Gemeinde mit gutem Beispiel vorangehen.»

Steine des Anstosses: der Eingang zur Badi Windisch.

Steine des Anstosses: der Eingang zur Badi Windisch.

© Andreas Toggweiler Bild: Claudia Meier (22.5.2020

Die drei Palmen, die im Mai vor dem Schwimmbad Windisch standen, könnten durchaus Feriengefühle auslösen, aber sie seien natürlich keine heimischen Pflanzen. Hofmänner will im Einwohnerrat noch einen Vorstoss einreichen: «Ich plane eine kleine Anfrage, denn ich will wissen, was im Winter mit den Palmen passiert.» Die CVP-Einwohnerrätin hält es für wenig sinnvoll, die kälteempfindlichen Pflanzen aufwendig zu überwintern, statt heimische, winterfeste Arten zu pflanzen.

Vorgaben zur Gartengestaltung sind Sache der Gemeinden

Im kantonalen Departement Bau, Verkehr und Umwelt beschäftigen sich die Abteilung Raumentwicklung sowie die Abteilung Landschaft und Gewässer mit Steingärten. Departementssprecher Giovanni Leardini sagt, es gebe keine Gesetzesgrundlage für ein Eingreifen auf kantonaler Ebene, Vorgaben für die Gestaltung von Gärten seien Sache der Gemeinden.

«Über das Instrument der Grünflächenziffer kann verbindlich festgelegt werden, welcher Flächenteil einer Parzelle unversiegelt ausgeführt werden muss», hält er fest. Ausserdem könnten Gemeinden mit Empfehlungen, Projekten, Broschüren und Kampagnen an die Eigenverantwortung der Grundeigentümer appellieren. «Dabei ist es wichtig, dass die Gemeinden mit gutem Beispiel vorangehen und eigene Gärten, Randbereiche oder öffentliche Plätze und Freiräume in diesem Sinne gestalten», betont Leardini.

Regionaler Beratungsdienst für Gemeinden

Eine angemessene Umgebungsgestaltung bringe zahlreiche Synergien, so zum Beispiel zwischen Biodiversität, Ortsbildschutz und hitzeangepasster Siedlungsentwicklung als Reaktion auf den Klimawandel. So würden sich begrünte Flächen deutlich weniger aufheizen als Steingärten und so zur Hitzeminderung in den Gemeinden beitragen, sagt der Departementssprecher.

Der Kanton versuche, über Sensibilisierung und Vorbildfunktion auch darauf hinzuwirken, «dass private ‹Gärten des Schreckens› ihren Kulminationspunkt bald überschritten haben». Die Abteilung Landschaft und Gewässer propagiere gerade im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel die Wichtigkeit von grünen – nicht grauen – Oasen im Siedlungsraum.

Der Leitfaden zu hitzeangepasster Siedlungsentwicklung und die Klimaanalysekarte, die derzeit erarbeitet wird, sollen laut Leardini die Vorteile von lebenden Gärten für das Stadtklima verdeutlichen. Wichtig sei die Kontrolle der Vorgaben, und zwar bei neuen und bestehenden Gärten, «damit die Massnahmen auch mittel- bis langfristig Bestand haben».

Zudem will der Kanton den Gemeinden einen regionalen Beratungsdienst zu Themen wie ökologische Infrastruktur, Natur im Siedlungsraum, Massnahmen zur Klimaanpassung, Gestaltungsplänen, oder Artenförderung anbieten.