Standortsuche läuft weiter, aber: Die Aargauer Regierung will kein Tiefenlager im eigenen Kanton

Aktuell läuft die dritte und letzte Etappe der Standortsuche für ein geologisches Tiefenlager. Noch in der Auswahl sind: Jura Ost (AG), Nördlich Lägern (ZH, AG) und Zürich Nordost (ZH, TG). Die Entscheidung gibt die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) erst nächstes Jahr bekannt. Der Aargauer Regierungsrat hat nun dazu Stellung bezogen.

Was sagt der Kanton grundsätzlich?

Eigentlich will der Regierungsrat kein Tiefenlager auf Aargauer Kantonsgebiet. Schon heute trage der Kanton überproportional hohe Lasten für die ganze Schweiz, wie etwa die Stromproduktion aus Kernkraftwerken, das Zwischenlager Würenlingen (Zwilag) oder die sehr hohe Verkehrsbelastung auf Strasse und Schiene. Eine weitere Belastung könne dem Kanton Aargau deshalb nicht zugemutet werden.

Trotzdem ist der Regierungsrat aber bereit, im Standortauswahlverfahren konstruktiv mitzuarbeiten. Langfristige Sicherheit habe allerdings oberste Priorität, wie es in der Stellungnahme heisst. Politische Gründe oder andere Aspekte, die nicht sicherheitsrelevant sind, dürften bei der Standortwahl keine Rolle spielen.

Welche Anlagen an der Oberfläche sind geplant?

Für ein unterirdisches Tiefenlager sind auch Bauten an der Erdoberfläche notwendig, wie etwa ein Zugang zum Lagertunnel. Für diese Oberflächeninfrastruktur im Standortgebiet Jura Ost, das vollständig im Aargau liegt, hat das Nagra mehrere Vorschläge ausgearbeitet.

  • Oberflächenanlage am westlichen Aareufer, nördlich des Innovationsparks InnovAARE
  • Nebenzugangsanlage-Betrieb in der Tongrube «Schmidberg», südlich der Gemeinde Böttstein
  • Nebenzugangsanlage-Lüftung im Itelental oder nördlich der Gemeinde Riniken
  • Brennelement-Verpackungsanlage ausserhalb der Oberflächenanlage Zwilag Würenlingen am östlichen Aareufer
  • Verladebahnhof Ausbruchmaterial östlich der Beznau-Insel, Aarebrücke zwischen Zwilag und Oberflächenanlage, Bauinstallationsflächen

Die Aargauer Gemeinden Fisibach, Schneisingen und Siglistorf sind zwar Teil des potentiellen Standortgebiets Nördlich Lägern. Die gesamte Oberflächeninfrastruktur ist aber auf Gebiet des Kantons Zürich geplant.

Was fordert der Kanton zu den geplanten Bauten?

Zu den Standortvorschlägen der Nagra zur Oberflächeninfrastruktur stellt der Regierungsrat verschiedene Forderungen. Der Kanton weist auf diverse Nutzungskonflikte und Schutzinteressen hin, für die Lösungen entwickelt werden müssen. Neben dem Wildtierkorridor Böttstein-Villigen oder dem Auenschutzpark Klingnauer Stausee betrifft dies beispielsweise auch:

  • Grundwasserschutz: Das Thema hat im Laufe des Verfahrens bereits zu grossen Diskussionen und Überprüfungen geführt. Die Nagra hat für das Gebiet Nördlich Lägern erstmals eine technische Lösung vorgeschlagen, um die Auswirkungen auf das Grundwasser zu minimieren. Der Regierungsrat fordert aber, dass bei sämtlichen potentiellen Standorten, die über dem Grundwasser liegen, Lösungen zu dessen Schutz ausgearbeitet werden.
  • Paul Scherrer Institut und Innovationspark InnovAARE: Der Regierungsrat unterstützt keine Planungen und Tätigkeiten, die Arbeiten und Forschungsprojekte des Hightech-Standorts beeinträchtigen könnten, die eine räumliche Weiterentwicklung der Standorte behindern oder die dem Image schaden. Zudem müssten entstehende Erschütterungen beim Bau eines allfälligen Tiefenlagers minimiert und zeitlich mit dem PSI und dem InnovAARE abgestimmt werden.
  • Zwilag Würenlingen: Bereits in einer früheren Phase des Verfahrens wurde das Zwilag Würenlingen als möglicher Standort für eine externe Verpackungsanlage aufgeführt. Die Ausführungen der Nagra dazu überzeugten den Kanton Aargau jedoch nicht. Die zusätzlich erforderlichen Transporte seien eine potentielle Gefährdung – auch durch Störfaktoren wie etwa Demonstrationen. Erst falls tatsächlich ein Tiefenlager am Standort Jura Ost realisiert werde, könne man eine Verpackungsanlage beim Zwilag prüfen.

Wie geht es weiter?

Das Bundesamt für Energie (BFE) hat die Standortkantone aufgefordert, ihre Positionierungen zu den Vorschlägen der Nagra einzureichen – was der Aargau nun getan hat. Anschliessend nehmen die beteiligten Regionalkonferenzen im 2. bis 3. Quartal 2021 zu diesem Thema Stellung. Die Nagra gibt schliesslich 2022 ihre Standortwahl bekannt und reicht für die gewählten Standorte Ende 2024 Rahmenbewilligungsgesuche ein. Diese werden anschliessend von den Behörden geprüft. 2029 entscheidet dann der Bundesrat über die Bewilligung der Gesuche. Möglich sind auch mehrere Standorte für die beiden Lagertypen «Schwach- und mittelaktive Abfälle» und «Hochaktive Abfälle» sowie ein einziger Kombistandort für beide Lagertypen.