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Ein Ort zum Trauern: In Wettingen gibt es neu eine Grabstätte für Totgeborene

Lange Zeit galten Fehl- und Stillgeburten in der Schweiz als Tabuthema. Seit einigen Jahren findet ein Umdenken statt. Kinder, die vor oder bei der Geburt sterben, haben inzwischen auch einen Namen erhalten: Sie werden liebevoll «Sternenkinder» genannt, seltener auch Engels- oder Schmetterlingskinder.

Dem Bedürfnis von Eltern und Angehörigen, für die verstorbenen Kinder eine Gedenkstätte zu haben, wo der Verlust betrauert werden kann, wird in den letzten Jahren immer mehr Rechnung getragen. Bereits seit 2006 gibt es beim Kantonsspital Baden im Park eine Gedenkstätte für früh verlorene Kinder. Das KSB gilt hier als Pionierin.

Inzwischen entstanden nach und nach in der ganzen Schweiz immer mehr solcher Grabfelder. Nun zieht Wettingen nach: Neu gibt es auch auf dem Friedhof Brunnenwiese ein Grabfeld «Sternenkinder». Im Bezirk Baden ist es das erste auf einem Friedhof.

Das Grab ist mit einem Monument gekennzeichnet, einer Säule, entworfen vom Wettinger Bildhauer Willy Sager. «Er symbolisiert den Weg ins ewige Leben», wie Julie Böckli, Leiterin des Wettinger Bestattungsamtes, ausführt. Die Beisetzung der Asche des verstorbenen Kindes werde künftig auf der umliegenden Wiese stattfinden. Auf Wunsch der Eltern könne ausserdem der Name des Kindes mit einem goldenen Stern auf der Säule verewigt werden.

In Anspruch nehmen dürfen die besondere Grabstätte in Wettingen wohnhafte Eltern, deren Kinder vor der vollendeten 22. Schwangerschaftswoche gestorben sind. Ins Zivilstandsamt eingetragen werden Kinder erst nach diesem Zeitpunkt, alle anderen gelten als Fehlgeburt und werden dort deshalb nicht erfasst. Seit dem 1. Januar 2019 gibt es jedoch die Möglichkeit einer Beurkundung, sollten dies die Eltern wünschen.

Zur Anzahl Sternenkinder gebe es keine genauen Zahlen, sagt Julie Böckli. In Wettingen seien es geschätzt zwei bis zehn Fälle pro Jahr. Betroffene Eltern erhalten auf dem Friedhof Brunnenwiese nun einen würdevollen Ort für die Verabschiedung ihres Kindes.

Neu auch Naturbestattungen möglich

Das Grabfeld Sternenkinder ist aber nicht das einzige, das auf dem Friedhof Brunnenwiese frisch eröffnet wurde. Ein weiteres, ein Gemeinschaftsgrab, heisst Baumgrab. «Es soll dem wachsenden Bedürfnis nach einer Bestattung in der Natur nachkommen», erklärt Julie Böckli. Damit eröffne sich eine natürliche und würdevolle Alternative zu den bisher gewohnten Bestattungsritualen.

Im Grabfeld Bäume, einem Gemeinschaftsgrab, wird die Asche im Wurzelbereich eines ausgewählten Baumes beerdigt.

Nicht die Urne, sondern die Asche werde im Wurzelbereich in der Umgebung von verschiedenen Baumarten beerdigt. Der gewünschte Baum kann beim Gespräch mit dem Bestattungsamt ausgewählt werden. Zur Auswahl stehen unter anderem Baumarten wie Eiche, Föhre oder Buche. Diese Form der Beisetzung ermögliche eine Rückführung in den biologischen Kreislauf, der zwischen Mensch und Natur ein harmonisches Gleichgewicht darstelle.

«Es handelt sich in diesem Falle nicht um eine anonyme Beisetzung, der Grabplatz ist bekannt und eine Inschrift mit Namen und Geburtsjahr an der Jahresholzstele neben dem Grabfeld erinnert an die verstorbene Person», so Böckli.

Beisetzungswünsche im Wandel

Mit diesen beiden neuen Grabfeldern kommt Wettingen dem Trend nach alternativen Bestattungsformen nach. Klassische würden eher in den Hintergrund rücken und neue Varianten die Weltanschauung der Verstorbenen widerspiegeln, so Julie Böckli.

Letzteres zeigt sich auch bei anderen Friedhöfen in der Region. So wurde 2018 beim Badener Friedhof Liebenfels eine Grabstätte für Badener Muslime eingerichtet, dem ersten solchen Grabfeld im Kanton Aargau. Ehrendingen zog vor kurzem nach und bietet das seinen muslimischen Einwohnerinnen und Einwohnern seit neuestem auch an. Die Gräber sind so angelegt, dass die Gesichter der Verstorbenen genau nach Mekka ausgerichtet sind.

Einen Parkwald für Aschenbeisetzungen, ähnlich wie nun auch in Wettingen, gibt es auf dem Friedhof Liebenfels seit drei Jahren ebenfalls.