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«Ohne Verein gibt’s zu wenig Kontrolle»: Eine Gemeinschaft macht sich grosse Sorgen um das Murimoos

Die Institution Murimoos werken und wohnen ist weit herum bekannt. Die «Kolonie», wie sie früher hiess, bezweckt seit 1932 «die Errichtung und den Betrieb von Wohnformen und von geschützten und offenen Arbeitsplätzen für betreuungsbedürftige, psychisch, körperlich oder sozial benachteiligte Personen», steht heute in den Statuten des Trägervereins. Dieser Verein ist es nun aber, der für Streit sorgt. Genauer: seine geplante Umwandlung.

Der Vereinsvorstand und die Geschäftsleitung des Murimoos wollen die Rechtsform ändern. Die Gebäude sollen in eine Stiftung überführt und der Verein zum Förderverein werden. Zudem soll die operative Führung in einer gemeinnützigen AG organisiert werden. Vor einer Woche gab der Vorstand bekannt, dass sich in einer schriftlichen Abstimmung eine Mehrheit von 79 Stimmberechtigten für die Änderung ausgesprochen habe, 45 waren dagegen. Die Rechtsform soll also geändert werden. Geschäftsführer Michael Dubach hielt fest:

«Wir sind eine der letzten grösseren sozialen Institutionen, die noch als Verein geführt werden. Auch der Kanton unterstützt die Rechtsformänderung.»

Am Mittwochmorgen meldete sich nun aber die Interessengemeinschaft (IG) Zukunft Murimoos zu Wort. Innert zwei Wochen hätten sie 80 Personen gefunden, die sich wie sie Sorgen um die Zukunft der Institution machten, sagten fünf Repräsentantinnen und Repräsentanten an einer Pressekonferenz.

IG hat Angst, der Vorstand könne unkontrolliert Land verkaufen

Die IG mache sich aus verschiedenen Gründen Sorgen. Einerseits sei der Verein ein Kontrollorgan, sagte der pensionierte ehemalige Leiter der NAB Aarau, Hans-Mathias Käppeli. «Der Vorteil für den Vorstand ist klar: Mit der Umwandlung entzieht man den Mitgliedern des Vereins sämtliches Mitspracherecht. Sie haben keinerlei Kontrollfunktion mehr. Der Vorstand kann machen, was er will.» Die grösste Sorge der IG ist, dass die Leitung des Murimoos ohne Rücksprache Land veräussern könne, das dann vielleicht nicht mehr biologisch bebaut werde. Dabei sei das Murimoos eine schützenswerte Naturlandschaft.

Ausserdem fehlt der IG die Transparenz. Der pensionierte Rechtsanwalt Thomas Kull sagte: «An der Generalversammlung im Mai hat man noch gar nichts von dieser Rechtsformänderung zu hören bekommen. Im August stand sie dann plötzlich an, man hatte viel zu wenig Zeit, um sich eingehend damit zu befassen, bevor im September die erste ausserordentliche Generalversammlung zum Thema stattfand.»

Ausserdem monierte er, dass der Vorstand keinerlei Diskussion zum Thema zugelassen habe. Eva Kollmann und er hätten verschiedene Fragen gestellt, seien aber jedes Mal abgeblockt worden. «So etwas darf es in einem Verein einfach nicht geben.»

IG fordert einen sofortigen Übungsabbruch

Astrid Gebert, pensionierte Berufsbildnerin, konnte ausserdem nicht verstehen, wieso die Rechtsform geändert werden soll, wenn sich, wie der Vorstand betone, für die Klienten und Angestellten nichts ändert. «Sollte nicht erst eine Strategie festgelegt werden, bevor man eine so grosse Änderung vornimmt?»

Ingenieurin und Landwirtin Eva Kollmann machte sich vor allem dafür stark, dass der biologische Landbau und der Schutz des vereinseigenen Landes in die Statuten aufgenommen werden soll. Ausserdem fand sie, dass der gemeinschaftliche soziale Gedanke des Murimoos-Gründers Sämi Holliger mit der Rechtsformänderung verloren gehe.

Der ehemalige Leiter des Landwirtschaftlichen Zentrums Muri, Peter Jäggi, sah all das ebenso und forderte zusammen mit der gesamten IG Zukunft Murimoos einen sofortigen Übungsabbruch. Man solle sich mit den Vereinsmitgliedern zusammensetzen und gemeinsam eine neue Lösung finden, waren sie sich einig.

Vorstand sagt, es liege ihm fern, Land zu verkaufen

Der Vereinsvorstand und die Geschäftsleitung nahm die Anliegen betroffen entgegen. «Wir haben transparent informiert, alle Unterlagen zeitgerecht aufbereitet und zur Verfügung gestellt», hielt Vorstandspräsidentin Heidi Schmid auf Anfrage fest.

Sie findet es unverständlich, dass die IG Angst davor hat, dass durch die neue Rechtsform Land ohne Kontrolle verkauft werden könne. «Einerseits wäre das mit den heutigen Statuten bereits möglich. Andererseits liegt es uns aber absolut fern, Land zu verkaufen. Im Gegenteil, als Geschäftsführer Michael Dubach vor drei Jahren hier angefangen hat, war ein Teil des Landes, das dem Murimoos gehört, noch verpachtet. Heute nutzen wir unser gesamtes Land selbst.»

Zudem, so führte Vorstandspräsidentin Heidi Schmid aus, habe es in den vergangenen zehn Jahren kaum je Vereinsmitglieder gegeben, die die Entscheidungen des Vorstands oder der Geschäftsleitung hinterfragt hätten. «Bisher bestand ein grosses Vertrauen zwischen uns. Bei den meisten Mitgliedern ist das immer noch so.» Und: Es gebe viele Freiwillige, die im Murimoos mithelfen – aber als 2019 die Vereinsmitglieder zum Freiwilligeneinsatz aufgerufen wurden, sei eine Einzige gekommen, nämlich Heidi Schmid selbst, berichtete Ingo Hauser, Leiter Geschäftsbereich Wohnen.

Eine neue Strategie habe der Vorstand gemeinsam mit der Geschäftsleitung in der ersten Hälfte dieses Jahres ausgearbeitet, sie dürfe gern eingesehen werden. Darin stehen klar die Klientinnen und Klienten im Zentrum. Dubach fügt hinzu:

«Ausserdem liegt es uns fern, vom biologischen Landbau abzuweichen. Und auch eine Schliessung unseres Bioladens stand nie zur Diskussion. Ich weiss nicht, wieso die IG so etwas verbreitet.»

Zu Gunsten einer Stiftung spreche, dass geldgebende Institutionen sie als nachhaltiger empfinden würden als einen Verein, bei dem die Mitglieder vieles selbst bestimmen könnten. Eine Stiftung sei zweckgebundener.

Schmid fasste zusammen: «Ein Übungsabbruch ist derzeit nicht möglich. Es war ein demokratischer Entscheid, die Mehrheit war für die Rechtsformänderung. Es wäre falsch von uns, dies zu ignorieren.»