Tag der Frau: «Kühe haben es einfacher als Frauen»

«Wir lehnen die Initiative ab, weil sie naturgegebene Tatsachen völlig ausser Acht lässt und unserem Verständnis der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau nicht entspricht.» Das schrieb die Aargauer Regierung am 12. Juni 1978 in ihrer Stellungnahme zur Volksinitiative «Gleiche Rechte für Mann und Frau». Irène Kälin, Nationalrätin der Grünen, hat das Schreiben passend zum gestrigen Tag der Frau auf Twitter verbreitet. Der Regierungsrat war 1978 – wenig überraschend – ein Männergremium. Und die Regierungsräte Arthur Schmid, Hans-Jörg Huber, Kurt Lareida, Jörg Ursprung und Louis Lang waren als Gremium dagegen, den Frauen die gleichen Rechte zu geben, die sie selbst genossen. Auf sein Verständnis der Rollenverteilung ging der Regierungsrat in der Stellungnahme zwar nicht näher ein. Das Bild dürfte der Frau in der Rolle der liebevollen Mutter und tüchtigen Hausfrau entsprochen haben.

Seit der Stellungnahme sind bald 40 Jahre vergangen. Die Gleichstellung von Frau und Mann ist inzwischen ein Verfassungsauftrag. Das konnte auch das Aargauer Männergremium nicht verhindern. Doch trotz gesetzlicher Verankerung seit 1981 ist die Gleichstellung der Geschlechter in der Praxis bis heute nicht umgesetzt. Frauen verdienen für die gleiche Arbeit laut Bundesamt für Statistik 7,4 Prozent weniger als Männer – ohne dass sich dieser Unterschied objektiv erklären liesse. Ausserdem sind sie in Führungspositionen und in der Politik untervertreten. Es gibt also weiterhin genug Gründe, sich gegen die Ungleichheit zu wehren.

Trillerpfeifen und Fahnen
Das geschah gestern Abend in Aarau. Rund 450 Frauen und Männer haben am Tag der Frau für die Gleichstellung und den Erhalt der Fachstelle für Gleichstellung demonstriert. Vom Bahnhof zog eine bunte, friedliche Gruppe durch die Stadt. An vorderster Front: Die Nationalrätinnen Irène Kälin (Grüne) und Yvonne Feri (SP), die später beim Holzmarkt als Rednerinnen auf die Bühne stiegen. Aber auch Elisabeth Burgener, die Co-Präsidentin der SP Aargau, oder Juso-Präsidentin Mia Jenni marschierten hinter dem Banner, das die Rettung der Gleichstellung im Aargau forderte. Die Demonstrierenden waren ausgerüstet mit Trillerpfeifen und bunten Fahnen. «Wir sind laut, weil ihr unsere Rechte klaut!», war weiter hinten auf einem Leintuch zu lesen. «Mitmarschieren, solidarisieren!», skandierten die Demonstrierenden und versuchten, die Schaulustigen am Strassenrand zu animieren.

Von Strassen und Kühen
Auf der Bühne versprach Irène Kälin, sie werde den Grundsatz «gleicher Lohn für gleiche Arbeit» so lange zitieren, bis er umgesetzt sei. «Es ist die traurige Realität, dass es Kühe heute in Bundesbern einfacher haben, auf ihre Kosten zu kommen, als Frauen», sagte sie. Der Aargau gebe sein Geld lieber für Strassen aus als für Frauen. «Die Aargauer Strassen haben eine eigene Kasse. Unsere Frauen nicht einmal mehr eine Fachstelle für Gleichstellung.» Normalerweise werde eine Fachstelle abgeschafft, wenn sie ihren Auftrag erfüllt habe. Davon könne im Aargau keine Rede sein.

Bevor Yvonne Feri die Bühne betrat, spielte die Band Knuth und Tucek das Lied vom «Schweizer Knaben» mit einem passenden (ironischen) Reim zum Anlass der Demonstration: «Ich bin ein Schweizer Knabe und spare mit Plaisir. Fachstellen fusionieren ist ein Hobby von mir. Das gehört feministisch nicht moniert. In Alter und Familie ist die Frau eh integriert.»

Yvonne Feri kritisierte anschliessend in ihrer Rede den Entscheid des Ständerates – beziehungsweise der Herren Ständeräte. Sie wiesen letzte Woche die Vorlage zur Lohngleichheit an die Kommission zurück. Dieses Vorgehen sei eine Ohrfeige für alle Frauen und zeige, dass noch einiges im Argen liege. «Wir wollen, dass Frauen und Männer respektvoll miteinander umgehen und sich Wertschätzung entgegenbringen», sagte Feri. Leider sei das heute nicht so. «Und genau deshalb brauchen wir eine Fachperson und Fachstelle.» Die Demonstrierenden vor der Bühne schwenkten ihre Fahnen, klatschten und machten noch einmal Lärm für etwas, das in der Schweiz und im Aargau eigentlich seit Jahren selbstverständlich sein sollte.