Trompeten, Trommeln , Poetry Punk und Indie: das Programm des Jazz Festivals Willisau

Trompeter der neuen Generation
Seit dem ersten Jazz Festival Willisau 1975, gilt es im Luzerner Hinterland auch neue Musik zu entdecken. Auch dieses Jahr lädt das Festival zu Neuentdeckungen ein. Dazu gehört speziell eine neue Generation von Trompetern und Trompeterinnen wie die Amerikanerin Jaimie Branch. Sie ist deutlich vom offenen Geist der Chicago Szene geprägt, wo sie die ersten 30 Jahre als Musikerin, Veranstalterin und Toningenieurin heftig mitgemischt hat. Inzwischen lebt sie in New York, hat eigene Bands und ist gefragte Side-Woman. Zehn Jahre hat sie mit allen möglichen Bands zwischen Jazz, Indie Rock, Post Rock und Metal gespielt, dann veröffentlichte sie letztes Jahr mit „Fly or Die“ ein umwerfendes Debutalbum. Es ist diese Art von leichtfüssiger, geheimnisvoller und zeitlos erfrischender Musik, die sich einer stilistischen Einordnung ganz und gar entzieht. Jazz, Ambient, Free Music, Pop, egal.

Neben der Amerikanerin Jaimie Branch (34) ist der Zürcher Silvan Schmid (31) eine weitere interessante Trompetenstimme der jungen Generation am Festival. Sein lyrischer Sound entfaltet sich mit präziser Kraft, gleichzeitig ist er eine markante Stimme in freien Gefilden. Sein Quintet, in dem auch der vielversprechende Saxophonist Tapiwa Svosve mitwirkt, setzt auf eigenwillige Klangfarben und kompositorische Ecken und Kanten, die mit Improvisation gekittet werden. Neben seinen eigenen Projekten ist Silvan Schmid Mitglied von Blöchlinger Revisited oder von Wood & Brass, der neuen Formation des Trompeters Hans Kennel. Diese ist in der Konzertreihe Intimities am Festival zu hören. Der dritte aussergewöhnliche neue Trompeter am diesjährigen Jazz Festival Willisau ist der New Yorker Nate Wooley. Mit „Battle Pieces“ hat er ein Konzept entwickelt, das der landläufigen Improvisation neue Türen öffnet. Jedes Stück ist für einen Solisten entwickelt, der frei improvisiert, während die andern Musiker spontan auf ein Vokabular von inzwischen über 100 geschriebenen Sequenzen zurückgreifen. Mit den beiden Musikerinnen Ingrid Laubrock und Sylvie Courvoisier sowie dem vibraphonistischen Klangzauberer Matt Maron hat Wooley nicht zufällig Künstler an Bord, die dem anspruchsvollen Konzept gewachsen sind. Und jederzeit selber über sich hinauswachsen können.

Schweizer Schlagzeuggrösse und eine schweizer Grossformation
Fredy Studer spielt dieses Jahr seinen 27. Auftritt in Willisau! Dieses mal Solo! Studer alleine am Schlagzeug ist ein Ereignis. Da ist einer, der sich mit der Materie von Groove und Geräusch sehr genau auseinandergesetzt hat. Der Luzerner ist einer der ganz grossen Schweizer Schlagzeuger, die sich international einen Namen gemacht haben. Sein Schaffen ist auf über hundert Tonträgern dokumentiert. Nun kommt ein brandneuer dazu, der am Jazz Festival Willisau seine Live-Premiere haben wird!

Nicht alleine sondern mit seinem Grossensemble Fischermanns Orchestra, steht der Schlagzeuger Thomas Reist auf der Bühne der Festhalle Willisau. Am Jazz Festival Willisau 2007 standen die ersten Fischermann-Musiker mit der New Yorker Street Jazz Band The Himalayas auf der Bühne und sorgten für ein Spektakel. Das war die Geburtsstunde des Fischermanns Orchestra, das zum 10-JahrJubiläum an den Tatort zurückkehrt. In seiner aktuellen Besetzung ist das Fischermanns Orchestra in Top-Form. Die Fischermänner sind gross und stark geworden, aber nicht brav und bieder. Davon zeugt ihr aktuelles Album „Tiefenrausch“, auf dem sich farbige Munterfische, schräge Soundfische und groovende Killerfische nebeneinander im Pool tummeln.

Ein Schweizer Saxophon eröffnet, ein amerikanisches beendet das Festival 2018
Nach einem Atelier-Aufenthalt in Chicago hat der Luzerner Saxophonist Christoph Erb in der dortigen Impro-Szene eine inspirierende Basis gefunden. Wiederholt ist er für Aufnahmen und Tourneen zurückgekehrt, hat Projekte initiiert und auf seinem Label Veto Records über ein Dutzend ChicagoCDs veröffentlicht. Zusammen mit Jim Baker und Frank Rosaly (der auch am Festivalfreitag mit The Young Mothers auf der Bühne stehen wird) eröffnet Christoph Erb am Mittwoch 29. August die Festival Ausgabe 2018.

Beendet wird das Festival am Sonntagnachmittag dann mit einer grossen amerikansichen Saxophonstimme. Oliver Lake hat in Willisau schon mehrfach Spuren hinterlassen. Unvergessen bleibt das World Saxophone Quartet, das er mitbegründet hat. Aus seinen Anfängen mit R&B, Soul und Funk hat sich Lake mit seinem scharfen Saxophonsound tief in den zeitgenössischen Jazz geblasen. Nun beschliesst er mit seinem Organ Quartet das Festival.

Poetry Punk und Indie im Late Spot
Im Late Spot, dem Willisauer Festival Club setzt das Programm von Festivalleiter Arno Troxler auf konzertante Bands die die Grenzen von Stilrichtungen und Genres brechen. Eine Band, die ihre Songs mit neuen Musikern oder in anderen Kontexten ständig weiterverwandelt ist Hanreti, rund um den Luzerner Multiinstrumentalist, Sänger und Produzent Timo Keller. Mit ihren melodiösen Songs, ihren satt verdichteten Einflüssen (Folk, Funk, Soul, Rock, Hip Hop) und ihrer Spielkompetenz katapultierten sie sich schnell an die Spitze der interessantesten Schweizer Indie-Bands. Den Festivalsamstag abschliessen wird eine Westschweizer Entdeckung: Emilie Zoé braucht nicht viel mehr als eine Gitarre und ihre Stimme, um mit ihren Songs ein Publikum auf sich aufmerksam zu machen. Das aufgeraute Timbre ihrer Stimme deckt ein breites Spektrum von Emotionen ab und mit ihrem „Poetry Punk“ rüttelt die Neuenburgerin Körper und Seele auf.

Naturtöne, ein kraftvolles Solo und ein kurliges Trio im Rathaus
Die Intimities Konzertreihe in der Rathausbühne ist jedes Jahr der Ort für die intimieren Töne am Festival in Willisau. Mit Stoffner/Lovens/Mahall eröffnet die Reihe am Festivalfreitag ein kurliges Trio das trotz frei tanzenden Interaktionen ein sicheres Gespür für Form und Tiefenschärfe hat. Die drei Improvisatoren erschaffen einen wundersam-kleinteiligen Sound voller Frickeleien, Klangzauber und expressiven Bläserlinien. Das Solo des Westschweizer Gitarristen Vinz Vonlanthen wird indessen ein kraftvoll, poetisches Set mit kompaktem Power und filigran verträumten Stimmungen. Vinz Vonlanthen tüftelt sein Instrument bis in die Extreme aus und modelliert seine Klangtexturen und solistischen Ausbrüche mit viel Sensibilität. Abgeschlossen wir die Intimities-Reihe mit Wood & Brass vom Jazztrompeter Hans Kennel. Mit Gruppen wie Alpine Jazz Experience oder Mytha hat Kennel vor 30 Jahren seine persönliche Beziehung zur Volksmusik ausgelotet und sie pionierhaft erweitert – lange bevor es die „Neue Volksmusik“ gab. „Wood & Brass“ arbeitet mit untemperierten Stimmungen und den herb-schönen Zusammenklängen der Naturtöne.