Überteuerte «Copy-and-paste»-Gutachten? GLP-Grossrat kritisiert Kesb-Experten

Wenn es um Sorgerechtsfragen, elterliche Obhut, Heimeinweisungen, Fremdplatzierungen und andere Massnahmen geht, geben die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) regelmässig Gutachten in Auftrag. Formal gelten solche Einschätzungen von Experten lediglich als Empfehlungen, in der Praxis komme ihnen aber «zwangsläufig eine hohe Bedeutung zu», schreibt GLP-Grossrat Sander Mallien in einer Interpellation, die er kürzlich eingereicht hat. Behörden und Gerichte folgten den Einschätzungen und Empfehlungen der Fachleute häufig, hält Mallien fest. «Für betroffene Personen können Gutachten somit gravierende Konsequenzen haben», betont er.

Eine konkrete Regelung, wer solche Gutachten erstellen darf und welchen formalen und qualitativen Ansprüchen sie genügen müssen, gibt es laut Mallien aber weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene. Gerade im Kindes- und Erwachsenenschutz wäre für den GLP-Grossrat «im Sinn einer breiten Abstützung ein Vieraugenprinzip bei der Verfassung von Gutachten bzw. beim Aussprechen von Empfehlungen prüfenswert». Er will wissen, ob die Regierung Handlungsbedarf für eine kantonale Regelung der formalen und qualitativen Anforderungen von Gutachten sieht. Und er fragt weiter, wo der Regierungsrat den richtigen Ansatzpunkt für eine solche Regelung sieht.

Kritik an Gutachter Daniel G.

Mallien hat seinen Vorstoss nach Hinweisen auf einen umstrittenen Gutachter eingereicht, die er erhalten hat. Er habe Informationen erhalten, dass sich dieser Experte angebliche «Copy-and-paste»-Gutachten zu übersetzten Preisen erstelle, die von Gerichten ungeprüft übernommen würden. «Die Rechnungsstellung des Gutachters scheint nicht über alle Zweifel erhaben und die Überprüfung dieser Rechnungen durch die Gerichte mangelhaft», hält er fest. Es handelt sich um Daniel G., den Leiter des Instituts für Forensik und Rechtspsychologie in Bern, wie aus dem Vorstoss hervorgeht. Zuletzt berichteten «Basler Zeitung» und «Tages-Anzeiger» über Fälle, in denen G. als Gutachter tätig war. Demnach hat die Kesb Basel-Stadt auf seine Empfehlung hin die Fremdplatzierung eines Kindes verfügt – das Appellationsgericht hob den Entscheid auf. Zudem sind bei der Berufsethikkommission der Föderation der Schweizer Psychologen mehrere Beschwerden gegen G. hängig. Dabei geht es laut dem «Tages-Anzeiger» um schlampige Fallführung, mangelnde Kommunikation, Ausfälligkeiten gegenüber Klienten sowie verzerrte und falsche Angaben von Sachverhalten. Wiederholt falle demnach auch der Vorwurf der falschen Rechnungsstellung.

Sander Mallien hat Hinweise darauf, dass der umstrittene Gutachter auch im Auftrag des Bezirksgerichts Baden und anderer Gerichte im Aargau tätig war. Vor diesem Hintergrund will er vom Regierungsrat wissen, wie viele Gutachten Daniel G. für Bezirksgerichte im Kanton in den vergangenen fünf Jahren erstellt hat. Weiter fragt Mallien, wie und von wem die Qualität dieser Gutachten überprüft werde. Und er verlangt Auskunft, bei wie vielen Gutachten die Honorarnoten wegen ungerechtfertigter Kosten reduziert werden mussten. Schliesslich fragt Mallien, ob Rückvergütungsansprüche korrekt verbucht bzw. eingefordert worden seien.