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Nach 36 Jahren tritt Heinz Lüscher als Gemeinderat ab: «Bei diesen spannenden Themen müsste ich noch nicht aufhören»

Wenn es etwas gibt, das Heinz Lüscher von anderen Gemeinderäten abhebt, ist es wohl seine Lockerheit. Man sieht ihn kaum mal verkrampft oder besorgt, stets scheint er guter Dinge. Auch wenn mal eine Vorlage an der Gemeindeversammlung scheitert. «Ich sehe alles schnell wieder positiv», bestätigt er. Eine Rückweisung sei immer auch eine zweite Chance.

Mit Kritik, sofern sie nicht mit persönlichen Angriffen einhergehe, könne er gut leben. Und auch mit anderen Meinungen: Jahrelang sassen im Gemeinderat nebst Heinz Lüscher als einzigen Vertreter der SP je zwei Mitglieder von SVP und FDP. Ein Problem sei dies nie gewesen, sagt er.

Mit seiner optimistischen Einstellung dürfte Heinz Lüscher als vereinende Instanz in der Gemeindeverwaltung gedient haben. Darauf wird Unterentfelden ab Januar nun nicht mehr zählen können: Nach 36 Jahren im Gemeinderat, 16 davon als Ammann, ist für ihn Ende Jahr Schluss. Sein Vorgänger Paul Haas (SVP) war zwar länger Ammann – 23 Jahre –, sass aber elf Jahre weniger lang im Gemeinderat.

Ammann Heinz Lüscher ist seit 1986 Mitglied des Gemeinderats.

Knapp mehr als sein halbes Leben verbrachte der heute 66-Jährige in der Gemeindeexekutive. Auch wenn er, damals 30, seine allererste Gemeinderatssitzung – dies eine wiederkehrende Anekdote – verpasste, weil er sie vergessen hatte. Dieses Unterentfelden, das ihn 1985 erstmals in den Rat wählte, gibt es heute nicht mehr. Im Dorf lebten rund 1000 Personen weniger als heute, Tendenz damals rückläufig. «Es war ein typisches Einfamilienhausdorf», erinnert sich Heinz Lüscher. «Andere Wohnformen gab es praktisch nicht.»

Heute sei Unterentfelden «eine typische Agglomerationsgemeinde», in der sich die Bevölkerung dafür einsetzt, dass es nicht zu einem reinen Schlafdorf verkommt. Zuletzt engagierten sich einige für die Erhaltung des Restaurants Post, die letzte übrig gebliebene Dorfbeiz. In der kürzlich durchgeführten Zukunftskonferenz ging es auch um die Neugestaltung des Dorfzentrums und Hauptstrassenbereichs. «Ich denke, da wird etwas gehen. Aber es braucht einen langen Atem.»

Eine weitere wesentliche Veränderung war laut Heinz Lüscher die Gründung der mit Oberentfelden gemeinsam geführten Kreisschule. Wobei gerade dieser Bereich in den letzten Jahren harzte: Nach dem Volksnein zur Schulhauserweiterung Erlenweg 2 vor sieben Jahren musste ein Provisorium nach dem anderen gebaut werden. Diesen Sonntag jetzt stimmen beide Entfelden über ein neues Projekt ab: die Doppelaufstockung des blauen Oberstufenschulhauses. «Dieses Projekt ist viel besser vorbereitet», sagt Heinz Lüscher. «Dass die Abstimmung damals verloren ging, war vielleicht gar nicht so schlecht.»

Sieg bei der Raumplanung, Niederlage beim Zukunftsraum

Rückblickend seien seine grössten Erfolge die beiden Revisionen der Bau- und Nutzungsordnung gewesen, sagt Heinz Lüscher, der im Gemeinderat für den Bereich Raumplanung zuständig ist. «Das Baugebiet in Unterentfelden ist noch gleich gross wie damals, als ich im Gemeinderat angefangen habe.» Innere Verdichtung wurde erreicht, Grünflächen blieben erhalten.

Zu den Misserfolgen gehört das gescheiterte Fusionsprojekt Zukunftsraum Aarau, bei dem er Mitglied der Steuerungsgruppe war. Doch auch hier sieht Heinz Lüscher Positives: Unabhängig vom Wahlresultat hätten die Diskussionen um den Zukunftsraum «vieles in Bewegung gesetzt». Die Erkenntnis, dass viele Themen nicht an der Gemeindegrenze aufhören und gemeinsame Lösungen erreicht werden müssen, sei unterstrichen und gefestigt worden. Dazu hätten neue Personen Interesse für Gemeindethemen entwickelt. Anders als etwa in Suhr, wo die Gemeine tief gespalten aus der Zukunftsraumdiskussion herauskam, sei Unterentfelden heute vereinter als zuvor, sagt er.

Ein guter Zeitpunkt zum Aufhören?

Im September führte die Gemeinde die erste Zukunftskonferenz seit 2008. Die Schulstrukturen werden ab Januar anders, die Hauptstrasse dereinst umgebaut, das Fusionsthema steht noch im Raum. Für Heinz Lüscher ein guter Moment zum Aufhören? «Wenn ich die spannenden Themen anschaue und wie die Demokratie in der Gemeinde derzeit lebt, müsste ich nicht aufhören», sagt er. «Doch es ist schon der richtige Zeitpunkt.»

Er freut sich etwa, dass nun neue, jüngere Kräfte sich engagieren. Dass gleich drei neue Gemeinderäte gewählt wurden, stelle zwar aktuell eine höhere Herausforderung an die Übergabe und Einarbeitung in die Ressorts. Doch alle Gewählten seien gut. «Ich hatte nie den Eindruck, dass es ohne mich nicht geht», sagt er.

«Für mich stand immer die Gemeinde im Vordergrund, nicht der Ammann. Ich war sehr gerne Gemeinderat, für mich geht nun ein wichtiger Abschnitt vorüber.»

Vor vier Jahren hatte sich Heinz Lüscher bereits von seiner Arbeit als Abteilungsleiter bei Rockwell Automation pensionieren lassen. Dort arbeitete er seit seiner Mechanikerlehre bei der Vorgängerfirma Sprecher+Schuh, war Mitarbeitervertreter, kam über das gewerkschaftliche in die Politik. Sein Vater trat einst als SP-Kandidat für den Gemeinderat an, wurde aber nicht gewählt. Von ihm übernahm Heinz Lüscher später auch die Bio-Schafzucht, die er bis 2018 führte.

«Mich hat interessiert, was in der Gemeinde läuft und wie man lokal Dinge bewegen kann, auch zusammen mit anderen Menschen», sagt er. Als Gemeinderat könne man direkt Einfluss nehmen. «Ich wurde mehrmals angefragt für den Grossen Rat, aber Parlamentarier wäre ich nicht gerne gewesen. Die Exekutive liegt mir näher.»

Für Heinz Lüscher (SP) beginnt 2022 ein neuer Lebensabschnitt.

Wie geht es bei ihm weiter? «Grosse Pläne habe ich nicht. Dass meine Zeit weniger fremdbestimmt sein wird, werde ich sicher geniessen.» Heinz Lüscher, der den Unterentfelder Gemeinderat über ein Dritteljahrhundert lang prägte, wird man künftig gemeinsam mit seiner Ehefrau öfters auf den Campingplätzen Europas antreffen. Dazu will der zweifache Vater auch mehr Zeit mit seinen beiden Enkelkindern geniessen können.