Vergewaltigung am Turnfest: Warum die Polizei erst jetzt öffentlich nach dem Täter fahndet

Einer 23-jährigen Frau wird das Eidgenössische Turnfest in Aarau in schlimmer Erinnerung bleiben: Sie wurde am 21. Juni, in der Nacht auf Samstag des zweiten Turnfest-Wochenende von einem rund 25 Jahre alten Mann vergewaltigt. Die Polizei sucht mit einem Phantombild nach dem unbekannten Täter. Bisher sind gemäss Bernhard Graser, Mediensprecher der Aargauer Kantonspolizei, keine Hinweise eingegangen (Stand Donnerstag, 15 Uhr).

Seit der Vergewaltigung ist fast ein Monat vergangen. «Das Problem ist, dass sich nach knapp vier Wochen keiner mehr an ein Gesicht in einer Menschenmasse erinnern kann», schreibt ein User auf der AZ-Facebookseite. Graser erklärt, warum die Behörden warteten: «Sofort an die Öffentlichkeit zu gehen, kann Verunsicherung auslösen.» Man habe sich zurückgehalten, um ohne Medienrummel akribisch zu ermitteln. Weil die Untersuchung nicht zum Erfolg führte, ging man an die Öffentlichkeit.

Am Infostand der Polizei gemeldet

Die missbrauchte Frau erstattete am Tag nach der Vergewaltigung Anzeige. Sie meldete die Tat am Infostand der Polizei am Turnfest. Weitere Details zu den Ermittlungen nennt die Kantonspolizei nicht.

Opfer von Vergewaltigungen können nicht beeinflussen, ob die Ermittler öffentlich nach dem Täter suchen. Das entscheidet die Staatsanwaltschaft, die die Strafuntersuchung führt, zusammen mit der Polizei. «Es handelt sich um ein Offizialdelikt. Wir entscheiden, wie vorgegangen wird, um den Täter zu finden», sagt Graser.

Meist waren Besucher das Problem

Die Vergewaltigung war am Turnfest laut Kantonspolizei das einzige Vergehen dieses Schweregrads. Es sei vereinzelt zu Belästigungen gekommen, wie sie auch an anderen Grossanlässen verübt würden. Nach dem Turnfest zogen die Sicherheitskräfte ein positives Fazit. Mediensprecher Max Suter sagte:

«Primär ging es um Streitereien, Schlägereien und Diebstähle. Intervenieren musste die Polizei auch bei sexuellen Belästigungen. Der Grossteil aller Betroffenen war stark alkoholisiert. Bei den Fehlbaren handelte es sich mehrheitlich um Besucher des Festes und nicht um Teilnehmer. Mehrere Personen wurden vom Fest weggewiesen oder vorübergehend in polizeilichen Gewahrsam genommen.»

Akne-Narben im Gesicht, Zürcher Dialekt

Die missbrauchte Frau war mit Freunden auf dem Gelände des eidgenössischen Turnfests im Aarauer Schachen unterwegs, als sie eines der Festzelte verliess, um die Toiletten aufzusuchen. Beim Warten auf eine freie Kabine wurde sie von einem jungen Mann angesprochen. Er stellte sich als Mario vor und zeigte sich hilfsbereit. Das spätere Opfer ging an Krücken und Mario bot ihr an, diese zu halten, solange sie sich in der Toilette befand.

Als sie wieder zurückkam, liefen die beiden ein Stück zusammen. Doch plötzlich zerrte der Mann die Frau beiseite. An einer dunklen Stelle abseits des Festgetümmels verging sich der Unbekannte an der jungen Frau. Als die Frau sich wehrte, liess der Täter von ihr ab und flüchtete.

Beim mutmasslichen Vergewaltiger handelt sich um einen etwa 25 Jahre alten Mann. Er ist etwa 185 cm gross und von sportlicher Statur. Er hat dunkle, gekrauste Haare und trug zur Tatzeit einen Dreitagebart. Sein braungebranntes Gesicht weist Akne-Narben auf. Er trug ein graues T-Shirt mit einem Markenlogo auf der linken Brust und Jeans. Er hatte einen der Strohhüte aufgesetzt, wie er von einem Sponsor des Turnfestes verteilt worden war. Der Mann, laut Aussagen des Opfers ein Schweizer, sprach Zürcher Dialekt. Er hatte einen gelben Regenschirm dabei. 

Gestützt auf die Beschreibung des Opfers hat die Kantonspolizei Aargaue in Phantombild erstellt, mit dem der Täter nun gesucht wird. Die Kriminalpolizei (Telefon 062 835 80 26) sucht Personen, welche den abgebildeten Mann erkennen.