Während 17 Jahren Zugangsverbot: Um diese Aargauer Höhle ranken sich Sagen

Die Bruderhöhle Effingen (Bild: Claudio Thoma)
Die Bruderhöhle Effingen (Bild: Claudio Thoma)
(Bild: Claudio Thoma)
(Bild: Claudio Thoma)
(Bild: Claudio Thoma)
(Bild: Claudio Thoma)

Wer die Bruderhöhle an der Hangflanke der Wideregg ob Effingen aufsucht, taucht in eine andere Welt ein und darf der Fantasie freien Lauf lassen. Besonders die Kinder stellen sich gerne vor, wie die kleinen Zwerge, über die es viele Sagen gibt, hier im Wald gelebt haben könnten.

Bei diesem mystischen Ort handelt es sich um eine typische Karsthöhle, die sich im Kalkgestein gebildet hat, das vor über 140 Millionen Jahren im Jura-Meer abgelagert wurde. Die Bruderhöhle ist aber wesentlich jünger und «nur» einige hunderttausend bis wenige Millionen Jahre alt. Das genaue Alter ist nicht bekannt. Sie könnte laut Jurapark-Infotafel Teil eines grösseren Höhlensystems gewesen sein, das aber durch Erosion (z. B. die Absenkung des Sagemülitals) bis auf wenige Reste zerstört wurde.

Während 17 Jahren Zugangsverbot
Wegen Einsturzgefahr musste der Gemeinderat das Betreten der Höhle ab dem Jahr 2000 verbieten. Letztes Jahr wurde sie auf Initiative des Ortsbürgers Werner Schaffner in Zusammenarbeit mit der Natur- und Umweltkommission der Gemeinde Effingen wieder zugänglich gemacht. Im Juli 2017 konnte das sorgfältig sanierte Ausflugsziel mit Picknick-Platz dann der Öffentlichkeit übergeben werden.

Die nötigen Nahrungsmittel holten sich die Erdmännchen im Wald und auf den Feldern. Weil die Höhlenbewohner klein waren, assen sie nicht viel, sodass die Landwirte davon kaum Kenntnis nahmen. Die Zwerge waren sowieso nur nachts unterwegs. Aus Dankbarkeit halfen sie den Landwirten heimlich beim Holzsammeln oder in den Reben. Viele Jahre zogen so ins Land und alle waren zufrieden.

Ein Beizen-Besuch mit Folgen
Eines Abends beschlossen ein paar Effinger nach dem Besuch im Restaurant Glocke, dass sie sich am nächsten Abend aufmachen wollen, um die Erdmännchen und -weibchen zu finden. Es war stockfinster, als sich die jungen Effinger übers Schwerzbrünneli der Höhle näherten. Jeder versteckte sich hinter einem Baum, doch es passierte einfach nichts.

Plötzlich kam eine Gruppe Zwerge, alle mit einer Hacke auf der Schulter, den Wald runter. Die Burschen erschraken. Ihr Atem stockte. Unverhofft musste einer von ihnen husten. Im Nu rannten die Zwerge, ohne anzuhalten, in die Höhle zurück, packten ihre sieben Sachen zusammen und zogen Richtung Ibergwaag. Das ist dort, wo heute der Bözberg-Eisenbahntunnel beginnt. Unweit des Wasserfalls lebten die Erdmännchen fortan. Den Landwirten halfen sie seither nicht mehr, was die Effinger sehr ärgerte, weil die Zwerge weiterhin auf den Feldern Esswaren einsammelten. Das undankbare Pack sollte deshalb vertrieben werden, sagten sich die Burschen. Mit Heugabeln und Schlagstöcken ausgestattet zogen die Effinger zur Ibergwaag.

Gegen die starken Landwirte konnten die armen Erdmännchen nichts ausrichten. Es gab ein Geschrei. Und die Kleinen rannten Richtung Linner- und Homberg davon. Seither hat man nie mehr etwas gehört von den Erdmännchen und -weibchen. Mit dem Bau des Bözbergtunnels wurden ihre letzten Schlupflöcher zerstört. Nur noch an Weihnachten, wenn Nebelschwaden über den Iberg ziehen und der Mond scheint, macht sich der Geist der letzten Erdmännchen, die zurückkamen, für kurze Zeit bemerkbar.

Jurapark Aargau organisiert Touren
Nachdem die Erdmännchen und -weibchen ganz verschwunden waren, soll ein Einsiedler in der Höhle mit den zwei Eingängen an der Hangflanke gelebt haben. Deshalb heisst der Ort nun Bruderhöhle oder Bruderhäuschen. Das Ausflugsziel kann das ganze Jahr besucht werden. Eine steile Treppe führt zum Höhleneingang.

Zudem können Interessierte auf der Geschäftsstelle des Juraparks Aargau folgende Tour buchen: Start bei der Linner Linde (Geschichte von Linn und der Linde, Sagen, Botanik), dann ins Sagemülitäli (Natur und Landschaft, evtl. Orchideen, Wasserfall, alte Mühle, Bunkeranlage). Und von hier aus auf die Wideregg und zur Bruderhöhle (Geologie, Sage). Zum Abschluss führt die Tour hinunter nach Effingen. Landschaftsführer und Sagenerzähler Urs Frei weiss dabei Jung und Alt für diese lokalen Schätze zu begeistern.