Warum Schafe die besseren Rasenmäher sind

 

Tiervermietung für das Abweiden von Wiesen – die Geschäftsidee eines einer Vordemwaldners hat Erfolg und stösst auch im Ausland auf Interesse.

Plötzlich waren die Schafe berühmt. Weltberühmt. Vom britischen Nachrichtensender BBC über die zweitgrösste Zeitung Amerikas, USA Today, bis hin zur russischen Fernsehstation RT, berichteten alle über die ungewöhnlichen Mitarbeiter der Schweizerischen Bundesbahnen. Entlang der Gleise sorgte die Herde um Schaf Bruna für gepflegte Wiesen und entzückte ein grosses Publikum. Willkommene Werbeträger für die SBB. Dabei handelte es sich gar nicht um ihre eigenen, sondern um ausgeliehene Tiere – vermietet durch die Firma Naturpflege.

Zwei Jahre nach dem kurzen Medienwirbel steht Christian Fluri, Aargauer und einer von zwei Geschäftsinhabern, unter der Autobahnbrücke in Othmarsingen und zeigt, wo die Schafe in den letzten Tagen im Einsatz standen. Er deutet auf Stellen im steilen Hang bis hoch zum Bahntrassee, auf dem regelmässig Züge vorbeidonnern. Einer der Vorteile der Engadiner- und SpiegelSchafe: Sie fühlen sich auch in Geländen wohl, die für den Menschen zu abschüssig sind. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Bubendorf setzt auf seltene Rassen, die früher verbreitet waren, inzwischen aber fast verschwunden sind, weil sie weder besonders viel Milch noch Fleisch geben. Fluri beschreibt die Schafe als genügsam, robust, gesund – ideale Eigenschaften für das Geschäftsmodell von Naturpflege.

Ohne Lärm, ohne Abgase
Die Firma vermietet SBB, Gemeinden oder wie in Othmarsingen dem Bundesamt für Strassen Schafe und Ziegen, die dafür sorgen, dass die Wiese gemäht, das Unkraut gefressen wird. Ohne Lärm, ohne Abgase, dafür mit Rücksicht auf Insekten und brütende Vögel, die den Mähmaschinen leicht zum Opfer fielen. Ausserdem erleichtern sie die Sisyphusarbeit im Kampf gegen Neophyten. Die nicht einheimischen Pflanzen, die sich rasant vermehren, würden weniger schnell nachwachsen, wenn sie von Tieren abgegrast statt durch Mensch oder Maschine zurückgeschnitten würden, sagt Fluri. Abgerechnet wird nach abgegrasten Quadratmetern.

Dazu kommt das, was der Landschaftsarchitekt aus Vordemwald den «Jö-Effekt» nennt. Die Schafe und Ziegen kommen bei den Leuten gut an; die Nachfrage von Schulhäusern und Altersheimen steigt. Das Interesse und Verständnis für die seltenen Rassen in der Bevölkerung zu vergrössern, ist Teil der Geschäftsidee. Aus diesem Grund verzichten Fluri und seine Geschäftspartner auf Wachhunde. «Wer sich für die Tiere interessiert, soll sie aus der Nähe anschauen können, ohne dabei gleich angeknurrt zu werden.» Ein Entscheid, der seinen Preis hat: Mehrere Schafe wurden schon gestohlen.

Eine Spaziergängerin läuft mit ihrem Schäferhund vorbei, der sich neugierig dem Gehege nähert, die 17 Schafe grasen unbeeindruckt weiter. Geschützt sind sie durch einen Elektrozaun; eine kleine Photovoltaikanlage auf einem der beiden mit Lastwagenblachen bedeckten Unterstände sorgt für den Strom.

Auch wenn die Firma keine Schäfer beschäftigt, ist der Aufwand zur Betreuung der Herden gross. Zwei Mitarbeiter kümmern sich um das Wohl der Tiere und passen auf, dass sie die Wiese nicht bis auf die Wurzeln abfressen. Alle ein bis zwei Wochen werden die Schafe auf eine andere Fläche geführt. Fluri zieht sein Smartphone aus der Tasche seiner Arbeitshose und zeigt den Einsatzplan, auf dem bis in den Spätherbst farbig eingezeichnet ist, welche Tiere wann wo im Einsatz stehen. Die Nachfrage ist da, die Warteliste wird länger. Die Herde, die seit der Gründung des Unternehmens vor sieben Jahren auf 200 Tiere vergrössert werden konnte, soll weiterwachsen. Fluri könnte sich vorstellen, künftig auch Wollschweine, Gänse und Enten als Landschaftspfleger einzusetzen.

Das lukrative Angebot aus Wien
Doch der Erfolg des nach eigenen Angaben schweizweit immer noch einzigartigen Angebots stellt Christian Fluri und seinen Geschäftspartner Michael Dieterle vor ein Dilemma: Wachsen über die Nordwestschweiz hinaus wäre möglich, doch zum Schutz der Tiere und der Umwelt wollen sie die Wege zu den Einsatzorten möglichst kurz halten.

Eine Haltung, die bislang auch eine Expansion über die Landesgrenze hinaus verhindert hat. Die Stadt Wien wollte Fluri und seine Schafe für die Pflege der Grünflächen in Parks, Schlossanlagen und Friedhöfen engagieren – ein prestigeträchtiger und lukrativer Auftrag. Trotzdem entschied sich die kleine Firma gegen den Aufbau eines Ablegers in Österreich. «Aus Respekt vor der geografischen Distanz und dem Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit», wie Fluri sagt. «Für uns Geschäftsführer wäre dies mit häufigen Flügen verbunden gewesen, das passt nicht zum Unternehmen.»