
Wenn der Nachbar das Doppelte bezahlt
Seit über zehn Jahren verfolgt der Preisüberwacher die Gebühren für die Wasserversorgung und die Entsorgung von Abwasser und Abfall. Dabei werden alle Gemeinden erfasst, die mehr als 5000 Einwohner haben. Im Aargau liegen die Daten von 32 Gemeinden vor – vier sind noch nicht erfasst, weil sie erst vor kurzem die 5000-EinwohnerSchwelle überschritten und dem Preis- überwacher die Tarife noch nicht mitgeteilt haben. Die Statistik zeigt, dass erhebliche Unterschiede zwischen den Gemeinden bestehen. Die Daten sind zwar nicht ohne weiteres direkt miteinander zu vergleichen: Die Gemeinden haben unterschiedliche Systeme und Ausgangslagen. Zudem weist der Preisüberwacher darauf hin, dass die Gemeinden verpflichtet sind, Tarifänderungen zu melden. Trotzdem sei es möglich, dass vereinzelte Angaben veraltet sind, weil dies vergessen ging.
Haushaltsgrösse entscheidend
Die von Preisüberwacher Stefan Meierhans gewählte Methode geht von verschiedenen Musterhaushalten aus. Für eine Familie wird in der Statistik mit vier Personen gerechnet, die in einem Einfamilienhaus mit 6 Zimmern wohnt. Sie hat 150 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, benötigt für 904 Kilogramm Kehricht 162 kleine (35 Liter) und 12 grosse (60 Liter) Abfallsäcke. Die Familie verbraucht 230000 Liter Wasser pro Jahr.
Von den erfassten Aargauer Gemeinden ist in diesem Fall Spreitenbach die günstigste: 257 Franken für Abfall, 202 Franken für Wasser und 253 Franken für das Abwasser, macht unter dem Strich 712 Franken (siehe Grafik). Lebt unsere Musterfamilie in Reinach, bezahlt sie für die Abfallentsorgung 463 Franken, für das Wasser 428 Franken und für das Abwasser 782 Franken – zusammen also 1673 Franken. Auch hier: mehr als doppelt so viel.
Betrachtet man die Gebühren für die vierköpfige Familie separat, zeigen sich auch hier markante Unterschiede. Die Abfallgebühren sind in Küttigen mit gut 233 Franken am niedrigsten, in Lenzburg am höchsten. In Baden sind die Gebühren für das Abwasser am niedrigsten (166 Franken), beim Wasser aber am höchsten (562 Franken).
Fislisbach für Singles günstig
Also beispielsweise ein Single-Haushalt mit zwei Zimmern und 55 m² Wohnfläche. Der Bewohner benötigt jährlich 41 35-Liter-Säcke und drei 60- Liter-Säcke, um 229 Kilogramm Kehricht zu entsorgen, und verbraucht 60000 Liter Wasser. Laut Statistik würde dieser Muster-Bürger in Fislisbach am günstigsten fahren: Hier zahlt er rund 77 Franken für die Abfallentsorgung, knapp 83 Franken für Wasser und 60 Franken für das Abwasser. Insgesamt kommt er also auf Gebühren von 220 Franken. Für den gleichen Verbrauch zahlt er im nur wenige Kilometer entfernten Neuenhof fast 494 Franken – deutlich mehr als das Doppelte.
Gewisse Unterschiede erklärbar
Was sagen die Behörden zu diesen Ergebnissen? «Bei uns kann man alles gratis im Recyclingparadies abgeben, und auch die Grünabfuhr ist gratis. Das finanzieren wir über die Abgaben», sagt Martin Heiz, Gemeindeammann von Reinach. Für eine genauere Beurteilung müsste er die Berechnung studieren. «Ich empfinde die Gebühren nicht als hoch. Und das Angebot in unserer Gemeinde ist sehr gut.» Gemäss dem Preisüberwacher spielt bei den Gebühren der freie Wettbewerb nicht richtig. In einer Erklärung heisst es: «Das Risiko einer missbräuchlichen Preisfestlegung bei Abgaben ist sogar besonders gross, da meist ein potenzieller Wettbewerb durch gesetzliche Vorschriften explizit ausgeschlossen wird».
Bedeuten die Preisunterschiede, dass manche Gemeinden zu viel verlangen? «Nein», sagt Beat Niederhauser, Stellvertreter des Preisüberwachers. «Es gibt Faktoren in den Gemeinden, die eine gewisse Differenz rechtfertigen.» So sei die Aufbereitung von Seewasser zum Beispiel teurer als der Bezug über eine Grundwasserquelle. Auch wenn das Wasser in höhere Lagen gepumpt werden müsse, oder Infrastrukturbauten, die bei einem Leitungsbruch die Versorgung sicherstellen, könnten ins Geld gehen. «Und schliesslich hängt der Preis auch vom Angebot ab – ob die Müllabfuhr ein oder zwei Mal pro Woche kommt, macht einen Unterschied.» Wenn man aber voraussetze, dass der Bürger eine möglichst effiziente und kostengünstige Entsorgung wünsche, dann könne man aufgrund des Vergleichs davon ausgehen, dass in manchen Gemeinden Optimierungspotenzial bestehe, sagt Niederhauser.