Wermuth und die SP wollen der Aargauer SVP im Nationalrat einen Sitz abjagen

Bei den letzten Nationalratswahlen im Herbst 2015 jubelten die Rechtsbürgerlichen. Der zusätzliche Sitz für den Aargau, der seit dieser Legislatur neu 16 Vertreter in der Grossen Kammer im Bundeshaus stellt, ging eher überraschend an die SVP. Asyl-Hardliner Andreas Glarner holte das siebte Mandat für die Volkspartei, während die FDP ihre Delegation auf drei Mitglieder vergrösserte. Neben der langjährigen Nationalrätin Corina Eichenberger zogen damals neu Thierry Burkart und Matthias Jauslin ins Parlament ein.

Auf ihrem einzigen Mandat sitzen blieb die CVP, die mit Ruth Humbel weiterhin nur eine Nationalrätin stellt. Dabei hatten viele Beobachter der Partei vor den Wahlen zugetraut, den 16. Sitz für den Aargau zu erobern. Grüne, GLP und BDP konnten ihren jeweils einzigen Sitz halten. Federn lassen musste 2015 die SP, sie verlor den Sitz von Max Chopard in Bundesbern.

SP und Grüne im Hoch
Betrachtet man die Ergebnisse der letzten Wahlen in den Kantonen, stehen die Chancen der SP gut, den verlorenen Sitz zurückzuholen. Wie eine Aufstellung des Bundesamts für Statistik zeigt (Grafik unten), haben die Sozialdemokraten in den kantonalen Parlamenten seit Ende 2015 um 12 Sitze zugelegt. Noch besser läuft es den Grünen, die insgesamt 17 Mandate dazugewonnen haben.

SP-Nationalrat Cédric Wermuth, der im Juni als Co-Präsident der Aargauer Genossen zurücktritt, freut sich über den Trend. «Zum ersten Mal seit Langem stellen wir fest, dass unsere Gewinne nicht durch Verluste der Grünen neutralisiert werden.» Tatsächlich ging der Zuwachs im linken Lager auf Kosten von CVP (–27), SVP (–10) und BDP (-9), die bei den letzten kantonalen Wahlen beide Sitze verloren.

Wermuth sagt, seine Partei habe die Wahlziele noch nicht festgelegt, dies auch vor dem Hintergrund, dass am 9. Juni ein neues Kantonalpräsidium gewählt wird. Dennoch ist für den 32-Jährigen schon klar: «Wir wollen im Minimum den Sitz zurückgewinnen, den wir 2015 verloren haben.»

Angriff auf siebten SVP-Sitz
Dies dürfe auch im Aargau nicht zulasten des Grünen-Mandats gehen, vielmehr wollen die Sozialdemokraten der SVP den siebten Sitz wieder entreissen. Ob die Chancen für die SP gestiegen sind, weil gleich vier langjährige Nationalräte 2019 nicht mehr auf der SVP-Liste stehen werden (die AZ berichtete), kann Wermuth nur schwer einschätzen. «Es ist denkbar, dass die Neuen weniger Stimmen machen, weil ihnen der Bisherigen-Bonus fehlt», sagt der SP-Nationalrat. Andererseits könnten freie Sitze zu einer Dynamik innerhalb einer Partei führen, was eine zusätzliche Mobilisierung bringe.

Grundsätzlich warnt Wermuth davor, Ergebnisse der kantonalen Wahlen mit Blick auf die Nationalratswahlen zu stark zu gewichten. «Früher traf es zu, dass vieles analog lief, wer bei den Wahlen in den Grossen Rat und die Einwohnerräte im Aargau erfolgreich war, gewann auch in Bundesbern.» Analysen der letzten Wahlen hätten aber gezeigt, dass dieser Zusammenhang nicht mehr so stark sei. «Es wird keineswegs einfach, den dritten Sitz zurückzuholen, von alleine geht es schon gar nicht.»

Personalfragen links noch offen
Wer für die SP ins Rennen um die Nationalratssitze steigt, will die Partei erst im kommenden Jahr festlegen. Anzunehmen ist, dass Wermuth und Yvonne Feri als Bisherige wieder antreten. Feri hat zudem schon ihre Ambitionen für den frei werdenden Ständeratssitz von Pascale Bruderer angemeldet. Ob die Nationalrätin aus Wettingen für das «Stöckli» nominiert wird, entscheidet sich am SP-Parteitag am 26. September. Dahinter könnte der 2015 abgewählte Max Chopard versuchen, in den Nationalrat zurückzukehren. Zudem hat sich Grossrätin Gabriela Suter stark profiliert, die 2015 von Listenplatz 16 aus das sechstbeste Resultat der SP erzielte.

Grünen-Präsident Daniel Hölzle sagt, er sehe gute Chancen für einen Sitzgewinn auf der linken Seite und die Möglichkeit, der SVP ihren siebten Sitz wieder abzujagen. Tendenziell dürften die Chancen für die SP grösser sein als für seine Partei. «Allerdings hängt dies stark von den Personen ab, die auf der Liste stehen. Derzeit führe ich Gespräche mit möglichen Kandidierenden, um konkrete Namen zu nennen, ist es aber noch zu früh», hält Hölzle fest. Nationalrätin Irène Kälin, die diesen Sommer erstmals Mutter wird, dürfte im Herbst 2019 als Bisherige wieder antreten. Offen bleibt derweil, ob allenfalls Jonas Fricker, der im letzten Herbst nach einem Auschwitz-Vergleich zurücktrat und von Kälin ersetzt wurde, erneut für die Grünen als Nationalrat kandidiert.