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Kuster-Kritiker nach dessen Wahl: «Ein so knappes Resultat deutet auf eine grosse Skepsis hin»

Das Wettinger Stimmvolk hat Gemeindeammann Roland Kuster (Die Mitte) am Sonntag im Amt bestätigt. Kuster erhielt im zweiten Wahlgang 60 Prozent der Stimmen. Die restlichen 40 entfielen auf Andrea Bova (parteilos), obwohl sich dieser vor einigen Wochen wegen einer Krebserkrankung zurückgezogen hatte. Die Wahl musste per Gesetz trotzdem durchgeführt werden.

Fünf von sieben Wettinger Parteien hatten sich im Vorfeld für die Wahl von Kuster ausgesprochen. Die GLP war die einzige, die offiziell auf Bova setzte. Bei den Wettinger Einwohnerratswahlen im September gehörten die Grünliberalen zu den grossen Gewinnern, sie verdoppelten ihre Anzahl Sitze auf acht. Für die Partei zeigt der Wahlausgang vor allem eines: «Das Resultat ist ernüchternd für Roland Kuster. So knapp gewählt zu werden deutet auf eine grosse Skepsis in der Bevölkerung hin», sagt Parteipräsident und Einwohnerrat Orun Palit. Die GLP gratuliere Kuster dennoch zur Wahl.

Orun Palit ist GLP-Ortsparteipräsident und sitzt für die Partei im Einwohnerrat.

Seine Partei habe sich nach dem Rückzug von Bova im Wahlkampf bewusst zurückgehalten. «Es ist definitiv einfacher, für einen Kandidaten zu werben, als sich gegen einen Kandidaten zu engagieren», erklärt Palit.

Für die Wettinger Grünliberalen ist die Liste lang, warum Bova dennoch rund 40 Prozent der Stimmen erhalten hat. Palit zählt einige Punkte auf, darunter Bovas kritische Haltung zur Limmattalbahn und zu einer Steuerfusserhöhung. Für Palit könnte es aber auch die «grosse Kostenüberschreitung bei der Tägi-Sanierung» sowie die «Mitte-Dominanz» sein, wie dies bereits vom Wettinger alt Grossrat und alt Einwohnerrat Thomas Bodmer (SVP) vor den Wahlen propagiert wurde. «Es gibt sicher auch Personen, die denken, es ist Zeit, dass der Ammann nicht immer aus der CVP kommt», sagt Palit.

Bodmer hielt auf Facebook in der Zwischenzeit nicht zurück, was er vom Wahlausgang erwartet und schrieb: «Ich hoffe, Kuster nimmt das sehr schlechte Ergebnis zur Kenntnis und berücksichtigt, dass die Mehrheit mit seinen Leistungen nicht zufrieden ist.»

Bova, Bodmer, Palit und Fricker kämpfen in gemeinsamer IG

Dass Palit und Bodmer ähnlich argumentieren, verwundert nicht, sind sie doch beide Teil der «IG Attraktives Wettingen», deren Präsident Andrea Bova immer noch ist. Sie gründeten die IG Anfang 2020 gemeinsam mit SVP-Einwohnerrat Martin Fricker, um die damals vom Gemeinderat geplante Steuerfusserhöhung um 5 auf 100 Prozent zu bekämpfen.

Dieses Bild entstand bei der Gründung der IG Attraktives Wettingen: (V.l.n.r.) Martin Fricker, SVP-Fraktionspräsident, Thomas Bodmer, alt SVP-Gross- und Einwohnerrat, IG-Präsident Andrea Bova. Vorne: GLP-Ortsparteipräsident Orun Palit.

Palit ist überzeugt, dass die IG mit ihren Anliegen bei der Bevölkerung einen Nerv trifft. Das würden ihnen nicht nur Rückmeldungen auf Social Media zeigen: «Wir erhalten auch E-Mails von Menschen, die froh darüber sind, dass wir in der Öffentlichkeit mit den grossen Themen auftreten, bei denen wir denken, dass sie nicht in die richtige Richtung gehen.» Viele würden sich nicht trauen, öffentlich hinzustehen, weil sie zum Beispiel ein Geschäft in Wettingen haben und deshalb Nachteile für sich befürchten.

Ob sie jemanden aus den eigenen Reihen am 13. Februar aufstellen, wenn die Ersatzwahlen für den wieder freien Gemeinderatssitz von Bova stattfinden, entscheidet die GLP am 8. Dezember. Wenn nicht, «dann sehen wir uns weiterhin in der Rolle der konstruktiven Opposition», sagt Palit.

SVP-Ortsparteipräsident ist froh um Kusters Wahl

Jürg Baumann ist Präsident der SVP-Ortspartei und sitzt auch im Einwohnerrat.

Die SVP hatte sich vor dem ersten Wahlgang im Herbst weder für Kuster noch für Bova ausgesprochen, aber verkündet, dass es nach vier Jahren Stillstand Zeit für einen Wechsel sei. Es würden valable Neu-Kandidierende zur Verfügung stehen. Dies auch im Hinblick auf ihren eigenen Kandidaten, der für einen Gemeinderatssitz zur Wahl stand. Vor dem zweiten Wahlgang plante die SVP, erst ein Hearing mit beiden Ammann-Kandidaten durchzuführen, bevor sie sich festlegen wollte. Dazu kam es nicht mehr.

SVP-Ortsparteipräsident Jürg Baumann hält es persönlich für einen Vorteil für Wettingen, dass Kuster nun im Amt bestätigt wurde: «Damit ist nun eine gewisse Kontinuität gewährleistet, er hat sich die letzten vier Jahren sehr für Wettingen engagiert», sagt er. Dass Andrea Bova trotz Verzichts auf so viele Stimmen kam, «widerspiegelt vermutlich die Unzufriedenheit der Bevölkerung über den gesamten Gemeinderat. Dafür musste Roland Kuster büssen», glaubt Baumann.