Wie dieser Aargauer unermüdlich gegen den Hitzesommer kämpft

Das rote Mobility-Auto ruckelt, als die Ampel in Zofingen auf Grün schaltet und Norbert Kräuchi losfahren will. «Entschuldigung, ich fahre sonst einen Automaten», murmelt er, und lässt, diesmal vorsichtiger, erneut die Kupplung los. Wir sind unterwegs zum Torfmoos, das im Wald zwischen Wohlen und Bremgarten liegt. Es ist das erste Zwischenziel der Autofahrt. Norbert Kräuchi ist der Leiter der Abteilung Landschaft und Gewässer beim Kanton Aargau und hat die Route festgelegt, die wir an einem bewölkten Tag im Dezember zurücklegen.

Er will drei Projekte zeigen, die Kanton und Gemeinden in den vergangenen Jahren fertiggestellt haben und die beispielhaft für die Massnahmen sind, welche seiner Meinung nach in Zukunft im Aargau häufiger umgesetzt werden müssten: erst das Tiefenmoos, dann das Rückhaltebecken oberhalb von Hilfikon und schliesslich das offen gelegte Bachbett in Villmergen. Die drei Projekte haben gemeinsam, dass sie Auswirkungen, die der Klimawandel auf den Aargau hat, abmildern sollen. Alle stehen ausserdem in Zusammenhang mit der Ressource Wasser.

Der runde Tisch

Als am 3. Dezember 2018 Vertreter aus verschiedenen Staaten im Rahmen des Klimagipfels in Polen über mögliche Massnahmen diskutierten, um den Klimawandel zu bekämpfen, und zeitgleich das Parlament im Bundeshaus über das neue CO2-Gesetz debattierte, fand auch im Aargau ein Workshop zum Thema Klima statt. Kräuchi hatte Vertreter von Umweltorganisationen wie WWF und Pro Natura, aber auch des Bauernverbands und der Aargauer Gemeinden eingeladen. Zusammen mit dem Kanton berieten sie darüber, wie der Aargau sich auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten könnte.

Im Zentrum stand die Frage, wie die Nutzung der Ressource Wasser an den Klimawandel angepasst werden kann. Das ist keine leichte Aufgabe. Denn es bedeutet, dass verschiedene Akteure bereit sein müssen, zusammenzuarbeiten und Kompromisse zu schliessen. Auch diejenigen, die sich sonst eher Steine in den Weg legen als sich die Hand zu geben. Zum Beispiel der Bauernverband und die Umweltverbände WWF und Pro Natura. Während die Umweltschützer sich beispielsweise wünschen, dass trockengelegtes Land renaturiert wird, fordern die Bauern Flächen, auf denen sie produzieren können. Sich auf die Auswirkungen des Klimawandels vorzubereiten, ist für Kräuchi aber zu wichtig, als dass er solchen Konflikten ausweichen würde. «Klar ist es anspruchsvoll», sagt er. «Aber wir haben ein Problem, und wir müssen es lösen.»

Das Tiefenmoos ist eine kahle Fläche, ungefähr so gross wie drei Fussballfelder. Gras wächst, einige abgestorbene Bäume ragen in den Himmel. Die Füsse versinken plötzlich bis zu den Knöcheln im Schlamm. Kaltes Wasser schwappt in die Gummistiefel.

Kräuchi zeigt auf die toten Bäume. «Früher stand hier Wald, weil der Boden drainiert wurde». Dann habe der Kanton gemeinsam mit Naturschützern und Gemeinden die Drainagen aufgehoben, über die Jahre habe die Fläche ihren natürlichen Zustand wiedergefunden. «In Bezug auf den Klimawandel ist das darum wichtig, weil in dem Boden jetzt Wasser zurückgehalten wird. Ausserdem wird CO2 aus der Luft im Boden gespeichert. Das sorgt dafür, dass die Temperaturen nicht weiter steigen.»

Kontroverses Thema

Kräuchi gerät nie ins Lamentieren, wenn er über den Klimawandel spricht. Aber Sorgen macht er sich schon. Deshalb hat er sich in seinem Kampf dafür, dass der Aargau Massnahmen gegen die Auswirkungen des Klimawandels trifft, für eine Bottom-up-Strategie entschlossen. Er will lieber mit dem Fischereiverband und Pro Natura direkt darüber diskutieren, wie die Aargauer Bachbett in Zukunft aussehen sollen, als abzuwarten, bis der Aargauer Grosse Rat eine Strategie dafür entwickelt.

Kräuchi glaubt an die Kraft von Teamwork und daran, dass das Wissen aus den einzelnen Verbänden relevant ist, um Lösungen zu entwickeln. «Jeder Einzelne kann und muss etwas beitragen. Diesen Ehrgeiz will ich wecken», sagt er. Aber der Klimawandel ist ein kontroverses Thema, Akteure mit zum Teil entgegengesetzten Interessen an einen Tisch zu bringen eine schwierige Aufgabe. Davon lasse er sich nicht abschrecken, sagt Kräuchi. «Wenn ich ehrlich bin, mag ich es sogar, an Projekten zu arbeiten, die ein bisschen Reibungswärme erzeugen.» Die Motivation verliere er dabei nie. «Nur wer sich motivieren muss, der kann seine Motivation verlieren, wenn es einmal schwierig wird. Aber meine Motivation ist intrinsisch. Ich habe sie einfach.»

Während der Autofahrt versucht er zu erklären, woher diese Motivation kommen könnte. Schon als Kind habe er sich für die Umwelt interessiert, sagt Kräuchi. Und damit dafür, wie die Menschen sie schützen können. Seine Liebe zur Natur schlug sich auch in seiner Studienwahl nieder. Weil er den Wald gerne mochte, entschied er sich für ein Forstwirtschaftsstudium an der ETH. Hier zeigt sich auch, dass er sich von Widerständen nicht von einem Ziel abbringen lässt. Denn der damalige Rektor der ETH persönlich hatte ihm in einem Brief von dem Studium abgeraten. «In dem Brief stand, dass ich mich besser für ein anderes Studium entscheiden solle, denn als Forstwirtschaftsingenieur würde ich keinen Job finden», erzählt Kräuchi. Aber er liess sich davon nicht beirren. Er schloss sein Studium ab und doktorierte. Als Wissenschaftler stand er später ebenfalls im Gegenwind: Kräuchi gehörte zu den ersten Forschern in der Schweiz, die das Waldsterben für beendet erklärten. Dafür musste er viel Kritik einstecken. «Damals dachte ich schon manchmal, dass es einfacher wäre, wenn ich die Meinung vertreten würde, die alle vertreten», erzählt Kräuchi. «Aber mir ging es um Wissenschaftlichkeit und Transparenz.»

Lässt sich Norbert Kräuchi also wirklich nie entmutigen? «Natürlich ärgere ich mich manchmal», sagt er schliesslich. Die Menschen für den Klimawandel zu sensibilisieren, sei schon eine harte Nuss. «Wir spüren ihn nicht immer. Und darum können wir ihn verdrängen», vermutet er. Auch er selber sei nicht perfekt. «Ich esse ab und zu Fleisch, und ich fliege in die Ferien.» Er hebt die Hände, zuckt die Schultern. «Aber es kommt doch auf das Mass an. Alles in einem gesunden Mass.»

Verständnis durch Austausch

Eine Nachfrage bei den verschiedenen Verbänden zeigt: Alle scheinen zufrieden damit, wie die Gespräche am runden Tisch bis jetzt verlaufen sind. «Es war wirklich konstruktiv. Der Respekt untereinander war immer da. Es war eine sehr kollegiale Atmosphäre, es war nicht giftig, niemand hat den anderen Vorwürfe gemacht», sagt etwa Alois Huber, der Präsident des kantonalen Bauernverbandes, zu den vergangenen Treffen. Ähnlich tönt es vonseiten des WWF. Die Präsidentin Regula Bachmann-Steiner schreibt: «Alle Teilnehmer hatten die Möglichkeit ihre Anliegen einzubringen. Die Diskussionen fanden auf der Sachebene statt.» Und Kurt Braun, der Präsident des Aargauer Fischereiverbandes, findet: «Es war interessant, die verschiedenen Interessen kennen zu lernen.»

Kräuchis Idee, durch Austausch das Verständnis untereinander zu fördern, scheint vorerst zu funktionieren.