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Gezeichnet vom Bürgerkrieg und der Champions League – so tickt FCA-Trainer Selver Hodzic

Gezeichnet vom Bürgerkrieg und der Champions League – so tickt FCA-Trainer Selver Hodzic

Selver Hodzic über seine Rolle bei den FCA Frauen, seine Flucht vom Bürgerkrieg und magische Nächte in der Champions League.

Nicolas Blust

Selver Hodzic während des Spiels der FCA Frauen gegen YB.

Mit Seraina Friedli und Sonja Giraud verpflichteten die FCA Frauen im Sommer zwei Leistungsträgerinnen des aktuellen Teams. Vor allem der Transfer von Nationaltorhüterin Friedli aus der Serie A wurde als Königstransfer gefeiert. Ein wahrer Transfercoup gelang den Verantwortlichen aber auch auf der Position des Cheftrainers. Selver Hodzic ist auf bestem Weg, die Red Boots Aarau als feste Grösse in der AXA Women’s Super League zu etablieren.

Das Team ist der Star bei den Red Boots Aarau

Es ist ihm beinahe unangenehm, über seinen Anteil am aktuellen Erfolg der Frauen des FC Aarau zu sprechen. Vielmehr verweist er darauf, dass sein Team das Lob verdiene. Denn Hodzic ist keiner, der das Rampenlicht sucht:

«Ich bin keiner, der im Mittelpunkt stehen will. Ich bin ein Teamplayer und gebe mein Bestes für die Mannschaft.»

Doch der ehemalige Innenverteidiger, der seine aktive Karriere beim FC Wohlen ausklingen liess, spielt eben doch eine entscheidende Rolle im Ensemble, das gerade die Super League aufmischt. Seit seiner Ankunft im Sommer hat der im heutigen Bosnien geborene Trainer sein Team taktisch und fussballerisch auf ein neues Level gehoben.

Diese Entwicklung widerspiegelt sich mittlerweile auch in den Resultaten. Die vergangenen beiden Ligaspiele gegen Tabellenführer Zürich sowie gegen YB konnten beide gewonnen werden. Mit einem Sieg zum Abschluss der Hinrunde gegen Tabellennachbar Yverdon könnten die FCA Frauen auf dem sensationellen sechsten Zwischenrang überwintern – und das als Aufsteiger, denen kaum jemand den Klassenerhalt zutraute.


Hodzic versucht, die aufkommende Euphorie ein wenig zu bremsen: «Wir rufen momentan sehr viel unseres Potenzials ab.» Das kommt aber nicht von ungefähr. «Wir haben uns alles hart erarbeitet», ergänzt Hodzic. Er verweist auf die vorbildliche Einstellung seiner Spielerinnen, die in jedem Training Vollgas geben: «Nur so können wir uns verbessern.»

Als Profi spielte er 2005 in der Champions League

Wie es ist, als Underdog für Überraschungen zu sorgen, weiss der 43-Jährige bereits aus seiner Zeit als Fussballprofi. 2005 gehörte er den Thuner Überfliegern an, die sich als Vizemeister sensationell für die Champions League qualifizierten. Gegen Sparta Prag gelang ihm in der 89. Minute sogar das 1:0-Siegtor.

Selver Hodzic im Dress des FC Thun im Jahr 2002. Mit den Berner Oberländern erlebte er die erfolgreichste Phase seiner Karriere.

«Ich weiss bis heute nicht, wie wir das geschafft haben», sagt Hodzic. Eine Stärke der damaligen Mannschaft war die ausgezeichnete Stimmung im Team: «Wir hatten einen guten Teamspirit und haben auch neben dem Platz sehr viel Zeit miteinander verbracht. Das hat uns stark zusammengeschweisst.» Eine ähnliche Situation findet er auch in Aarau vor:

«Wir haben neben dem Platz einige Team-Events gemacht, wie Kickboxen und Badminton, um als Team noch mehr zusammenzuwachsen. Die Stimmung ist sehr positiv.»

Der Fussball spielte in Hodzics Leben schon immer eine Hauptrolle: «Ich bin auf dem Fussballplatz aufgewachsen. Wir hatten in Bosnien bis um 13 Uhr Schule, danach war ich jeweils auf dem Platz. Meine Mutter hat mich dann am Abend auf dem Platz abholen müssen.» Der Fussballverrückte erlebte eine unbeschwerte Kindheit.

Flucht vor dem Bürgerkrieg 1992 in Bosnien

Bis im Jahr 1992. Mit 14 Jahren flüchtete Hodzic mit seiner Familie vor dem Bosnienkrieg in die Schweiz. Die Integration gelang dem Jugendlichen trotz Heimweh schnell. Einziger Wermutstropfen: «Ich konnte nicht mehr so viel Fussball spielen, da ich länger in die Schule musste als in Bosnien.»

Doch Fussball blieb der Lebensmittelpunkt. Mit 16 Jahren kam er in die erste Mannschaft des FC Rotkreuz. Über Zug und Baden landete er schliesslich bei Thun in der Super League. «Wir hatten ein Testspiel gegen den FC Thun. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Vertrag bei einem anderen Verein unterschrieben. Nach dem Spiel kam Thun-Trainer Hanspeter Latour zu auf mich zu und sagte mir, dass er mich in seinem Team haben möchte. So kam der Wechsel nach Thun zu Stande.» Der Rest ist Geschichte.

Vom Junioren- in den Frauenfussball

Als Trainer begann seine Laufbahn im Nachwuchs des FC Luzern. Dass er nun ein Frauenteam trainiert, liegt an Lothar Mayer, der technischer Direktor der FCA Frauen ist. «Ich kenne ihn aus gemeinsamer Zeit bei Wohlen», sagt der bosnisch-schweizerische Doppelbürger. Er hatte auch Angebote als Assistenztrainer in der Challenge League. «Mir war wichtig, dass ich eine Stelle als Cheftrainer annehme, wo ich etwas bewegen kann. Ich brauche auch das Vertrauen des Vorstands in meine Arbeit», sagt Hodzic. Genau diese Bedingungen findet er bei den FCA Frauen vor.

In Aarau angeheuert zu haben, bereut er dementsprechend keine Sekunde: «Ich fühle mich hier sehr wohl.» Was seine Zukunft anbelangt, macht sich der 43-Jährige keine grossen Gedanken, wichtig sei für ich das Hier und Jetzt. Er kann sich aber vorstellen, längerfristig in Aarau zu bleiben: «Wir haben ein Projekt gestartet und sind noch lange nicht fertig.»