
Zank um Verkaufspreis der Autobahnraststätte Würenlos: Käufer und Verkäufer streiten bis vor Bundesgericht
Auf den 1. April 2017 übernahm die Bovida Real Estate AG die Autobahnraststätte Würenlos und die zugehörigen Ladenflächen im Baurecht von der Actria AG (früher Autobahn-Raststätte Würenlos AG). Dafür bezahlte Bovida einen Kaufpreis von 55 Millionen Franken, wie aus einem aktuellen Bundesgerichtsurteil hervorgeht. Das höchste Schweizer Gericht musste in einem Streit zwischen den beiden Firmen entscheiden, bei dem es um die Höhe des Kaufpreises geht.
Im April 2018 reichte die Bovida AG als neue Raststätten-Betreiberin beim Aargauer Handelsgericht eine Klage ein. Die Immobilienfirma argumentierte, das Kaufobjekt entspreche nicht dem «vertraglich zugesicherten Zustand». Sie kritisierte insbesondere, es gebe Mängel am Flachdach, an Fenstern und Türen auf der Nordseite der Raststätte, an Elektroinstallationen, Lüftungsanlagen und Grundleitungen.
Zudem argumentierte die Bovida AG, der Kaufpreis sei angesichts von leerstehenden Mieträumen zu hoch angesetzt worden. Die Käuferin forderte deshalb, die Actria AG müsse ihr gut 1,7 Millionen Franken zurückzahlen.
Klage und Gegenklage: Handelsgericht gab Verkäuferin teilweise recht
Die Actria AG als Verkäuferin der Raststätte, reichte eine Gegenklage ein und stellte ihrerseits eine Geldforderung. Die Firma bestritt, dass die Immobilie nicht dem vertraglichen Zustand entspreche und hielt fest, die Klage der Boviva AG sei unbegründet. Nur wegen der Klage und des laufenden Gerichtsverfahrens sei ein beim Notar hinterlegter Betrag von 2 Millionen Franken am Verfalltag, dem 30. April 2018, nicht an sie ausbezahlt worden. Daher schulde die Klägerin ihr einen Verzugs- und Schadenszins von fünf Prozent auf diese Summe.
Mit Urteil vom 20. Januar 2021 wies das Handelsgericht die Klage der Boviva AG ab und hiess die Gegenklage der Actria AG teilweise gut. Das Gericht verpflichtete die Firma, die den «Fressbalken» gekauft hatte, der Verkäuferin auf einem Betrag von 285’000 Franken ab dem 1. Mai 2018 bis zur Auszahlung einen Zins von 5 Prozent zu bezahlen.
Die Gerichtskosten von rund 30’000 Franken wurden grossmehrheitlich der Boviva auferlegt, die gut 28’500 Franken zahlen musste. Zudem wurde die Käuferfirma verpflichtet, der vorherigen Besitzerin der Autobahnraststätte eine Parteientschädigung von gut 80’000 Franken zu bezahlen.
Zeuge nicht angehört oder Klage unberechtigterweise eingereicht?
Mit diesem Entscheid des Aargauer Handelsgerichts waren beide Parteien nicht zufrieden und reichten beim Bundesgericht dagegen Beschwerden ein. Bovida argumentierte, das Handelsgericht habe diverse Zeugen nicht angehört, die Auskunft über den angeblich mangelhaften Zustand des Gebäudes hätten geben können. Actria begründet ihre Beschwerde unter anderem damit, dass die neue Besitzerin der Raststätte sich vertragswidrig verhalten und ihre Klage unberechtigterweise eingereicht habe.
Die beiden Beschwerden blieben in Lausanne erfolglos, haben aber finanzielle Folgen, wie das nun veröffentliche Urteil des Bundesgerichts zeigt. Die obersten Richter wiesen beide Beschwerden ab, deshalb müssen die Parteien für den jeweiligen Prozess die Gerichtskosten übernehmen.
Die Bovida AG muss einen Betrag von 17’000 Franken zahlen, die Actria AG eine Summe von 5500 Franken. Zudem muss die neue Besitzerin der Raststätte die frühere Eigentümerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit 12’500 Franken entschädigen.
Raststätte Würenlos gehörte ursprünglich Mövenpick und Gulf Oil
Die Autobahnraststätte Würenlos wurde im November 1972 nach gut einjähriger Bauzeit in Betrieb genommen. Damals war die Anlage, deren Bau rund 25 Millionen Franken kostete, die grösste Brücken-Raststätte in Europa.
Die erste Besitzerin war die Autobahn-Raststätte Würenlos AG, an der das Gastrounternehmen Mövenpick und der Ölkonzern Gulf Oil je zur Hälfte beteiligt waren. Für rund 23 Millionen Franken wurde der «Fressbalken» im Jahr 2004 umgebaut. Die ursprünglich orange-braune Fassade wurde dabei durch den heutigen weiss-blauen Anstrich ersetzt.

Ursprünglich war die Autobahnraststätte Würenlos orange-braun.
Im Februar 2018 wurde die Autobahn-Raststätte Würenlos AG in Actria AG umbenannt, der Sitz der Firma wurde nach Teufen AR verlegt. Nach der Übernahme durch die Bovida AG wurde die Raststätte Würenlos im Herbst 2019 für mehr als 10 Millionen Franken aufgefrischt.
Dabei wurden die Parkkapazität auf 560 Plätze erweitert und 20 Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Betrieb genommen. Die ganze Anlage wurde rollstuhlgängig gemacht, dazu wurden Steinböden und Holzdecken-Verkleidungen eingebaut sowie das Beleuchtungskonzept erneuert.