
«Zum Überleben reicht es nicht» oder «besser als nichts»: Bei offenen Terrassen sind sich Aargauer Wirte nicht einig
Am Mittwoch informiert der Bundesrat über die nächsten Lockerungsschritte ab März. Für die Restaurants würde sich – bleibt es beim Vorschlag des Bundesrats – nichts ändern. Sie müssten geschlossen bleiben. Erst ab dem 1. April könnte sich der Bundesrat Lockerungen vorstellen – wenn es die epidemiologische Lage zulässt. In einem ersten Schritt ist die Rede von einer «Öffnung der Restaurantterrassen».
Was der Bundesrat vorschlage, sei «unsinnig», sagt Stefan Villiger, Wirt der Alpwirtschaft Horben in Beinwil (Freiamt). Der Horben ist ein beliebtes Ausflugsziel und die Terrasse lädt ein, um kurz Pause zu machen und den Ausblick zu geniessen.
Trotzdem hält Stefan Villiger nichts von der vorgeschlagenen Teilöffnung. Er fragt: «Was, wenn es regnet oder windet? Wo bringen wir die Leute dann hin?» Wenn die Gäste nur im Aussenbereich bedient werden dürfen, hat das für Stefan Villiger nichts mit einem normalen Restaurantbetrieb zu tun. «Diese Regel mag für Skirestaurants sinnvoll sein. Uns bringt sie nichts.» Mehr als einen besseren Take-away-Service, bei dem sich die Gäste zum Essen noch kurz auf die Terrasse setzen können, kann er sich darunter nicht vorstellen. «Und am Abend funktioniert das Terrassenmodell auch nicht. Dafür ist es zu kalt.»
Stefan Villiger betont, in seiner Wirtschaft auf dem Horben seien Abstände zwischen den Tischen auch im Innenbereich problemlos umsetzbar. Er würde sich deshalb ein ähnliches Regime wie im Frühling wünschen, als sich maximal vier Personen einen Tisch im Restaurant teilen durften.
Monique Schendel, Wirtin des Restaurants Baldegg in Baden, würde ihr Restaurant am liebsten morgen aufmachen. Gleichzeitig hat sie auch Verständnis für die zögerlichen Lockerungen. Sie sagt: «Die Restaurants sollen lieber noch eine Woche länger zu bleiben, wenn diese Vorsicht dazu führt, dass wir nicht noch ein drittes Mal schliessen müssen.»
Das schöne Wetter hat am Wochenende Hunderte Leute auf die Baldegg gelockt. Viele von ihnen wären wahrscheinlich im Restaurant eingekehrt, hätten auf der grossen Terrasse einen Kaffee getrunken oder Zmittag gegessen.
Dürften Restaurantterrassen bald wieder öffnen, würde sie wohl versuchen, an den Wochenenden zu öffnen und eine kleine Karte mit Salaten, Suppe, Flammkuchen oder vielleicht Cordon bleu anzubieten, sagt Monique Schendel. Und weiter: «An einzelnen schönen Tagen wäre das wohl durchaus lukrativ. Aber zum Überleben reicht es nicht.»
Schendel vermutet, dass sie unter dem Strich wahrscheinlich sogar draufzahlen müsste. Denn irgendwann geht die Sonne unter und es wird schnell kalt. «Dann will niemand mehr draussen sitzen», sagt sie.
Und für das Restaurant seien die Einnahmen aus dem Gartenbetrieb nur ein Teil des Umsatzes. «Das Abendgeschäft gehört genauso dazu und ist gerade in dieser Jahreszeit zentral.»
So wie Schendel und Villiger sieht es die Mehrheit der Aargauer Wirtinnen und Wirte. Bruno Lustenberger, Präsident von Gastro Aargau, sagt: «Wir wollen nicht, dass nur die Terrassen geöffnet werden. Wir müssen wieder 100 Prozent Umsatz machen können. Nur mit offenen Terrassen gelingt das nicht.»
So argumentiert auch der Aargauer Regierungsrat in seiner Stellungnahme zu den Vorschlägen des Bundesrates. Die Gastro-Unternehmen im Aargau könnten ohne Öffnung des Innenbereichs nicht rentabel betrieben werden. «Auch wenn ein Gartenrestaurant an einem schönen Sonntag gefüllt werden könnte, stimmen Aufwand und Ertrag nicht überein», hält Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati fest.
Doch es gibt sie auch im Aargau, die Wirtinnen und Wirte, die es anders sehen oder anders rechnen. Einer davon ist Willy Nyffenegger, der zusammen mit seiner Frau Christine das Seehotel Hallwil in Beinwil am See führt. Er sagt: «Uns würde es etwas bringen, wenn wir Gäste auf der Terrasse bewirten können.»
Nyffenegger ist überzeugt, dass das auch für andere Restaurants rund um den Hallwilersee zutrifft und für solche bei Golfplätzen oder in einer Altstadt. «Für gewisse Betriebe wäre eine Lockerung für Aussenbereiche sicher hilfreich und besser als nichts», sagt er.
Natürlich könne nur mit dem Bewirten in Aussenbereichen nicht der volle Umsatz erwirtschaftet werden. «Aber wenn es Betriebe gibt, die dank dieser Lösung gesunden können, sollten sie diese Möglichkeit haben», sagt er.
Dass die Gäste nicht kommen würden, glaubt Nyffenegger nicht. «Am Wochenende waren Hunderte Leute am Hallwilersee unterwegs. Einige davon wären sicher eingekehrt, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten.»
Nyffenegger sieht noch einen weiteren Pluspunkt: «Das Einhalten der Schutzmassnahmen, zum Beispiel des Abstands, lässt sich viel besser kontrollieren.» Auf der Terrasse eines Restaurants platziere man die Tische so, dass der Mindestabstand gewährleistet ist – im öffentlichen Raum lasse sich das weniger gut kontrollieren und durchsetzen.