Zum Verwechseln ähnlich – so dreist wird das Aargauer Start-up Nikin kopiert

Mit dem Erfolg kamen die Neider – und die Kopieversuche. Das Aargauer Modelabel Nikin startete im Dezember 2016 mit dem Verkauf von Beanies (Mützen), oder im Jargon des mehrfach ausgezeichneten Start-ups: Treeanies. Denn damals wie heute pflanzen die Lenzburger für jedes verkaufte Kleidungsstück einen Baum. Getreu ihrem Slogan: Tree by Tree, Baum um Baum. Der Fokus auf nachhaltigen Kleiderkonsum zog rasch neue Kundschaft an. Und die beiden Gründer, Nicholas Hänny und Robin Gnehm, merkten schnell, dass ihre Idee Potenzial weit über die Schweizer Grenze hinaus hat.

 
Nikin-Gründer Nicholas Hänny will inspirieren, aber nicht kopiert werden. Der Grat ist schmal.

Nikin-Gründer Nicholas Hänny will inspirieren, aber nicht kopiert werden. Der Grat ist schmal.

Fabio Baranzini

Im Oktober 2018, zwei Jahre nach der Gründung, machen sie aktiv den Schritt über die Grenze, bauen ihren deutschen Onlineshop auf, schalten Werbung in ganz Europa (heute konzentrieren sie sich wieder verstärkt auf den deutschsprachigen Raum). Hänny erinnert sich: «Mit dem Bäumepflanzen haben andere schon vorher angefangen. Und dagegen haben wir ja auch überhaupt gar nichts. Im Gegenteil, es freut uns enorm, wenn andere sagen, sie hätten wegen uns angefangen, Bäume zu pflanzen. Das ist schlicht der Wahnsinn. Aber kaum wurden wir ausserhalb der Schweiz aktiv, wurden plötzlich auch Designs und von uns registrierte Marken wie Treesocks kopiert.»

Rund 20’000 Franken hat Nikin für den Markenschutz ausgegeben

Das Tannen-Logo von Nikin.

Das Tannen-Logo von Nikin.

zvg

Insgesamt hat Nikin rund 20 Marken und Designs in der Schweiz und Europa sowie weiteren Ländern, in denen sie aktiv sind, schützen lassen. Um die 20’000 Franken hätten sie unterdessen ausgegeben, um Dinge wie das Tannen-Logo, den Nikin-Schriftzug oder Namen wie Treehoodie oder Treesocks für sich reklamieren zu können. Hänny gibt unumwunden zu:

«Wir haben sicherlich ein bisschen mehr ausgegeben als nötig, da wir anfangs auch Fehler machten, zum Beispiel Marken in einer falschen Kategorie schützen liessen.»

Trotz Fehlern hat er nie bereut, dass sie ihre Marken und Designs schützen liessen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren wurde Nikin trotz Schutz mehrfach kopiert. 20- bis 30-mal schätzt Hänny, wie oft genau, kann er nicht mehr sagen. Sie haben eine auf Markenrecht spezialisierte Anwaltskanzlei in Deutschland engagiert, die mittels eines Tools sämtliche Marken-Neuanmeldungen in Europa prüft und bei allzu ähnlichen Anmeldungen in einer der angemeldeten Klassen ein E-Mail in die Schweiz sendet, um auf die mögliche Verletzung hinzuweisen.

Der schmale Grat zwischen Inspiration und Kopie

Meist haben sie zwar überlegt, ob sie etwas unternehmen wollen, es dann aber gut sein lassen. Hänny: «Wir können ja nicht sagen, wir wollen andere inspirieren, und dann schalten wir wegen jeder noch so kleinen Ähnlichkeit den Markenrechtsanwalt ein.» Das sind nicht einfach leere Worte. Hänny hilft jeder und jedem, die oder der mit dem Bäumepflanzen anfangen will.

«Ich habe unterdessen schon verschiedene E-Mails im Stehsatz, um den Leuten Informationen zu geben», erzählt er. Fragt jemand nach der Organisation, mit der sie das alles machen (Onetreeplanted), kriegt er von Hänny nicht nur den Kontakt, sondern auch noch allerlei Informationen dazu, wie viele der Bäume wirklich zu voller Grösse aufwachsen, welche anderen Organisationen es sonst noch gibt und so weiter. Dasselbe im Fall der Zertifikate, die Nikin auf baumfreies Papier druckt. «Unser Papier ist aus Zuckerrohr, aber es gibt auch solches aus Bambus, Bananen und sogar aus Elefantenkot», sagt Hänny und lacht.

Drei Fälle, in denen Nikin interveniert hat

Letztlich entscheiden er und Robin Gnehm in jedem Fall einzeln, wie sie vorgehen. Denn Hänny ist ein gebranntes Kind und hat selbst Grosszügigkeit erfahren. Bevor er mit Nikin durchgestartet ist, verkaufte er Sporttaschen unter dem Namen Nikit. Schnell wurde die weltweit bekannte isländische Snowboard-Marke Nikita aufmerksam auf sein Projekt. «Sie haben mich kontaktiert und wir haben uns darauf geeinigt, dass ich den Markeneintrag lösche, dafür aber meine restlichen Taschen verkaufen kann», erinnert sich Hänny. Augenmass, das ist ihm nun selbst wichtig. Der Nikin-Gründer sagt:

«Ich frage mich immer, wie es wäre, wenn ich auf der anderen Seite wäre.»

Aber es gibt Grenzen. Wird es zu dreist, intervenieren sie. Zum Beispiel Anfang 2019, als ein paar amerikanische Studierende unter der Treestinct beginnen, Kleider zu verkaufen und Bäume zu pflanzen. Die Designs sind praktisch identisch, genauso das Logo und Bezeichnungen wie Treesocks.

Nikin – Original und Kopie

 

Nikin interveniert. «Man findet sie zwar noch auf Instagram, aber den letzten Eintrag machten sie im Januar 2019 und die Website ist offline», sagt Hänny.

Ein Original Treeshirt von Nikin und ...
 
... die doch ziemlich dreiste Kopie von Treestinct aus den USA.
Original oder Kopie? Richtig, es ist das Original.
Das hier ist die Kopie aus den USA.
 

Ein Original Treeshirt von Nikin und …

Im Fall von Earthkarma war es das Design der Socken, das praktisch 1:1 kopiert war. Hänny: «Wir haben uns mit der Unternehmerin darauf geeinigt, dass sie verkauft, was sie noch hat, danach aber aufhört.»

Socken mit Tannen wie gemalt von Bob Ross, das können eigentlich nur Treesocks von Nikin sein.
 
Aber weit gefehlt, es handelt sich hier um eine Kopie von Earthkarma aus Österreich. Nikin hat sich mit der Macherin darauf geeinigt, dass sie noch verkauft, was schon produziert ist. Danach aber soll Schluss sein.
Socken mit Tannen wie gemalt von Bob Ross, das können eigentlich nur Treesocks von Nikin sein.

Nachsichtig waren sie auch im jüngsten Fall mit einem in England wohnhaften Iraner, der auf der Insel Anfang 2021 die Marke Hikin in der Klasse 25 (Bekleidung) anmeldete. «Er unterstützt mit den Einnahmen die LGBTQ-Szene. Das ist ja genau in unserem Sinne», sagt Hänny. Man habe ihm also gesagt, dass alles in Ordnung sei, sofern er den Markeneintrag lösche und kein Baumdesign verwende. Hänny: «Das ist ein moralisches Dilemma für uns. Soweit ich weiss, hat er nicht einmal von uns gewusst. Aber was, wenn er in England plötzlich grösser ist als wir?»