Zwei von drei Aargauern stehen E-Voting positiv gegenüber

Frau Trivigno, haben Sie die hohe Zustimmung nach den vielen Negativschlagzeilen zu E-Voting erwartet?

Nachgefragt bei Vincenza Trivigno

Vincenza Trivigno: Angesichts der seit mehreren Jahren anhaltenden, von viel Skepsis dominierten Debatte in Bundesbern bin ich positiv überrascht vom Ergebnis.

Warum?

Weil in der politischen und medialen Diskussion die Sicherheit von E-Voting immer wieder bezweifelt wird. Deshalb hätte ich bei den Stimmberechtigten eher mehr Skepsis erwartet.

Grössere Differenzen zu E-Voting gibt es dafür je nach Alter und politischer Einstellung.

Ja, aber die Differenzen sind nicht wirklich gross. Gerade wenn man die mögliche Abweichung in der Altersfrage von bis 6,6 Prozent einbezieht. In Bundesbern sind SVP und Grüne besonders skeptisch. Das scheint bei ihrer Basis nicht in diesem Ausmass der Fall zu sein. Intuitiv hätte man auch einen Stadt-Land-Graben erwartet. Den gibt es hier nicht. Erfreulich ist auch, dass Männer und Frauen praktisch genau gleich zu E-Voting stehen, nämlich mehrheitlich positiv.

Was heisst das für den Aargau, der ja nach einer neuen E-Voting-Lösung suchen muss?

Der Regierungsrat hat seine Haltung in der Beantwortung einer Motion im November kundgetan. Daran ändert die Umfrage nichts. Sie bestätigt uns aber in unserem Fahrplan. Demnach werden die fünf geplanten Gemeindeversuche ausgesetzt. Wir suchen aber nach einer Lösung, um den Auslandschweizern E-Voting auch anbieten zu können, wenn Genf sein E-Voting-System, auf dem wir basieren, im Februar 2020 abschaltet.

Sind Sie da schon weiter?

Eins möchte ich klarstellen: Auch für uns geht Sicherheit ganz klar vor Tempo. Die Regierung wird im Lauf dieses Jahres dem Grossen Rat einen Antrag zum weiteren Vorgehen stellen. Der Grosse Rat entscheidet am Schluss, ob und in welchem Tempo es weitergeht.

Vincenza Trivigno ist seit 2016 Staatsschreiberin. Davor war sie Generalsekretärin der Gesundheitsdirektion Kanton Zug

Dies geht aus einer der AZ vorliegenden, ganz neuen Untersuchung von Uwe Serdült und Salim Brüggemann vom Zentrum für Demokratie Aarau ZDA hervor (vgl. grosse Tabelle).

Die Zustimmung zur Einführung eines digitalen Stimmkanals sei besonders stark ausgeprägt bei Befragten unter 60 Jahren, sagt Serdült. Ob der Alterseffekt mit der Zeit schwindet, könnten erst zukünftige Untersuchungen zeigen.

Es sei anzunehmen, wie Untersuchungen aus Estland zeigen. Das Umfrageergebnis überrascht ihn nicht. Es stehe im Einklang mit bisherigen Umfragen und Studien aus der Schweiz und dem Ausland.

Die Zustimmungswerte bei Frauen und Männern sind praktisch gleich hoch. Auch zwischen Stadt- und Landbevölkerung gibt es in dieser Frage augenscheinlich praktisch keine Unterschiede.

Neben dem Alter als erklärendem Faktor spielt hingegen laut der Untersuchung analoger oder ein digitaler Lebensstil eine wichtige Rolle. Was meint Serdült damit? Bei Umfrageteilnehmenden, die ihre Antworten per Post zugesandt haben, beträgt die Zustimmung (sehr oder eher einverstanden) 49 Prozent.

Bei Personen, die via stationäres Internet geantwortet haben, beträgt dieser Wert hingegen hohe 79 Prozent, und bei jenen, die via mobiles Internet an der Umfrage teilgenommen haben, sogar 87 Prozent.

Serdült relativiert allerdings, die wissenschaftlichen Erkenntnisse auf Basis dieser einen Momentaufnahme seien «etwas begrenzt und man sollte daraus keine grossen Schlüsse auf Einstellungen in der Bevölkerung zum Thema Digitalisierung insgesamt ziehen».

E-Voting: SVP-Basis gespalten

In Bundesbern und auch im Grossen Rat in Aarau äussern sich Vertreterinnen und Vertreter von SVP und Grünen besonders skeptisch zu E-Voting, und zwar aus Gründen der Sicherheit und der Kosten. Speziell bei der SVP findet man diese zusätzliche Möglichkeit auch gar nicht nötig.

Nun sind die Zustimmungswerte laut Umfrage bei Anhängerinnen und Anhängern der Grünen tatsächlich unterdurchschnittlich, und bei der SVP ist die Basis in dieser Frage gar gespalten. Serdült: «Man sieht bei den politischen Variablen den Trend zu weniger Unterstützung von E-Voting. Und zwar, je näher sich jemand einer konservativ-traditionellen Grundhaltung verpflichtet fühlt, wie sie etwa in Sympathien für die Selbstbestimmungsinitiative oder zur SVP zum Ausdruck kommt.» Sehr stark ausgeprägt seien diese Zusammenhänge jedoch nicht.

So lautete die Frage

Im Rahmen der Umfrage für die kantonalen Abstimmungen vom 25. November wurde eine zufällige Auswahl an Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern gefragt, was sie über die Einführung von E-Voting denkt. Konkret lautete die Fragestellung so: «Der Kanton Aargau plant für 2019 in einigen Pilotgemeinden das Abstimmen via das Internet (E-Voting) zu testen. Sind Sie für oder gegen die Einführung von E-Voting im Kanton Aargau?

Ähnlich wie schon im Jahr 2016

Als Antwortmöglichkeiten standen die Kategorien klar dafür, eher dafür, eher dagegen sowie klar dagegen zur Verfügung (oder auch keine Antwort). Die Antworten prozentual aufgeschlüsselt ersieht man aus der kleinen Grafik unten. Demnach unterscheidet sich die Zustimmungsrate laut Uwe Serdült nur unwesentlich von den 69 Prozent, die bereits 2016 im Rahmen einer gesamtschweizerischen Studie erhoben wurde.

Serdült: «Die in letzter Zeit intensivere politische Diskussion sowie kritischeren Stimmen zum Thema E-Voting haben die Unterstützungsraten für E-Voting in der Aargauer Stimmbevölkerung nur unwesentlich negativ beeinflusst.» Angesichts der momentanen E-Voting-Kritik hätte er tiefere Zustimmungsraten erwartet.

Die Zustimmungsraten lägen auch bei einer gewissen Unsicherheit, die Bevölkerungsumfragen immer innewohnt, über fast alle ausgewerteten Kriterien hinweg höher als bei 50 Prozent, betont Serdült.

 

Dass der Aargau 2019 keine Versuche mit E-Voting in Pilotgemeinden durchführen wird, war während der Planungsphase für die Umfrage noch nicht bekannt. Für die Absage der fünf Pilotversuche gibt es zwei Hauptgründe: Einerseits kündigte der Kanton Genf an, die vom Kanton Aargau mitbenutzte E-Voting-Lösung ab 2020 nicht mehr weiter zu betreiben.

Andererseits hat eine im Grossen Rat überwiesene Motion verlangt, E-Voting momentan einzustellen, um die Sicherheit des Systems zu überprüfen. In seiner Antwort auf diese Motion hat der Regierungsrat mitgeteilt, dass 2019 keine solchen Pilotversuche stattfinden. Bei den fünf Gemeinden handelt es sich um Aarau, Baden, Biberstein, Buchs und Wettingen.