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Staat bittet zur Kasse: Der Kanton Solothurn hält den Gebührenrekord – was ist da dran?

Voller Begeisterung greift dafür niemand ins Portemonnaie. Ob für die Wasserversorgung, die Motorfahrzeugkontrolle oder die Abfallentsorgung: Wer von einer Behörde eine bestimmte Dienstleistung beansprucht, muss Gebühren bezahlen. Dabei gelten gewisse Regeln. So dürfen Kantone und Gemeinden mit den Gebühren keinen Gewinn erwirtschaften. Und die Tarife müssen in einem vernünftigen Verhältnis zum Vorteil stehen, den die Bevölkerung aus der entsprechenden Leistung ziehen kann.

So weit, so simpel. Doch in der Praxis schwanken die Tarife je nach Gegend zwischen fast nichts und ziemlich viel. Quer durchs Land sind die Unterschiede gross. Solothurn nimmt dabei eine Sonderrolle ein: Der Kanton hält den Schweizer Gebührenrekord.

Das zeigt der diesjährige «Indikator der Gebührenfinanzierung». Diesen veröffentlicht die Eidgenössische Finanzverwaltung jeweils im Spätherbst. Der Indikator kontrolliert die Kostendeckung: Er macht für jeden Kanton transparent, in welchem Umfang die öffentliche Versorgung und typische staatliche Dienstleistungen durch die Leute finanziert werden, die sie in Anspruch nehmen. Untersucht werden jene Bereiche, die besonders einschenken: zum einen das Abfallwesen, die Wasserversorgung und das Abwasser, zum anderen die Strassenverkehrsämter und das allgemeine Rechtswesen. Der aktuelle Index berücksichtigt die Gebühreneinnahmen und Ausgaben von 2019.

Abfallsäcke warten in Olten auf ihre Abholung.

Seit einigen Jahren findet sich Solothurn jeweils auf den Spitzenplätzen. Die öffentliche Hand im Kanton deckt die Dienstleistungen in den untersuchten Bereichen zu 94 Prozent mit Gebühren. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 78 Prozent; die restlichen Kosten werden demnach in der Regel mit Steuergeldern beglichen.

Berner Index liefert ein Gesamtbild

In den einzelnen Bereichen platziert sich Solothurn jeweils am oberen Ende der Skala, mehrheitlich aber unter der magischen 100-Prozent-Grenze. Ins Auge stechen dagegen die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung. Hier übersteigen die Gebühreneinnahmen knapp die anfallenden Kosten. Der Staat kassiert – über den ganzen Kanton betrachtet – mit den Dienstleistungen also mehr Geld, als diese ihn kosten.

Was steckt hinter dem Solothurner Spitzenplatz? Es bieten sich mehrere Erklärungsansätze an; diese hängen nicht zuletzt von der (politischen) Warte des Betrachters ab. Einer davon: Die hiesigen Behörden könnten besonders konsequent darin sein, die Kosten auf die Verursacherinnen und Verursacher zu überwälzen. Schliesslich bezahlen die Bürgerinnen und Bürger solche ja für eine direkte staatliche Gegenleistung.

Solothurns hoher Kostendeckungsgrad könnte jedoch geradeso gut darauf hindeuten, dass die Gebührenlast im Kanton eher hoch ist – so lautet ein weiterer Erklärungsansatz. Dazu muss man wissen: Weil Gebühren anders als Steuern nicht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden, belasten sie tiefe und mittlere Einkommen überproportional.

Ein Wasserzähler misst den Verbrauch: Je nach Gemeinde sind die Unterschiede bei den Gebühren markant.

Eine abschliessende Antwort ist nicht möglich. Zwar ermöglicht der Index den interkantonalen Vergleich und macht so allfällige Missverhältnisse zwischen Gebühren und Leistungen sichtbar. Doch er liefert eben bloss ein Gesamtbild, wie die Eidgenössische Finanzverwaltung zu bedenken gibt. Um die Höhe einzelner Gebühren zu beurteilen, ist er die falsche Quelle. «Der Index der Gebührenfinanzierung operiert auf einer aggregierten Ebene und ist für solche Untersuchungen ungeeignet», hält die Finanzverwaltung fest.

Soll heissen: Die Gebühren werden nicht einzeln berechnet, sondern über alle Gemeinden hinweg für den ganzen Kanton erhoben. Wie unterschiedlich sich die Tarife je nach Kommune präsentieren, zeigen Zahlen der kantonalen Verwaltung eindrücklich. Bei den Abwassergebühren etwa liegt die Spannbreite in den Gemeinden aktuell zwischen 0.55 und 3.75 Franken pro Kubikmeter. Im Schnitt zahlen die Solothurnerinnen und Solothurner dafür 1.70 Franken.

Idee hat einen Solothurner Erfinder

Dass der Bund überhaupt die Gebührenfinanzierung in den Kantonen misst, geht sinnigerweise auf einen Solothurner Bundesparlamentarier zurück. Vor 15 Jahren verlangte der damalige FDP-Nationalrat Rudolf Steiner per Vorstoss mehr Transparenz in diesem Bereich – und holte dafür eine Mehrheit auf seine Seite.

Regte den Index 2006 an: der frühere FDP-Nationalrat Rudolf Steiner.

Heute sehen Kritiker den Parlamentsauftrag nur teilweise umgesetzt. Konkret bezweifeln sie, ob der von der Finanzverwaltung entwickelte Index wirklich mehr Licht in den Gebührendschungel bringt. Dieser liefere keine vollständigen Antworten auf die Frage, wie viel die Haushalte und Unternehmen jährlich für die Wasserversorgung oder die Kehrichtentsorgung bezahlen müssen, bemängelte Preisüberwacher Stefan Meierhans schon 2011 in dieser Zeitung.

Bleibt die Erkenntnis: Gerade im Solothurnischen dürfte es sich lohnen, bei den Gebührenabrechnungen hie und da etwas genauer hinzuschauen.