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Mirko Colemberg: für den Bier-Sommelier aus Günsberg heisst es «Freitag ist Brautag» 

Auf dem alten Papieri-Areal in Biberist steht eine riesige, verlassene Fabrikhalle mit schmutzigen Fenstern. Verlassen? Nicht ganz: In einer Ecke hat Bier-Sommelier Mirko Colemberg aus Günsberg im Mai seine Pico-Brauerei eingerichtet. Im Hinterzimmer erspäht man neben professionellen Bierbrau-Utensilien einen unscheinbaren, kleinen Brau-Topf und einige Plastikbehälter, die als Gärkessel gedient hatten. Colembergs erstes Bierbraukit. Damit hatte vor etwa zehn Jahren alles begonnen. «Man hätte das Bier auch in einem Kochtopf brauen können», meint er. Aber wenn Colemberg etwas macht, dann richtig. Und Bierbrauen interessierte den 45-Jährigen schon lange.

Er wuchs im St.Galler Rheintal auf, dort steht die Sonnenbräu-Brauerei. Eine Lehre als Brauer wäre aber zu umständlich gewesen – die einzige Berufsschule, die den Lehrgang anbot, lag im Kanton Bern. Also lernte Colemberg Elektriker und bildete sich im IT-Bereich weiter. «Das Brauen ging etwas vergessen», meint er. Bis er von einem Kollegen einen Braukurs geschenkt bekam: «Da hat es mich wieder gepackt.»

Im eigenen Keller, ausgerüstet mit dem Bierbraukit, nahm die Geschichte ihren Lauf. 2017 machte er die Ausbildung zum Bier-Sommelier. Das Bierbrauen kam dabei aber etwas zu kurz. Als Consultant eines IT-Unternehmens war er viel unterwegs: «Das hat mir schon langsam abgelöscht.» Als dann die Pandemie seinem umtriebigen Berufsleben ein jähes Ende setzte, fand Colemberg ausreichend Zeit, seinem Hobby zu frönen.

Prompt zügelte er seine «Vision.Beer»-Brauerei nach Biberist und arbeitet seitdem nur noch 60 Prozent. Colemberg sagt schmunzelnd:

«Freitag ist Brautag.»

Im Kühlcontainer lagern ungefähr 400 Liter Bier, dahinter stapeln sich Säcke gefüllt mit Malz. In professionellen «Kochtöpfen» vermischt er das Malz mit Wasser. Das Ganze wird erhitzt und rasch wieder abgekühlt. In drei grossen Gärtanks kommt dann das «Haustier» des Brauers zum Einsatz – die Hefe. Wird sie aufmerksam gehegt und gepflegt, der Brauer sagt «gefüttert», kann sie mehrere Male verwendet werden. Dazwischen «schläft» sie, fein säuberlich abgedeckt, in einem Behälter im Kühlschrank.

Im Eingangsbereich stehen leere Aludosen auf Paletten – die werden nach dem Abfüllen mit selbst designten Etiketten beklebt. Sechs bis sieben Sorten braut Colemberg in seiner kleinen Brauerei. Zwei oder drei sind Dauerbrenner. Bei den anderen experimentiert er mit verschiedenen Geschmäckern. Die wahre Kunst des Brauens:

«Ein Bier der gleichen Sorte sollte immer genau gleich schmecken.»

Das aktuelle Weihnachtsbier verfeinerte Colemberg mit Orangenschalen und Korianderkörnern. Er verrät: «Dazu passt Lebkuchengewürz zum Drüberstreuen.» Am Feierabend freut er sich aber auf eine seiner neusten Kreationen: den «Elfischuss», ein dunkles Amber. «Das macht sich gut mit einer Bratwurst oder Pilzschnitten», erklärt er.

Da kommt der Bier-Sommelier in ihm zum Vorschein: Die Sommeliers paaren verschiedenste Biere mit den passenden Gerichten. Dafür braucht es ein breites Bierfachwissen, welches immer gefragter wird. Bereits über 600 Bier-Sommeliers fachsimpeln in der Schweiz über das Malzgetränk – alle zwei Jahre sogar im Rahmen einer Schweizer Meisterschaft.

Colemberg entschied dieses Jahr spontan, teilzunehmen: «Ich sagte mir, ich geh jetzt einfach.» Knapp ein Monat blieb ihm zur Vorbereitung. Er kramte seine Unterlagen aus der Sommelier-Ausbildung wieder hervor, vertiefte sein Bierwissen. Jede Woche stellte ihm ein Bierhändler eine Kiste mit verschiedenen Bieren zusammen. Seine Frau schenkte sie ihm zu Hause ein, damit er die Sorten blind verkosten konnte.

25 Bier-Sommeliers bewiesen ihr Fachwissen

Am 20. November trat er dann gegen 24 Schweizer Bier-Sommeliers an. Als Erstes galt es, 65 Multiple-Choice-Fragen zu beantworten. Danach mussten die Kandidaten die Aromen der Biere herausschmecken. «Ein Bier war zum Beispiel mit Ananas aromatisiert, ein anderes war im Whiskyfass gelagert worden», erzählt Colemberg. Auch Fehlgeschmäcker mussten die Teilnehmenden erkennen können: «Wenn etwas im Brauprozess schiefläuft, kann das Bier nach Essig oder nassem Papier schmecken.» Zuletzt mussten die Teilnehmenden den Stil von drei verschiedenen Bieren bestimmen.

Für den Halbfinal hatten alle Kandidaten ein Bier mitgebracht, das sie der Jury vorstellen mussten. Colembergs Wahl lag auf der Hand – Sonnenbräu natürlich. Ein wenig stolz sagt er:

«Das ist ein Büezer-Bier, ganz einfach und schlicht. Alle anderen hatten so fancy Biere.»

Bis in den Halbfinal reichte es für ihn jedoch nicht. Das nächste Mal ist Colemberg aber sicher wieder mit von der Partie: «Ich würde alles genau gleich machen. Ausser etwas früher mit der Vorbereitung anfangen», fügt er an.

Bis dahin will er sein Fachwissen aufrechterhalten – und natürlich fleissig Bier brauen. Seine Biere verkauft er online, an Firmen und in einem Hofladen in Biberist. Im nächsten Mai soll die Bilanz des Brauerei-Experiments in Biberist gezogen werden: «Wenn es bis dann selbsttragend ist, mache ich weiter», sagt Colemberg. Momentan laufe es ziemlich gut: Der Traum, von der eigenen Brauerei leben zu können, ist ein Schritt näher gerückt.