
Aufatmen statt Inhalieren: Schweizer Strassen sind wieder sicher!
Ich bin heute 45 Jahre, zwei Monate und 17 Tage alt. Davon bin ich drei Jahre, 10 Monate und drei Tage Auto gefahren. Das muss reichen!
Alles andere könnt Ihr dem netten Brief, den ich dem Strassenverkehrsamt Aargau geschickt habe, entnehmen. Sorry, kürzer konnte ich mich nicht fassen!
Brittnau, den 14.03.2018
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich beziehe mich auf die Verfügung vom 2. März 2018 (PIN 84.772.491.114) und nehme gemäss Art. 23 Abs 1 SVG die Möglichkeit wahr, mich schriftlich zur Angelegenheit zu äussern.
Ich wurde am 2. Februar 2018 auf eine «Meldung» hin vor der Tür meines Arbeitsgebers (Zofinger Tagblatt Medien AG) kontrolliert und einem Alkohol- und Drogenschnelltest unterzogen. Der Drogenschnelltest ergab ein positives Ergebnis in Bezug auf Cannabis. Das ist illegal, ich weiss, und es zieht eine Busse und wahrscheinlich eine Geldstrafe nach sich, das ist mir bewusst. Ich werde nicht um Gnade oder Milde betteln, ich will Ihnen nur beschreiben, wie ich die ganze Sache empfinde.
Im Spital wurde ich von zwei Regionalpolizisten unverhältnismässig lange und immer wieder zu denselben Sachverhalten befragt. Da Sie diese Fragenkataloge sicherlich besser kennen als ich: Inwiefern sind Fragen wie «Aufenthaltsort Freunde?» (der protokollführende Polizist konnte mir leider auch nicht erklären, wie diese Frage wirklich zu verstehen ist) zielführend bei einem Verhör, in dem es um ein Verkehrsdelikt geht? Unter diesen ebenso zahlreichen wie sinnlosen Fragen, die man mir jeweils mindestens drei Mal stellte, war auch diese: «Nehmen Sie Medikamente?». Dumm und naiv, wie ich bin, antwortete ich wahrheitsgemäss, ich würde täglich ein Blutdruckmittel nehmen, betonte aber jedesmal, dass ich nicht unter Bluthochdruck leiden würde, sondern unter der seltenen Nierenkrankheit «Minimal Change», auf die sich die Einnahme eines Blutdrucksenker positiv auswirkt. Offenbar hielt es der Polizist nicht für nötig, dies verständlich im Protokoll festzuhalten. Wahrscheinlich war er viel zu sehr damit beschäftigt, mir jedes Wort im Mund umzudrehen, um mir daraus den dickstmöglichen Strick drehen zu können, jedenfalls lese ich nun in Ihrer Verfügung:
«Liegen aus verkehrsmedizinischer Sicht andere, die Fahreignung ausschliessende Störungen (insbesondere hinsichtlich Bluthochdruck) vor?». Und weiter unten: «Da der Betroffene angibt, regelmässig ein Medikament gegen Bluthochdruck einzunehmen, muss die Fahreignung auch diesbezüglich abgeklärt werden.» Dumm gelaufen? Oder sieht so die gängige Praxis aus, dass man zusätzlich zum «Hauptdelikt» nach weiteren potentiellen Hindernissen für die Wiedererlangung des Führerscheins sucht? Oder nach weiteren Einnahmequellen für die Verkehrsmediziner?
Nach der zermürbenden Befragung tauchte ein junger Arzt in roten Turnschuhen auf, der die Frage klären sollte, ob ich unter akutem Cannabis-Einfluss stehe. Die Turnübungen, die mich der junge Mann mit geschlossenen Augen vollführen liess, hätte ich bei einem Vorstellungsgespräch beim Zirkus Knie vielleicht akzeptiert, in diesem Kontext allerdings nicht. Dass der Arzt, als ich ihn aufforderte, mir die Übungen vorzuführen, dieselben Probleme hatte wie ich, sagt ja eigentlich alles. Da man ihm vorgängig mitgeteilt hat, dass der Cannabis-Schnelltest positiv war, handelt es sich bei seinem Urteil nicht um eine einigermassen seriöse Diagnose, sondern vielmehr um eine selbsterfüllende Prophezeiung. Auf die ewige Legende von den «kleinen Pupillen» will ich gar nicht näher eingehen, das ganze Prozedere war einfach nur eine Farce.
Nun sollte ich mich, wie ich Ihrer Verfügung entnehme, einer «verkehrsmedizinischen Begutachtung» unterziehen, in der vordringlich die Frage «Liegt bei Oliver Mark Schweizer eine Betäubungsmittelsucht vor?» geklärt, bzw. die Auflagen für eine allfällige Wiedererteilung des Führerausweises festgelegt werden sollen. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich befürchte, dass dieser Verkehrsmediziner ähnlich gut qualifiziert ist wie der Polizist, der mich ver-, oder besser gesagt überhört hat und der Spital-Arzt, der mich nach den Turnübungen noch gefühlte zehn Mal fragte, in welchem Kalenderjahr wir uns gerade befänden.
Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann ist es Willkür, die als Recht (oder noch schlimmer: als Gerechtigkeit) getarnt daherkommt, für die ich nebenbei tausende von Franken bezahle. Sehen Sie, ich bin 45 Jahre alt, seit 14 Jahren verheiratet, habe keinerlei Vorstrafen – weder im Verkehr, noch bezüglich Betäubungsmittel. Ich habe noch nie einen Rappen Arbeitslosengeld bezogen, arbeite 100% und seit 11 Jahren beim selben Arbeitgeber. Nicht mal betrieben hat man mich in meinem Leben. Vielleicht können Sie daraus entnehmen, dass ich im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte bin.
Ich denke nicht im Traum daran, mich den Launen eines Verkehrsmediziners oder gar –Psychologen auszusetzen (den setzen Sie ja bei den «Kiffern» dem Vernehmen nach ebenfalls gerne ein), der dann nach eigenem Gutdünken über meine Zukunft entscheidet. Ich gebe allerdings zu: Der Gedanke, mich von Ihrem «Experten» als schwer drogenabhängig einstufen zu lassen (was sicherlich kein Problem wäre), arbeitslos zu werden und künftig dem Staat auf der Tasche zu liegen, statt jährlich 10‘000 Franken Steuern abzuliefern, mit denen ich solch hirnrissigen Verhältnisblödsinn noch mitfinanziere, erscheint mir in den letzten Wochen immer reizvoller…
Langer Rede kurzer Sinn: ich habe mit 41 Jahren meinen Führerschein im Rahmen einer Serie für das Zofinger Tagblatt gemacht (davon können Sie sich auf www.portermobil.ch, überzeugen), zu der mich mein Chef in jahrelanger Schwerarbeit überreden musste. Motiviert war ich nie, das Autofahren in diesem Land macht mir vier Jahre nach der Fahrprüfung noch etwa gleich viel Spass wie Rasenmähen. Meinen Führerschein dürfen Sie deshalb behalten und es meinetwegen als Erfolg verbuchen, dass Sie die Schweizer Strassen (noch) sicherer gemacht haben!
Und weil das jetzt alles etwas gehässig und frustriert geklungen hat, das Positive zum Schluss: Danke, dass Sie mir meine Freiheit wieder zurückgegeben und mich von meiner grenzenlosen Faulheit, die mit jedem Jahr Autofahren schlimmer wurde, befreit haben!
Über eine Antwort in «normaler Menschensprache» (mit der «Juristensprache» tue ich mich leider nach wie vor etwas schwer) würde ich mich freuen.
Ich grüsse Sie freundlich,
Oliver Mark Schweizer
