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Wohnmobile und ihre tote Zeit: Wohin mit dem Camper zwischen den Reisen?

Wohnmobile und ihre tote Zeit: Wohin mit dem Camper zwischen den Reisen?

Alle wollen mit dem Wohnmobil ins Grüne, doch ausserhalb der Ferien beanspruchen die Fahrzeuge Platz im Siedlungsraum. Das freut nicht alle. 

Daniela Deck

Jan Jägers und seine Wohnmobile.

Campieren boomt. Der Verkauf der Campingcars steigt und hat durch die Pandemie einen zusätzlichen Schub erhalten. Das stellt Auto Schweiz, die Vereinigung der Automobilimporteure, anhand der Zulassungen der Fahrzeuge fest. Im Kanton Solothurn waren 2019 1027 Wohnmobile (bis 3,5 Tonnen) zugelassen, letztes Jahr waren es 1619, dieses Jahr (Stand: 15. November) bereits 2540, wie die Motorfahrzeugkontrolle auf Anfrage mitteilt.

Da ist es kein Wunder, dass die Händler und Vermieter ebenfalls Platz brauchen, um ihre Wohnmobile zu lagern. Eines dieser Unternehmen ist Jägers Wohnmobile, die vor drei Jahren von Gerlafingen nach Bettlach an die Hauptstrasse umgezogen ist. «Seit acht Jahren verzeichnen wir einen stetigen Zuwachs bei der Nachfrage. Besonders deutlich zeigt sich das bei den Occasionsfahrzeugen», sagt Firmenchef Jan Jägers. Das zunehmende Interesse sieht der Händler im Zusammenhang mit dem Immobilienboom: «Ferienhäuser sind für viele Leute unerschwinglich geworden. Da bietet ein Wohnmobil einen attraktiven Ausweg, ein kleines Eigenheim und dazu mobil.»

Nun hat Jägers dieses Jahr festgestellt, dass er plötzlich nicht mehr Parkfläche für Campingcars benötigt, sondern weniger; sein Areal bietet Platz für 20 Fahrzeuge. Der Grund: «Die neuen Wohnmobile werden vom Platz weggekauft, kaum sind sie angeliefert. Inzwischen gibt es sogar Wartefristen für Interessentinnen und Interessenten.»

Jägers sieht diesen Effekt im Zusammenhang mit fehlendem Zubehör, unter dem der Welthandel leidet. Nur beschränkt sich der Mangel in der Autobranche nicht auf Computerchips. Die Campingindustrie leide besonders unter einem Mangel an Fenstern. «Ich hoffe, dass sich der Stau auf dem Weltmarkt bald auflöst», sagt Jägers.

Begehrte Standplätze zur Lagerung der Campingcars

In Grenchen ist in der Gewerbezone südöstlich des Südbahnhofs ein Baugesuch für eine Halle und Garagen hängig. Das Areal umfasst knapp 4000 Quadratmeter Fläche, wie Stadtbaumeister Aquil Briggen mitteilt. Dort soll ein Geschäft mit Wohnmobilen entstehen, wie der Planer Rolf Winzenried bestätigt. Ob dort Campingfahrzeuge zum Verkauf gelagert oder (auch) Parkfelder an Wohnmobilbesitzer vermietet werden sollen, ist unklar, da der Bauherr sich derzeit nicht zum Projekt äussern will.

Standplätze für Wohnmobile sind gesucht, zumal die meisten ausserhalb der Ferien nicht auf normalen Autoparkfeldern abgestellt bleiben können. Ganz besonders begehrt sind gedeckte Unterstände. So sehen sich Garagen und Autowerkstätten regelmässig mit Anfragen von Wohnmobilbesitzern konfrontiert. «Bei uns rufen immer wieder Leute auf der Suche nach einem Standplatz für ihr Wohnmobil an», sagt zum Beispiel Daniel Fernandez von der gleichnamigen Garage in Obergösgen. «Wir können höchstens fünf Camper bei uns unterbringen und die Standplätze befinden sich unter freiem Himmel.»

Umweltschutz kritisiert Platzverschwendung durch ungenutzte Wohnmobile

Die tote Zeit, in der Wohnmobile ungenutzt herumstehen, ist Umweltschützern ein Dorn im Auge. Besonders die Tatsache, dass die Fahrzeuge oft auf versiegeltem Boden und eingeschossig gelagert werden, sorgt für Kritik. Dazu schreibt Elena Strozzi, Raumplanungsexpertin von Pro Natura: «Ein Wohnmobil (oder irgendein Fahrzeug) zu kaufen, das man nur zweimal im Jahr braucht, ist aus ökologischen und ökonomischen Aspekten absurd. Eine effiziente Lagerung in dem Sinn gibt es daher nicht.»

Wohnwagen und Camper werden oft auf befestigten Parkflächen gelagert. Gut für die Fahrzeuge, verschwenderisch beim Boden.

Allerdings kann die Nutzung gemäss Strozzi effizienter und naturverträglicher gestaltet werden, indem man ein Wohnmobil mietet oder teilt, statt es zu kaufen. Denn, so Strozzi, «der Boden ist eine limitierte Ressource, mit der man äusserst sparsam umgehen muss». Grundsätzlich, betont die Pro Natura-Sprecherin, sei es zu begrüssen, dass die Leute ihre Ferien in der Natur und in der näheren Umgebung verbringen.

Eine Liste von Wohnmobilvermietern gibt es bei Caravaning Suisse. Im Kanton Solothurn sind drei Firmen Teil dieses Netzwerks. Eine davon ist Moby Campers in Lohn-Ammannsegg, die neben der Vermietung Campingcars verkauft und repariert. Auch hier wurde eine «merkliche Zunahme» der Nachfrage registriert. «Inzwischen fragen die Leute sogar schon für den Frühling 2023 an», sagt Geschäftsführer Robert Walker.

Im Sommer dieses Jahres allerdings hätten Wetter und Pandemie sich quasi verbündet, um die Campingferien zu vermiesen. Regen und Hochwasser haben die Freizeitgestaltung erschwert. Durch die Unsicherheiten im Ausland seien viele Leute, die sonst mit dem Wohnmobil durch Europa touren, in der Schweiz geblieben, sodass auf den Campingplätzen kaum mehr Platz für Kurzentschlossene war, sagt Walker. Überhaupt lasse sich seit diesem Jahr ein Trend feststellen, das Wohnmobil einmal gekauft, stationär zu nutzen und nicht damit zu reisen. Eine Beobachtung, die Wohnmobilhändler Jägers teilt. Ihm fällt schon seit längerem auf, dass zunehmend Wohnmobile an Standplätzen installiert werden und dort permanent bleiben.

Aufschwung auf den Campingplätzen

Von diesem Trend profitieren Campingplätze, die Standplätze in Dauermiete vergeben. Exemplarisch zeigt sich das beim Caravan Camping Club Grenchen (CCCG) im bernischen Romont, der noch vor zwei Jahren mit Nachwuchsproblemen kämpfte. «Inzwischen haben wir bei der Dauermiete nur noch fünf freie Plätze», freut sich Vereinspräsident Manfred Richard.

Der Campingplatz des CCCG im bernischen Romont.

Auch beim TCS Camping Solothurn hat die Nachfrage kräftig angezogen, wie Campingleiter Christoph Burgherr mitteilt. Während 2019 die Zahl der Logiernächte mit 26’741 zu Buche schlug, sind es heuer per Ende Oktober schon 43’258. Bis Ende Jahr rechnet Burgherr mit wenigstens 48’000. Er schreibt: «Wir unterscheiden nicht zwischen Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil. Aber die Anzahl der Wohnmobile und Campervans hat natürlich in den letzten Jahren sehr stark zugenommen.» Einen weiteren Wachstumsschub hätten die verschiedenen Mietunterkünfte (Glamping) erlebt. Zelte seien in etwa stabil geblieben.