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Stille Nacht, einsame Nacht? Absagen von Weihnachtsessen werden immer zahlreicher – so handhaben es Aargauer Unternehmen

Die Fallzahlen steigen und mit ihnen die Unsicherheit. Wie geht es weiter? Wann werden die Massnahmen verschärft, der Alltag eingeschränkt, die Kontakte unterbunden? Diese Fragen stehen im Raum und Weihnachten vor der Tür. Die Zeit der Besinnlichkeit und der Feierlichkeiten.

Vor Corona da war allen klar: Ab Ende November da kommt die Zeit der Weihnachtsessen. Die Beizen, Restaurants und Gourmet-Tempel sind fast täglich ausgebucht. Doch wie sieht es jetzt aus, im Jahr 2021, im zweiten Corona-Winter? Wir haben nachgefragt. Bei Aargauer Unternehmern, dem Kanton selbst, aber auch bei den Gastronomen.

Die Migros Aare ist einer der grössten Arbeitgeber im Kanton und hat eine klare Position. Mediensprecherin Andrea Bauer sagt:

«Die Geschäftsleitung und der Krisenstab haben dieses Jahr aufgrund der nach wie vor fragilen Lage beschlossen, auf grössere Weihnachtsessen zu verzichten.»

Normalerweise wird beim Betrieb mit rund 12’000 Mitarbeitenden in den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn in den einzelnen Bereichen, Filialen oder Teams gefeiert. 20 bis 100 Personen pro Feierlichkeit, was gerade in den Filialen auch mal ein Weihnachtszmorge sein kann. Aber 2021 wird nicht gefeiert, das Budget wird aufs nächste Jahr verschoben, in der Hoffnung, dass dann «ein etwas grösseres Fest» stattfinden kann.

Weihnachtsessen abgesagt, aber einige haben einen Alternativanlass

Ganz anders tönts beim anderen grossen Detailhändler. Bei Coop wird Weihnachten gefeiert. Mediensprecherin Rebecca Veiga: «Aufgrund der bestehenden Infektionslage werden die Weihnachtsessen aber als 3G-Anlässe durchgeführt.» Wie vom Bund vorgeschrieben, also mit Zertifikatspflicht. Nur Geimpfte, Genesene und Getestete können dabei sein.

Christoph Wyder in seinem Geschäft in Oberentfelden. 

Andere, wie zum Beispiel die Wyder Gartenbau AG aus Oberentfelden, sagen das traditionelle Weihnachtsessen zwar ab, haben aber ein Alternativprogramm. Geschäftsleitungsmitglied und Verwaltungsrat Christoph Wyder sagt: «Wir haben einen Outdoor-Anlass zum Jahresabschluss geplant, zeitlich reduziert und mit genügend Abstand.»

Ähnlich tönt es in Zofingen bei Siegfried. «Wir verzichten auf Abteilungsessen und organisieren eine zentrale Weihnachtsfeier, die zum grossen Teil im Freien stattfindet, unter strikter Einhaltung der 3G-Regel», sagt Peter Gehler, VR-Vizepräsident beim Chemiezulieferer.

Viele delegieren die Verantwortung gutschweizerisch in die Peripherie

Vielerorts wird die Verantwortung auch in die Peripherie delegiert. Gut schweizerisch, fast schon föderalistisch. So sagt zum Beispiel Roland Teuscher, Mediensprecher im kantonalen Finanzdepartement, über die Praxis bei der kantonalen Verwaltung: «Die Entscheidung, ob ein Weihnachtsessen durchgeführt werden kann, obliegt den einzelnen Organisationseinheiten und Teams.» Natürlich bedingt dies, dass Veranstaltungen mit über 30 Personen in einem Innenraum nur unter Zertifikatspflicht stattfinden können.

Ganz ähnlich tönt es auch bei der Aargauischen Kantonalbank (AKB). Mediensprecher Daniel Fuhrer sagt: «Unter Einhaltung der BAG-Vorschriften und mit Zertifikatspflicht bleiben Weihnachtsessen auf Teamstufe vorerst erlaubt.» Die Credit Suisse handhabt das ähnlich, nicht nur im Aargau, sondern schweizweit. Man berücksichtige zudem die regionale Situation bei der Beurteilung, so Mediensprecher Ronnie Petermann.

Auch bei der UBS können dieses Jahr unter Einhaltung der Massnahmen von Bund und Behörden in den Teams wieder Weihnachtsessen stattfinden, wie Igor Moser sagt. Die Bank stelle einen entsprechenden Betrag pro Mitarbeitenden zur Verfügung.

Durchführen, verschieben, absagen und dafür Gutscheine verteilen

Was das konkret bedeuten kann, zeigt sich am Beispiel der Raiffeisen, noch immer die Bank mit den meisten Geschäftsstellen im Kanton Aargau (rund 70). Das Spektrum reicht von «bereits durchgeführt mit eher magerer Teilnehmenden-Quote» bis «verschoben auf das Frühjahr» hin zu «Gutscheine verteilt für individuelle Restaurantbesuche» und «Weihnachtsessen geplant, aber in kleinen Gruppen», wie Christoph Wyder erzählt, der auch Präsident des Aargauer Verbandes der Raiffeisenbanken ist. Auch die Variante «normale Durchführung geplant als 3G-Anlass» sei genannt worden.

Adrian Schoop will unbedingt am Weihnachtsessen festhalten. 

Nicht auf ein Weihnachtsessen verzichten will Adrian Schoop, FDP-Grossrat und Bauunternehmer. «Wir mussten letztes Jahr gezwungenermassen aussetzen. Dieses Jahr feiern wir wieder. Das Fest ist auch wirklich sehr gewünscht von den Mitarbeitenden», sagt er. Er rechnet mit rund 120 von 200 Mitarbeitenden. Denn während früher auch noch die Partnerinnen und Partner der Mitarbeitenden eingeladen waren, wird es dieser Jahr ein exklusives Fest für Mitarbeitende. Mit Zertifikatspflicht, natürlich. Der CEO sagt:

«Wir zahlen allen einen Test, die nicht geimpft sind.»

Auch Franziska Weibel, Inhaberin des gleichnamigen Coiffeur-Geschäfts in Turgi feiert dieses Jahr mit ihren acht Angestellten. «Wir gehen ins Restaurant zusammen essen», sagt Weibel. Natürlich unter Einhaltung der geltenden Vorschriften. Aber natürlich merke auch sie, dass der Zeit die Unsicherheit wieder wachse.

Gastronomen berichten von vermehrten Absagen

Das kriegen die Gastronomen zu spüren. Bruno Lustenberger, Präsident von Gastro Aargau, sagt: «Die Lage ist so unsicher, dass wir wieder vermehrt Absagen von Weihnachtsessen erhalten.» Das habe schon letzte Woche angefangen und sich diese Woche vorgesetzt. Eine klare Aussage, wie viel Prozent nun schon abgesagt hätten, sei nicht möglich.

Bruno Lustenberger, Präsident des Branchenverbands Gastro Aargau, berichtet von immer mehr Absagen von Weihnachtsessen. 

Aber die Angst vor weiteren Absagen ist unter Gastronomen gross. Und sie geht sogar noch weiter: «Viele unserer Mitglieder fürchten, dass wir in die gleiche Sackgasse laufen wie letztes Jahr», bringt Lustenberger die Ängste der Gastronomen auf den Punkt. Lockdown für Gastronomie, Bars und Klubs, das ist das Schreckgespenst, das derzeit durch die Gaststuben geistert.

Und das zu einer Zeit, die gerade für die Betriebe im Mittelland zu den wichtigsten Jahresabschnitten überhaupt gehört. Oder wie Lustenberger sagt: «Für uns Gastronomen im Aargau, aber auch in Solothurn sind die Weihnachtstage essenziell. Wir leben von den Weihnachtsessen.» Das nun schon im zweiten Jahre in Folge Ausfälle drohen, wird Lücken in die Budgets der Gastronomen reissen.