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Solothurner Schlendrian beim Booster? Gesundheitspolitikerin übt Kritik – und fordert Impfung in jeder Apotheke und Arztpraxis

Seit Anfang Woche wird in Altersheimen, Arztpraxen, Apotheken und den beiden Impfzentren geboostet. Rund 5000 Drittimpfungen wurden bisher verabreicht. Einigen geht das nicht schnell genug. Der Grund: Wer boosten will, muss aufgrund der grossen Nachfrage Wartezeiten in Kauf nehmen. Eine Stichprobe am Freitagmorgen zeigte: Der nächste freie Termin im Impfzentrum Trimbach ist am 24. November, in Selzach am 16. Dezember, also in einem Monat.

Stephanie Ritschard, Kantonsrätin SVP.

Der Grund: Das Impfpersonal ist knapp. Im Moment sind mobile Impfteams in den Altersheimen unterwegs. Dieses Personal fehlt in den Impfzen­tren, um dort mehr Termine anbieten zu können. Das könne doch nicht sein, findet SVP-Gesundheitspolitikerin Stephanie Ritschard.

«Man wusste, dass der Booster kommen wird. Der Kanton hat es komplett verschlafen, sich darauf vorzubereiten.»

Was sie besonders stört: Das sei kein neues Phänomen. Bei jeder neuen Entwicklung sei der Kanton überfordert, jedes Mal brauche es eine «Hauruckübung», eine klare, übergeordnete Strategie fehle.

Barbara Wyss Flück, Kantonsrätin Grüne.

Mit dieser Kritik-Breitseite steht Ritschard allerdings ziemlich alleine da. Von Gesundheitspolitikerinnen und -politikern von links bis in die Mitte wird viel Verständnis für den Kanton geäussert. Es sei eine herausfordernde Situation, auch mehr Personal zu finden, sei sicher nicht einfach. Und man spüre die Bereitschaft, eine möglichst hohe Impfquote und einen möglichst niederschwelligen Zugang zur Impfung zu erreichen. Barbara Wyss Flück (Grüne):

«Man muss das den Fachleuten überlassen. Ich habe Vertrauen, dass sie ihren Job gut machen.»

Und: Die Booster-Impfungen sind gerade erst angelaufen. Es brauche jetzt weniger Kritik, sondern etwas mehr Gelassenheit: «Es ist klar, dass sich nicht alle am ersten Tag impfen lassen können.»

Anmeldung ist für Senioren anspruchsvoll

Eine ältere Frau, über 80, aus Oekingen, rief auf der Redaktion an. Furchtbar sei das alles, ganz furchtbar. Sie wolle ja boosten. Aber sie habe kein Internet, wisse nicht wie und wo sie sich anmelden könne. Und dieses Selz­ach, wie sie denn bitte dahinkommen solle.

Dieses Problem ist nicht neu. Die Anmeldung kann, gerade für ältere Leute, anspruchsvoll sein. Das ist ein weiterer Kritikpunkt von Ritschard. Das ganze Anmeldeverfahren sei nicht kundenfreundlich, egal ob fürs Impfen oder fürs Testen. Und: Es brauche Impfzentren in den grossen Zentren, in Solothurn und Olten zum Beispiel.

Christian Ginsig, Kantonsrat GLP.

Auch mit diesem Kritikpunkt steht sie alleine da. Zumindest der Standort Trimbach sei sehr gut gelegen, sagt Christian Ginsig (GLP):

«Ob man jetzt vom Bahnhof Olten aus mit dem Quartierbus zur Stadthalle oder an den neuen Standort Trimbach fährt, spielt keine Rolle.»

Und auch wenn die Anmeldung für ältere Leute schwierig sein könne, es gebe Lösungen. Sei es mit Unterstützung der Familie, des Hausarztes, der Gemeinde oder des Rotkreuz-Fahrdienstes. In einem Kritikpunkt gibt er Ritschard allerdings recht: Die Impfung müsse, wenn immer möglich, noch niederschwelliger angeboten werden.

Nebst den beiden Impfzentren tun dies im Moment 24 Arztpraxen und 14 Apotheken. Das sind bei weitem nicht alle. Ritschard:

«Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, dass jede Apotheke, jede Arztpraxis und jedes Altersheim mit seinen Fachkräften die Impfung anbieten.»

Würde man all diese Fachkräfte einbeziehen, hätte man auch keine Engpässe, so Ritschard.

Soll der Kanton mehr Geld in die Finger nehmen?

Impfen in jeder Arztpraxis und Apotheke? «Eine solche Forderung würde ich klar unterstützen», sagt GLP-Mann Ginsig. Dass das noch nicht passiert ist, hat auch mit Geld zu tun. Die Impfung anzubieten, bedeutet Aufwand für die Betriebe. Und die finanzielle Entschädigung deckte bisher gerade so die Kosten. Es gab auch schon Stimmen, die sagten, nicht einmal das. Um jede Praxis und jede Apotheke dazu zu bringen, die Impfung anzubieten, müsste der Kanton Geld in die Finger nehmen.

Doch das würde sich lohnen, ist Ginsig überzeugt: «Jeder Franken, der in die Prävention gesteckt wird, ist gut investiert.» Denn: Die finanziellen Schäden seien ein Vielfaches höher. Sei es, weil Wirtschaft und Handel unter den Corona-Massnahmen leiden. Sei es, weil die vielen Spitaleintritte die Gesundheitskosten in die Höhe treiben.