Fröhliches Selbsterschiessungskommando

Nach guten Nachrichten muss man bisweilen richtiggehend suchen. Ich habe eine gefunden: 127 Selfie-Tote wurden zwischen März 2014 und Ende 2016 registriert. Da kommt Hoffnung auf!

Als ich das Wort  «Selfie» zum ersten Mal hörte, hielt ich es für einen modernen Ausdruck für Selbstbefriedigung. Dann lernte ich, dass es sich dabei um eine besonders idiotische Form des Selbstportraits handelt. Mittlerweile denke ich: So falsch war meine ursprüngliche Deutung eigentlich nicht.
Im Gegenteil: es scheint mir, dass manche Menschen unglücklicher über den Verlust ihres Handys als über den Verlust ihrer primären Geschlechtsteile wären. Am Handy lässt sich nämlich viel ausdauernder rumspielen als an den einschlägigen Körperteilen. Im Handy ist zudem eine Kamera integriert, mit der sich alles fotografieren lässt, was niemanden interessiert: Das Frühstück, der Regenbogen vor dem Bürofenster, das Mittagessen, die Hagelkörner auf dem Balkon, der C-Promi im McDonalds, die Herbstblätter auf dem Waldboden, das neue Motorrad, die alte Kirche, das frisch gezapfte Bier. Das alles wäre ja noch einigermassen erträglich, aber leider ist das Lieblingssujet der allermeisten ihre eigene Visage.
Die «schaut-her-das-bin-ICH!»-Bilder lassen sich zwei Kategorien zuordnen: Die «Ich-vor-dem-Weissichnichtwas»-Bilder und die simplen «Bin-ich-nicht-geil?»-Bilder. Letztere Kategorie unterscheidet sich wenig von klassischer Masturbation: so sehr man sich auch anstrengt, das Resultat ist immer dasselbe. Trotzdem versucht man es jeden Tag aufs Neue. Sinnlos, aber gesundheitlich völlig unbedenklich! Die «Ich-vor-dem-Weissichnichtwas»-Bilder hingegen, die sind lebensgefährlich. Gefahr Nummer eins: Abgründe im Rücken der Selfisten, in die sie auf der Suche nach der geilsten Perspektive stürzen. Nummer zwei: Wasser hinter den Selfisten, in dem sie auf der Suche nach der geilsten Perspektive ertrinken. Drittens: Züge, die von hinten anrollen und das Selfie zum Killfie werden lassen. Ist es nicht bemerkenswert, dass Menschen ihr Leben riskieren, um der Welt… ja was eigentlich genau zu zeigen?
Andere Frage: Wissen Sie, weshalb sich Indianer und andere Völker mit animistischem Weltbild im vorletzten Jahrhundert nicht fotografieren lassen wollten? Sie befürchteten, die Kamera würde ihre Seele rauben. Heute wissen wir: es nicht die Seele, die von der Kamera aufgefressen wird, es ist das Hirn!
Naive Leute wie ich überlegen nun, ob und wie man die Totalverblödung der Menschheit aufhalten könnte. Clevere Leute sehen das ganz anders: Machen wir doch das Phone smarter und lassen die Deppen endgültig verblöden, denn Deppen kann man jeden Mist verkaufen.
Ich zitiere aus der «Macwelt»: Eine App könnte tödliche Selfies verhindern, indem sie gefährliche Situationen erkennt und den Fotografen rechtzeitig warnt. Eine App könnte mit Hilfe ihrer Sensoren, mit Bildanalyse und GPS-Daten zum Beispiel erkennen, dass sich der Fotograf auf einen Abgrund zubewegt und Alarm schlagen. Und gegebenenfalls sogar die Kamera abschalten.

 

Na dann, weiterhin gut Schuss!