Keine Arbeit angenommen: Stefan Sieboth zeigt den Ausstellungsmachern den Stinkefinger
Die alternierend in Solothurn und Olten stattfindende Jahresausstellung der Solothurner Künstlerinnen und Künstler, früher Weihnachtsausstellung genannt, bietet jeweils einen breiten Überblick über das vielfältige Kulturschaffen im Kanton. Eine bekannte Grösse fehlte an der Vernissage zur 37. Jahresausstellung am vergangenen Freitag im Kunstmuseum Olten: Der Derendinger Architekt und Künstler Stefan Sieboth nahm nicht daran teil und schaltete stattdessen ein Inserat im «Oltner Tagblatt» mit Grüssen an die Jury, welche die Werke für die diesjährige Jahresausstellung ausgewählt hat.
Nicht weil es ihm mit seinen nun doch schon 85 Jahren zu mühsam gewesen wäre, fuhr Sieboth nicht nach Olten. Seine Absenz und der Gruss an die Jury waren vielmehr Ausdruck des Protests.
«Eine neue Form des feinen Protests»
Wer den QR-Code auf dem Inserat scannt, bekommt den Stinkefinger gezeigt, in der Form der Glasskulptur «Study of Perspective» des chinesischen Künstlers und Regimekritikers Ai Weiwei, Im Hamburger «Zeit Shop» übrigens für 9500 Euro zu erstehen. Was haben die Verantwortlichen des Kunstvereins denn falsch gemacht, dass sie aus Derendingen den Stinkefinger – doch eine sehr deftige Geste – gezeigt bekommen? Nun, ganz einfach: Stefan Sieboth war einer der fast 200 Kunstschaffenden, die ihre Werke für die Jahresausstellung eingereicht hatten – und wurde abgewiesen. Und das hat ihn halt einfach etwas muff gemacht.
Drei Chromnickelstahl-Skulpturen hat er für die Jahresausstellung eingereicht, hätte man nur für eine einen Platz gefunden «hätte ich das Inserat sicher nicht gemacht», sagt Sieboth. Seine Aktion mit dem QR-Code-Inserat nennt er «eine neue Form des feinen Protests». Und dabei klingt eher Schalk als Verbitterung aus seiner Stimme, ihm habe die Aktion Freude gemacht, sagt er. Geholfen hat ihm dabei der befreundete typografische Gestalter Bruno Breiter aus Solothurn.
Eine feste Grösse in der Solothurner Kunstszene
Sieboth will das Konzept der Jahresausstellung oder die Arbeit der Jury denn auch nicht grundsätzlich kritisieren beziehungsweise in Frage stellen. Dass eine Auswahl getroffen werden muss, sei ihm klar. Die Ausstellung beliebig zu vergrössern, um weniger Eingaben ablehnen müssen, wäre wahrscheinlich nicht die richtige Lösung, findet er. Nur: Die Jahresausstellung ist nicht als reine Nachwuchsplattform konzipiert, es sind dort jeweils auch Werke arrivierter Künstlerinnen und Künstler zu sehen, die Auswahl soll einen Überblick über das hiesige Kunstschaffen geben, einen Querschnitt zeigen. Und da, so selbstbewusst ist Stefan Sieboth dann schon, sollte für einen wie ihn doch eigentlich schon auch ein Platz sein.
2018 hat der Regierungsrat sein jahrzehntelanges Schaffen mit der Verleihung des Kunstpreises gewürdigt, fast 10 Jahre lang war er selbst Mitglied des Kuratoriums für Kulturförderung und leitete den Fachausschuss bildende Kunst und Architektur. Stefan Sieboth ist also definitiv eine feste Grösse, wenn vom Solothurner Kunstschaffen die Rede ist.
Das gebe ihm keinen Freipass, sagt er selber. Aber da er nun schon zum wiederholten Mal bei den Machern der Jahresausstellung abgeblitzt ist, beschleicht ihn halt doch das Gefühl, das habe vielleicht eher mit gewissen Ressentiments als mit profunder fachlicher Beurteilung zu tun. Und dafür, das sagt er auch aus der Erfahrung als langjähriges Kuratorium-Mitglied, sollte bei der Auswahl der Werke für eine Jahresausstellung kein Platz sein. «Wenn man mit einer bestimmten Form des künstlerischen Ausdrucks Mühe hat, sollte man sich nicht in eine Jury wählen lassen», kritisiert er. Anfechtbar seien Jury-Entscheide natürlich nicht, das sei wie bei Schiedsrichterentscheiden im Fussball. Aber dort gebe es ja auch den Videobeweis, meint Sieboth dann schon wieder schmunzelnd.