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Politiker sehen sich in ihrer Arbeit bestätigt – Initiant fordert Wiederholung der Abstimmung

Im Grundsatz konnte die Justiz-Initiative im Abstimmungskampf aus verschiedensten Kreisen auf Wohlwollen zählen. Am Ende hat ihr dies an der Urne jedoch wenig genützt. Das Stimmvolk verwarf die Vorlage am Ende mit 68,1 Prozent. Damit werden Bundesrichterinnen und Bundesrichter auch künftig durch das Parlament gewählt werden und nicht per Los ernannt. Die Stimmbeteiligung lag bei 64,7 Prozent.

Erfreut über den Ausgang der Abstimmung zeigte sich am Sonntag Justizministerin Karin Keller-Sutter. «Damit bleibt die verfassungsmässige Ordnung von 1848 gewahrt», sagte sie vor den Medien in Bern. Das Abstimmungsresultat zeige aber auch, dass das Vertrauen in das Bundesgericht bei den Stimmberechtigten hoch sei. Trotzdem heisse das deutliche Ja nicht, dass das System perfekt sei. Keller-Sutter erinnerte etwa daran, dass die Diskussion über Mandatsabgaben von Richtern an ihre Parteien bald im Parlament Thema wird. Dort ist ein entsprechender Vorstoss von FDP-Fraktionspräsident Beat Walti hängig.

Auf der Siegerseite hat Barbara Steinemann diesen «deutlichen Volksentscheid» erwartet. «Wir haben in der Schweiz eine lange demokratische Tradition, auch bei Richterwahlen», sagt die Zürcher SVP-Nationalrätin auf Anfrage von CH Media. Dass das bisherige System funktioniere, zeige allein schon die Tatsache, dass unterlegene Parteien Gerichtsurteile in der Regel akzeptieren würden. Der im Abstimmungskampf geäusserte Mauschelei-Vorwurf der Befürworter sei darum «eine Verschwörungstheorie», die zum Glück nun beim Volk nicht verfangen habe.

Verlierer spricht von erneuter Abstimmung

Matthias Aebischer (SP/BE) wiederum wertet das deutliche Volks-Nein als «Rückenstärkung» für das aktuelle System. Dieser Ausgang sei im Vorfeld allerdings nicht zwingend zu erwarten gewesen, sagt der künftige Präsident der Gerichtskommission des Parlaments und verweist auf den laut Umfragen lange Zeit hohe Anteil Unentschlossener. «Am Ende hat die Bevölkerung diese komplexe Vorlage aber offenbar verstanden und stützt mit dem deutlichen Ja auch die bisherige Arbeit von uns Politikern.»

Den Volksentscheid nicht akzeptieren will dagegen Adrian Gasser. Wie der Initiant und Financier der Initiative und des Abstimmungskampfes in einem am Sonntag auf Twitter veröffentlichten Video erklärt, habe die Vorlage im Abstimmungskampf nicht genügend diskutiert werden können. «Wir werden die Abstimmung nun einfach nochmals wiederholen», sagt Gasser in der Videobotschaft. Wie er dies bewerkstelligen will – zum Beispiel mit einer Abstimmungsbeschwerde – sagt Gasser jedoch nicht.

Adrian Gasser kritisiert in dem Video, von der letzten Abstimmung im vergangenen Juni bis zum Versand des Abstimmungsbüchleins seien lediglich 33 Tagen vergangen. Zudem hätten Radio und Fernsehen SRF im Abstimmungskampf «alles unternommen, dass das Volk nicht informiert ist». Die wichtige Frage der Gewaltentrennung und der unabhängigen Richter habe darum gar nicht diskutiert werden können. «Wäre das Volk richtig informiert worden, hätten wir die Abstimmung gewonnen», sagt Gasser.

Kommt neue Justiz-Initiative?

Für Politologe Lukas Golder entspricht das Abstimmungsergebnis vom Sonntag dem «typischen Absturz» einer Volksinitiative. Trotz «grundsätzlicher Sympathien» für das Anliegen zu Beginn der Kampagne habe das Stimmvolk der Vorlage mit zunehmender Debatte die Unterstützung versagt, analysierte der Co-Leiter des Umfrageinstituts gfs.bern im Fernsehen SRF.

Dominique Strebel, Chefredaktor der Zeitschrift «Beobachter» und Befürworter der Justiz-Initiative, forderte nach verlorener Abstimmung nun trotz allem Reformen des Schweizer Justizsystems. Namentlich solle das Parlament die Mandatssteuern an Parteien und festen Amtsdauern für Bundesrichterinnen und Bundesrichter nun abschaffen. Notfalls drohte Strebel am Sonntag auf Twitter gar mit einer neuen Volksinitiative:

Bundesrat, Parlament und Parteien als Sieger

Gegen die Justiz-Initiative ausgesprochen haben sich im Abstimmungskampf der Bundesrat, das Parlament und alle Parteien. Das aktuelle System habe sich bewährt, argumentierten sie. Die Wahl durch die Bundesversammlung verleihe Bundesrichtern eine echte demokratische Legitimation. Während Parlamentarier und Parteien bei einer Annahme der Initiative vor einer «Lotterie» warnten, erachtete der Bundesrat einen möglichen Wechsel am Bundesgericht als systemfremd.

Hinter der Volksinitiative steht der Zuger Unternehmer Adrian Gasser. Mit dabei im Komitee sind unter anderem sein gleichnamiger Sohn sowie sein Neffe. Der Multimillionär finanzierte die Initiative und den Abstimmungskampf laut früheren Aussagen aus der eigenen Tasche. Sie wurde im August 2019 mit 130’100 gültigen Unterschriften eingereicht.