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Eingebürgerter Bellacher wehrt sich erfolgreich gegen rückwirkende Militärsteuer

Wer sich nach dem 25. Geburtstag einbürgern lässt, wird nicht mehr für den Militärdienst rekrutiert, muss aber eine Wehrpflichtersatzabgabe bezahlen. Bis 2019 war man bis zum 30. Altersjahr ersatzabgabepflichtig, dann wurde das Gesetz geändert und die Ersatzabgabe muss man nun maximal elf Jahre zahlen, längstens bis zum Alter von 37.

Ein heute 40-Jähriger aus Bellach hat sich aber nun (vorerst) erfolgreich dagegen gewehrt, dass der Staat rückwirkend kassieren wollte. Der Fall dürfte allerdings noch vor dem Bundesgericht landen.

Plötzlich eine Rechnung über 6600 Franken

Kurtis Wheeler, geboren im August 1981, wanderte mit 23 Jahren aus den USA in die Schweiz aus, er lebt mit seiner Familie in Bellach. 2013, also mit 32 Jahren, wurde er eingebürgert. Somit hatte er nie Militärdienst und auch nie Wehrpflichtersatz zu leisten.

Letztes Jahr erhielt er dann aber Post von der Solothurner Wehrpflichtersatzverwaltung, welche die Abgaben im Auftrag der eidgenössischen Steuerverwaltung eintreibt. Satte 6612 Franken sollte er nun plötzlich für das Jahr 2018 bezahlen, denn auf den 1. Januar 2019 trat die Gesetzesänderung mit der ausgedehnten Ersatzabgabepflicht in Kraft.

Und die Behörden stellten sich auf den Standpunkt, dass sich erst nach Ablauf eines Kalenderjahres zeige, ob jemand seine Dienstpflicht erfüllt hat und somit auch erst im Folgejahr über eine mögliche Ersatzpflicht im Vorjahr entschieden werden kann. Daher die Forderung gegenüber dem Bellacher, der erst 2018 die neue Altersgrenze erreichte. Die neuen ersatzrechtlichen Bestimmungen kämen erstmals im Veranlagungsjahr 2019 für das vorangegangene Ersatzjahr 2018 zum Tragen. Zulässige unechte Rückwirkung nennt sich das.

Diese politisch wie juristisch umstrittene Auslegung der neuen Bestimmungen wollte sich Kurtis Wheeler nicht bieten lassen. Für ihn stand fest, dass man da in unzulässiger Weise rückwirkend Geld von ihm verlangt. Und zwar viel Geld. Weit über 6000 Franken Wehrpflichtersatzabgabe, das entspricht einem Einkommen von deutlich über 200’000 Franken. «So viel verdiene ich aber nicht», sagt Kurtis Wheeler. Im Jahr 2018 habe er Geld aus der dritten Säule vorbezogen, fast 100’000 Franken. Damals habe er nicht wissen können, was für Forderungen da nachträglich auf ihn zukommen würden.

Er zog vor das Solothurner Steuergericht und bekam nun recht: Er schuldet für das Jahr 2018 keine Wehrpflichtersatzabgabe, so das Urteil. Das Steuergericht stützt sich dabei auf einen sehr ähnlich gelagerten Fall im Kanton St. Gallen. Die dortige Verwaltungsrekurskommission war im Mai 2020 zum Schluss gekommen, dass es im 2019 geänderten Recht keine Bestimmungen gibt, wonach Personen, die ihre Dienst- beziehungsweise Abgabepflicht nach bisherigem Recht erfüllt haben und beim Inkrafttreten der neuen Normen noch nicht 37 Jahre alt waren, neu wieder dienst- oder abgabepflichtig werden. Ohne eine entsprechende ausdrückliche Bestimmung sei eine Rückwirkung nicht zulässig.

Das letzte Wort dürfte das Bundesgericht haben

Gegen den St. Galler Entscheid zog die eidgenössische Steuerverwaltung zwar vor Bundesgericht, das aber wegen eines Formfehlers gar nicht auf die Beschwerde eingetreten ist. Somit könnte nun der Solothurner Fall zum Präzedenzfall werden. Ob das Urteil des Steuergerichts an das Bundesgericht weiter gezogen wird, stehe noch nicht fest, sagt Luis Fonseca, Leiter Wehrpflichtersatzabgabe im Amt für Militär und Bevölkerungsschutz. Er gehe aber eigentlich schon davon aus.

Keine Auskunft gibt es bei der Wehrpflichtersatzverwaltung darüber, wie viele gleich gelagerte Fälle wie den von Kurtis Wheeler es im Kanton Solothurn gibt. Das werde nicht erfasst.

Pendent ist das Thema auch beim eidgenössischen Parlament. Es ist eine Motion des inzwischen aus dem Nationalrat ausgeschiedenen Walliser SP-Vertreters Mathias Reynard hängig, die eine Klarstellung verlangt, dass die Gesetzesänderung von 2019 nicht für vor 1989 geborene Bürger gilt, die 2019 bereits von der Wehrpflichtersatzabgabe befreit waren.

Für das Anliegen setzt sich auch die Solothurner SP-Nationalrätin Franziska Roth ein. Die rückwirkende Anwendung des neuen Rechts sei «eines Rechtsstaates nicht würdig», kritisiert sie. Zudem sei die Regelung auch diskriminierend, denn: Da man in seinen Dreissigern in der Regel deutlich mehr verdient als mit 20, müssten nun vielleicht viele Secondos wegen der hohen Militärpflichtersatzgabe aus finanziellen Gründen mit der Einbürgerung zuwarten und könnten so ihre demokratischen Grundrechte nicht ausüben.