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Auslastung im Kanton Solothurn: Tiefe Passagierzahlen erschweren den ÖV-Anbietern das Geschäft

Die Schweiz, ein Volk von Pendlern. Das war einmal. 2020 brach die Auslastung im öffentlichen Verkehr zusammen. Im Sommer 2020 setzte zwar eine Erholung ein. Doch aktuell liegt die Belegung der SBB-Züge noch immer fast 30 Prozent unter jener von vor der Coronakrise.

Allerdings stiegen die Passagierzahlen primär im Regionalverkehr. Die Züge der SBB füllen sich zäher: Den Bundesbahnen fehlten immer mindestens 20 Prozent zur Vor-Corona-Auslastung, meist über 30 Prozent. Gemessen in Personenkilometern war die Nachfrage im Oktober dieses Jahres 27,2 Prozent tiefer als im Oktober 2019 und 21,1 Prozent höher als im Oktober 2020.

Die Auslastung der SBB-Züge lag im Oktober 2021 gut 27 Prozent unter jener von 2019, aber immerhin gut 21 Prozent über jener von 2020.

Dabei erholte sich der regionale ÖV etwas schneller, nicht nur bei der SBB. Bei Bernmobil oder den Zürcher Verkehrsbetrieben erreicht die Auslastung mittlerweile 85 Prozent. In den Verkehrsmitteln der Aare Seeland mobil in der Region Solothurn sind noch etwas mehr Sitzplätze frei: Im dritten Quartal 2021 lag die Auslastung im Vergleich zum Zeitraum 2019 bei 80 Prozent.

Während Lockdown und Homeoffice-Pflicht sei der Rückgang der Fahrgäste stark spürbar gewesen, sagt asmobil. 2020 sei ein Viertel der Fahrgäste weggefallen. Aktuell zeige sich sowohl beim Bus- wie beim Zugangebot ein «Trend zur Erholung».

Die Aare Seeland mobil AG bietet verschiedene Zug- und Busangebote in den Kantonen Solothurn und Bern an, unter anderem das Bipper-Lisi.

Mehr Freizeitpendler, weniger Berufspendler

Deutlicher war der Einbruch beim Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS): Die Fahrgastzahlen gingen 2020 insgesamt um über 30 Prozent zurück, in der ersten Hälfte 2021 benutzten 39 Prozent weniger Fahrgäste die RBS-Angebote als 2019. «Im zweiten Halbjahr 2021 sind die Fahrgastzahlen jetzt wieder etwas angestiegen», so RBS auf Anfrage. Derzeit fehlen noch etwa 20 Prozent.

Generell sei der Rückgang in den Stosszeiten grösser gewesen. Manche Pendlerinnen hätten wohl die Hauptverkehrszeiten gemieden, vermutet RBS. «Der Bund empfiehlt das Homeoffice weiterhin und längerfristig arbeiten wohl viele Büroangestellte zumindest tagweise von zu Hause. Das zeigt sich eben auch darin, dass sich der Freizeitverkehr rascher erholt als der Pendlerverkehr.»

RBS-Zug zwischen Bern und Solothurn.

«Beim RBS liegen die Verkehrserträge der ersten 9 Monate 2021 insgesamt immer noch rund 25 Prozent unter dem Niveau von 2019 – seit Juni dieses Jahres können wir jedoch wieder einen positiven Trend feststellen», sagt Kommunikationschefin Fabienne Thommen. Die Einnahmen waren 2020 rund 20 Prozent unter dem Budget. Der Ticketverkauf generiert für RBS die Hälfte der Einnahmen. Die Defizite werden aus den Reserven gedeckt. «Ob die verbleibenden Reserven des RBS auch 2021 ausreichen, um die zu erwartenden Defizite aus den Verkehrserträgen decken zu können, kann ich Ihnen noch nicht sagen», so Thommen.

Die für 2021 erwarteten Ausfälle von gegen 20 Prozent scheinen sich bei Postauto zu bestätigen. 2020 belief sich der finanzielle Verlust auf 79 Millionen Franken. Nun stelle man aber eine Stabilisierung des Marktes fest, so Ben Küchler. «Insbesondere bei Einzeltickets stellen wir eine raschere Erholung fest, wobei diese zu einem grossen Teil auf die sich langsamer entwickelnde Erholung bei den Abonnenten zurückzuführen ist.»

«Durch die tieferen Fahrgastzahlen sind ebenfalls die Verkehrserträge zurückgegangen, was auch finanzielle Herausforderungen mit sich zieht. Zudem bleibt es schwierig, eine Prognose abzugeben», sagt auch Romina Ryser von asm. Bisher sei zudem nicht absehbar, wann die Nachfrage wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen und auf welchem Niveau sich diese langfristig einpendeln werde.

Postauto rechnet im Kanton Solothurn für das Gesamtjahr 2021 gegenüber 2019 mit einer um etwas 17 Prozent tieferen Auslastung. 2020 habe mit 25 Prozent weniger Fahrgästen empfindliche Einbussen gebracht. 2021 sehe bereits deutlich besser aus.

«Wir gehen davon aus, dass wir 2024 die Fahrgastzahlen des Vor-Corona-Jahrs 2019 wieder erreichen werden.»

Angezogen habe die Auslastung, als mit dem Ende der Sommerferien die Homeoffice-Pflicht endete und der Präsenzunterricht an Hoch- und Berufsschulen startete. Nach den Herbstferien sei eine weitere Zunahme erfolgt. «Wie die Bilanz künftig wirklich aussehen wird, hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab: Coronazahlen und die damit verbundenen Massnahmen, Etablierung virtueller Arbeits- und Eventformen, Rückkehr ausländischer Touristen, Ferienplanung der Schweizer im In- oder Ausland.»

Vor allem die Berufspendler kehren also zögerlich in den ÖV zurück. Im Gegenteil: Gerade führen zahlreiche Unternehmen wieder Homeoffice ein. Manche bauen ihre Büros um – unabhängig von Corona. Die Frage müsste also sein: Bleibt die Schweiz ein Volk von Pendlern?

Der Bundesrat hat dem Parlament am 3. November 2021 ein Unterstützungspaket für den ÖV vorgeschlagen. Dieses soll die Massnahmen aus dem Jahr davor ergänzen. Coronadefizite, die im ÖV nicht aus den eigenen Reserven finanziert werden können, sollen von der öffentlichen Hand gedeckt werden. Namentlich sollen Bund und Kantone auch Ausfälle im Regionalverkehr aus dem Jahr 2021 auffangen. Zudem soll der Bund dem Ortsverkehr und vom Kanton unterstützte touristischen ÖV-Angeboten unter die Arme greifen.

Für den Regionalverkehr rechnet der Bundesrat für 2021 mit Zusatzkosten von rund 150 Millionen Franken, für den Ortsverkehr mit maximal 50 Millionen und für den touristischen Verkehr mit maximal 15 Millionen. Das Parlament wird voraussichtlich in der Wintersession darüber entscheiden. Nicht Teil des Massnahmenpakets ist die Unterstützung des SBB-Fernverkehrs.